Kretschmann zählt zu den Klinsmann-Fans
Bundesliga Kehrt der Ex-Bundestrainer zum VfB Stuttgart zurück? Beim Zweitligisten würden sich nicht alle freuen
Stuttgart Die Geschichte ist ja eigentlich viel zu schön, um Wirklichkeit zu werden. Jürgen Klinsmann, eine Ikone des deutschen Fußballs, herausragender Kicker, Ex-Weltmeister, erfolgreicher Trainer, fantasievoller Unternehmer, sympathischer Fernseh-Unterhalter, gelernter Bäcker mit politischer Nähe zur Sozialdemokratie, kehrt zum VfB Stuttgart zurück. Endlich wieder alles im Lot an der Mercedesstraße. Wirklich?
Als beim VfB einmal mehr nichts mehr stimmte – dritter Bundesligaabstieg, Abbruch einer chaotischen Mitgliederversammlung, Rücktritt des Präsidenten Wolfgang Dietrich –, wird der Ruf nach der Galionsfigur wieder laut. Klinsmann zurück zum VfB? Selbst der Ministerpräsident, der Klinsmann privat in den USA getroffen hatte, äußert sich begeistert. „Ich fände, das wäre eine Super-Lösung“, sagt Winfried Kretschmann. Auch Cem Özdemir, wie Kretschmann einer der grünen Elite, der seinen Weg in die neue Zukunft noch sucht, findet, Klinsmann wäre der Richtige.
Klinsmanns Berater, ein ehemaliger erfolgreicher Journalist mit allerbesten Kontakten in die Szene, kann sich das vorstellen. Klinsmann sei immer zu Gesprächen bereit, sagt Roland Eitel. Erste Gespräche haben inzwischen stattgefunden. Und sollen fortgesetzt werden, sagt Bernd Gaiser, Interims-Präsident und -Vorstandsvorsitzender, der Stuttgarter Zeitung. Eitel berät übrigens nicht nur Klinsmann, auch Joachim Löw, den Bundestrainer, früher auch Mesut Özil.
Der Erste, der sich traute, so etwas wie eine Gegenposition einzunehmen, war Erwin Staudt, auch eider Erfolgreichen im Lande, Ehrenpräsident des VfB Stuttgart. Als der ehemalige IBM-Manager noch Präsident war, holte er Giovanni Trapattoni zum VfB, ein Missverständnis, danach aber Armin Veh. 2007 feierte das ganze Schwabenland den Meistertitel. Staudt sagt: „Klinsmann ist ein sympathischer Mensch, aber braucht der VfB einen Guru?“Seitdem ist es etwas ruhiger um Klinsmann und sein mögliches Engagement in Stuttgart geworden.
Der Zweitligist versucht, sich auf das sportliche Tagesgeschäft zu konzentrieren. Das scheint bei Sportvorstand Thomas Hitzlsperger, Sportdirektor Sven Mislintat und Trainer Tim Walter in besten Händen. Sogar bei Angstgegner Hansa Rostock überstand der VfB die erste Pokalrunde schadlos. Es gibt welche, die das für ein gutes Omen halten, ist es doch der erste Sieg gegen den Drittligisten im bereits fünften Pokalspiel. In der letzten Saison begann mit dem 0:2 der Niedergang. Dass Hitzlsperger und Mislintat mit einem möglichen Vorstandsvorsitzenden Klinsmann bestens harmonieren würden, ist in Stuttgart nicht ausgemacht. Im Grunde glaubt das keiner. Deshalb bleibt Klinsmann aber trotzdem eine Perspektive. Und das, obwohl im Aufsichtsrat der VfB Stuttgart 1893 Fußball AG nicht nur Menschen sitzen, die man als Freunde des Weltmeisters bezeichnen könnte. Daimler-Konzernvorstand Wilfried Porth zählt ganz sicher nicht dazu. Eine unschöne Auseinandersetzung mit Guido Buchwald, ein erklärter Freund von Klinsmann, endete mit dem Rücktritt des Exner Weltmeisters Buchwald. „Mit Jürgen Klinsmann kann ich mir im Fußball alles vorstellen“, sagt Buchwald. Porth würde so etwas nie sagen.
In Stuttgart ist vieles in Bewegung. Das gehört zu einem Fußballklub mit dieser Ausstrahlung. Vergleichbares fällt einem in deutschen Landen nur noch zum 1. FC Köln ein. Engagierte Anhängerschaft, hohes Expertenwissen und alle mit einer ausgewiesenen eigenen Meinung. Und angeblich alle nur am Wohl des Klubs interessiert. Dabei gibt es ebenso viele, die in erster Linie ihre eigenen Interessen im Auge haben. Aber wer zählt in Stuttgart zu welcher Klientel?
Es ist ruhiger geworden um die Klinsmann-Spekulationen, aber wer weiß schon, welcher kundige Mitstreiter im Hintergrund schon die Fäden geknüpft hat, die im Vordergrund nur noch niemand bemerkt hat. Der VfB Stuttgart, egal, ob in der Bundesliga oder der 2. Liga, ist viel zu interessant, um ihn nur dem Fußball zu überlassen. Da können sich auch schnell Kommunalpolitiker vorstellen, Präsident zu werden. Der neue wird am 15. Dezember gewählt. Wichtigste Voraussetzung, er muss mit dem Vorstandsvorsitzenden irgendwie harmonieren. Bei Wolfgang Dietrich war das kein Problem, er war beides. Aber das war auch keine ideale Lösung. Und jetzt ist es Bernd Gaiser. Und der hat keinerlei Ambitionen.
Wer kann also mit wem? Und wie müsste derjenige aussehen, der mit Klinsmann kann? Zumal er davon ausgehen muss, dass allein Klinsmann die Richtung bestimmt. Allein und ausschließlich, alles andere sind Hirngespinste. Wenn also Klinsmann Vorstandsvorsitzender würde, wäre der Präsident einer, dem die Grußbotschaften bleiben, verfasst von der Kommunikationsabteilung. Schwer vorstellbar das alles - für einen ernsthaften Präsidialen.
Fest steht nur, Klinsmann verspürt wieder Energie, will zurück in den Markt. Langfristig Länderspiele gegen Estland zu kommentieren ist nicht das, was sich der Ex-Weltmeister vorstellt: „Ich kann mir eine Arbeit als Trainer vorstellen, als Sportchef.“
Klinsmann kann sich alles vorstellen. „Jürgen Klinsmann ist einer, der von hier kommt, der zusammenführt, hinter dem sich die ganze Familie des VfB Stuttgart versammeln kann“, sagt der grüne Ministerpräsident im Brustton der Überzeugung. Nicht wenige in und um die Klub-Zentrale in Stuttgart haben vor allem daran ganz erhebliche Zweifel.