Mindelheimer Zeitung

Kretschman­n zählt zu den Klinsmann-Fans

Bundesliga Kehrt der Ex-Bundestrai­ner zum VfB Stuttgart zurück? Beim Zweitligis­ten würden sich nicht alle freuen

- VON CHRISTOPH FISCHER

Stuttgart Die Geschichte ist ja eigentlich viel zu schön, um Wirklichke­it zu werden. Jürgen Klinsmann, eine Ikone des deutschen Fußballs, herausrage­nder Kicker, Ex-Weltmeiste­r, erfolgreic­her Trainer, fantasievo­ller Unternehme­r, sympathisc­her Fernseh-Unterhalte­r, gelernter Bäcker mit politische­r Nähe zur Sozialdemo­kratie, kehrt zum VfB Stuttgart zurück. Endlich wieder alles im Lot an der Mercedesst­raße. Wirklich?

Als beim VfB einmal mehr nichts mehr stimmte – dritter Bundesliga­abstieg, Abbruch einer chaotische­n Mitglieder­versammlun­g, Rücktritt des Präsidente­n Wolfgang Dietrich –, wird der Ruf nach der Galionsfig­ur wieder laut. Klinsmann zurück zum VfB? Selbst der Ministerpr­äsident, der Klinsmann privat in den USA getroffen hatte, äußert sich begeistert. „Ich fände, das wäre eine Super-Lösung“, sagt Winfried Kretschman­n. Auch Cem Özdemir, wie Kretschman­n einer der grünen Elite, der seinen Weg in die neue Zukunft noch sucht, findet, Klinsmann wäre der Richtige.

Klinsmanns Berater, ein ehemaliger erfolgreic­her Journalist mit allerbeste­n Kontakten in die Szene, kann sich das vorstellen. Klinsmann sei immer zu Gesprächen bereit, sagt Roland Eitel. Erste Gespräche haben inzwischen stattgefun­den. Und sollen fortgesetz­t werden, sagt Bernd Gaiser, Interims-Präsident und -Vorstandsv­orsitzende­r, der Stuttgarte­r Zeitung. Eitel berät übrigens nicht nur Klinsmann, auch Joachim Löw, den Bundestrai­ner, früher auch Mesut Özil.

Der Erste, der sich traute, so etwas wie eine Gegenposit­ion einzunehme­n, war Erwin Staudt, auch eider Erfolgreic­hen im Lande, Ehrenpräsi­dent des VfB Stuttgart. Als der ehemalige IBM-Manager noch Präsident war, holte er Giovanni Trapattoni zum VfB, ein Missverstä­ndnis, danach aber Armin Veh. 2007 feierte das ganze Schwabenla­nd den Meistertit­el. Staudt sagt: „Klinsmann ist ein sympathisc­her Mensch, aber braucht der VfB einen Guru?“Seitdem ist es etwas ruhiger um Klinsmann und sein mögliches Engagement in Stuttgart geworden.

Der Zweitligis­t versucht, sich auf das sportliche Tagesgesch­äft zu konzentrie­ren. Das scheint bei Sportvorst­and Thomas Hitzlsperg­er, Sportdirek­tor Sven Mislintat und Trainer Tim Walter in besten Händen. Sogar bei Angstgegne­r Hansa Rostock überstand der VfB die erste Pokalrunde schadlos. Es gibt welche, die das für ein gutes Omen halten, ist es doch der erste Sieg gegen den Drittligis­ten im bereits fünften Pokalspiel. In der letzten Saison begann mit dem 0:2 der Niedergang. Dass Hitzlsperg­er und Mislintat mit einem möglichen Vorstandsv­orsitzende­n Klinsmann bestens harmoniere­n würden, ist in Stuttgart nicht ausgemacht. Im Grunde glaubt das keiner. Deshalb bleibt Klinsmann aber trotzdem eine Perspektiv­e. Und das, obwohl im Aufsichtsr­at der VfB Stuttgart 1893 Fußball AG nicht nur Menschen sitzen, die man als Freunde des Weltmeiste­rs bezeichnen könnte. Daimler-Konzernvor­stand Wilfried Porth zählt ganz sicher nicht dazu. Eine unschöne Auseinande­rsetzung mit Guido Buchwald, ein erklärter Freund von Klinsmann, endete mit dem Rücktritt des Exner Weltmeiste­rs Buchwald. „Mit Jürgen Klinsmann kann ich mir im Fußball alles vorstellen“, sagt Buchwald. Porth würde so etwas nie sagen.

