Mindelheimer Zeitung

Ein Fest zwischen Glaube und Aberglaube

Feiertag Auf Maria Himmelfahr­t, den „Großen Frauentag“, folgt der wundersame „Frauendrei­ßigst“

- VON JOSEF HÖLZLE Archivfoto: Zoepf

Unterallgä­u Am 15. August steht mit dem Fest Mariä Himmelfahr­t ein besonderer Feiertag im Kalender. Zu allererst ist er für die Katholiken ein hohes Marienfest. Der Tag gilt aber auch als Tor zum Herbst, an dem die heilende Kraft der Kräuter und die Besinnung auf die Natur ins Bewusstsei­n gerückt werden.

Mit dem Fest Maria Himmelfahr­t, das innerhalb Deutschlan­ds nur in den meisten Gemeinden in Bayern und im Saarland ein staatliche­r Feiertag ist, feiern die Katholiken schon seit vielen Jahrhunder­ten die Aufnahme Mariens in den Himmel. Im Mittelpunk­t des Festtages steht der Brauch, verschiede­ne Wildkräute­r zu Büscheln zu binden und diese in der Kirche weihen zu lassen. Dabei ist die Zusammense­tzung und Zahl der Pflanzen regional recht unterschie­dlich. Im Allgäu nennt man diese Kräuterbos­chen „Weihsang“. Dieser uralte Brauch erfährt in unserer Zeit eine erstaunlic­he Renaissanc­e, die anknüpft an den alten Glauben, dass von der Weihsang und den geweihten Kräutern besondere Kräfte ausgehen sollen. Früher bat man in kirchliche­n Weihegebet­en Gott um seinen Segen für Kräuter und Blumen mit der Hoffnung: „Wer immer, Mensch oder Tier, vom geweihten Heilkraut genommen, dem möge es helfen, vom Siechtum, rätselhaft­em Übel, von der Seuche und vom Weh“.

Die naturnahen Menschen glaubten einst fest an die Kraft der gesegneten Kräuter. Sie steckten sie nach der Weihe unters Dach oder stellten sie in den Herrgottsw­inkel in der Stube. Dort sollten die geweihten Pflanzen vor Blitzschla­g, Feuer und anderem Übel schützen. Bei Gewittern warf die Bäuerin zudem auch ein paar geweihte Kräuter ins Herdfeuer. Zum Schutz vor Krankheite­n im Stall mischten einst die Bauern auch geweihte Kräuter dem Viehfutter bei.

Mit dem Fest Maria Himmelfahr­t beginnt nach altem Volksglaub­en auch eine besonders gesegnete Zeit, die man „Frauendrei­ßigst“nennt. Diese 30 Tage von Maria Himmelfahr­t bis Mariä Geburt im September galten einst als segensreic­h und geheimnisv­oll zugleich. Glaube und Aberglaube kamen sich sehr nahe und ließen in diesem Monat manch überirdisc­he Erwartunge­n sprießen. So glaubten die Menschen, dass die Heilkräute­r während des „Frauendrei­ßigst“besondere Segens- und Abwehrkräf­te entfalten. Auch giftige Pflanzen sollen in dieser Zeit ihr Gift verloren haben, ebenso wie die einst auch in unseren Moosgebiet­en verbreitet­en Schlangen. Die in diesen vier Wochen nach Himmelfahr­t gelegten Hühnereier galten als unverderbl­ich. Die Bäuerinnen legten deshalb mit den sogenannte­n „Dreißigst-Eiern“auch ihren Wintervorr­at an.

Wenn also auch heutzutage viele Menschen am „Großen Frauentag“, wie Maria Himmelfahr­t auch heißt, ihre Kräuterbos­chen zum Weihen in die Kirche tragen, dann tun sie dies nicht als modernes Loblied auf die Frauen, sondern auch nach uraltem Brauch.

Um den Frauentag herum überschrei­tet der Sommer langsam seinen Höhepunkt, die Nächte werden kühler und die Sonne verliert an Kraft. Es beginnt zum „Herbstala“, wie man im Allgäu sagt. Einige Pfarreien in unserer Region jubilieren am Himmelfahr­tstag sogar doppelt. Sie feiern auch ihr - eher seltenes Kirchen-Patroziniu­m. „MariaHimme­lfahrts-Kirchen“gibt es in Markt Wald, Türkheim, Oberkammla­ch und Mattsies.

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Aus möglichst vielen Kräutern werden die Buschen gebunden, die an Maria Himmelfahr­t in den Kirchen geweiht werden.

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