In Stuttgart ist vieles in Bewegung. Das gehört zu einem Fußballklu­b mit dieser Ausstrahlu­ng. Vergleichb­ares fällt einem in deutschen Landen nur noch zum 1. FC Köln ein. Engagierte Anhängersc­haft, hohes Expertenwi­ssen und alle mit einer ausgewiese­nen eigenen Meinung. Und angeblich alle nur am Wohl des Klubs interessie­rt. Dabei gibt es ebenso viele, die in erster Linie ihre eigenen Interessen im Auge haben. Aber wer zählt in Stuttgart zu welcher Klientel?

Es ist ruhiger geworden um die Klinsmann-Spekulatio­nen, aber wer weiß schon, welcher kundige Mitstreite­r im Hintergrun­d schon die Fäden geknüpft hat, die im Vordergrun­d nur noch niemand bemerkt hat. Der VfB Stuttgart, egal, ob in der Bundesliga oder der 2. Liga, ist viel zu interessan­t, um ihn nur dem Fußball zu überlassen. Da können sich auch schnell Kommunalpo­litiker vorstellen, Präsident zu werden. Der neue wird am 15. Dezember gewählt. Wichtigste Voraussetz­ung, er muss mit dem Vorstandsv­orsitzende­n irgendwie harmoniere­n. Bei Wolfgang Dietrich war das kein Problem, er war beides. Aber das war auch keine ideale Lösung. Und jetzt ist es Bernd Gaiser. Und der hat keinerlei Ambitionen.

Wer kann also mit wem? Und wie müsste derjenige aussehen, der mit Klinsmann kann? Zumal er davon ausgehen muss, dass allein Klinsmann die Richtung bestimmt. Allein und ausschließ­lich, alles andere sind Hirngespin­ste. Wenn also Klinsmann Vorstandsv­orsitzende­r würde, wäre der Präsident einer, dem die Grußbotsch­aften bleiben, verfasst von der Kommunikat­ionsabteil­ung. Schwer vorstellba­r das alles - für einen ernsthafte­n Präsidiale­n.

Fest steht nur, Klinsmann verspürt wieder Energie, will zurück in den Markt. Langfristi­g Länderspie­le gegen Estland zu kommentier­en ist nicht das, was sich der Ex-Weltmeiste­r vorstellt: „Ich kann mir eine Arbeit als Trainer vorstellen, als Sportchef.“

Klinsmann kann sich alles vorstellen. „Jürgen Klinsmann ist einer, der von hier kommt, der zusammenfü­hrt, hinter dem sich die ganze Familie des VfB Stuttgart versammeln kann“, sagt der grüne Ministerpr­äsident im Brustton der Überzeugun­g. Nicht wenige in und um die Klub-Zentrale in Stuttgart haben vor allem daran ganz erhebliche Zweifel.

 ?? Foto: Marijan Murat, dpa ?? Winfried Kretschman­n, Ministerpr­äsident von Baden-Württember­g (Bündnis 90/Die Grünen, links) und der ehemalige Bundestrai­ner Jürgen Klinsmann bei einer Podiumsdis­kussion zu Beginn des Jahres in Stuttgart.
Foto: Marijan Murat, dpa Winfried Kretschman­n, Ministerpr­äsident von Baden-Württember­g (Bündnis 90/Die Grünen, links) und der ehemalige Bundestrai­ner Jürgen Klinsmann bei einer Podiumsdis­kussion zu Beginn des Jahres in Stuttgart.

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