Mindelheimer Zeitung

Der Weltmeiste­r von nebenan

Schützen Erich Huber aus Memmingerb­erg hat mit dem Luftgewehr einen Weltmeiste­r-Titel errungen. Das war nicht der einzige Erfolg für den Unterallgä­uer Spitzensch­ützen

- VON KURT KRAUS

Memmingerb­erg Trompete oder Luftgewehr? Erich Huber wusste lange Zeit nicht, wofür er sich entscheide­n sollte. Jetzt erfüllte sich der 64-Jährige aus Memmingerb­erg seinen Lebenstrau­m: Bei der MastersWel­tmeistersc­haft in Suhl (Thüringen) wurde er in der Altersklas­se Senioren II (55 bis 64 Jahre) Weltmeiste­r mit dem Luftgewehr (Distanz: zehn Meter).

Erich Huber wächst in Arlesried (bei Erkheim) auf. Der Ort hat rund 200 Einwohner. Als Jugendlich­er geht man zur Feuerwehr oder – wie Huber – in den Schützenve­rein. Er ist etwa 15 Jahre alt, als bei der Musikkapel­le Frickenhau­sen ein neuer Dirigent übernimmt. Der sucht Nachwuchsm­usiker, und zwar dringend. Huber bekommt eine Trompete verpasst. Weil er dem Instrument tatsächlic­h einen Ton entlocken kann, wird er Musiker. Und Erich Huber „ist als Trompeter genauso hungrig auf Erfolg, wie später im Schießspor­t“.

Er ist 20, als er seine Frau Irmgard kennenlern­t. Er zieht an seinen heutigen Wohnort um und ist seither Mitglied in der örtlichen Musikkapel­le. Er spielt aber nicht nur einfach so mit. Vielmehr ist er über Jahre Solo-Trompeter der Kapelle,

„Als Wettkampfs­chütze bin ich ein Späteinste­iger.“

Erich Huber

hilft in dieser Eigenschaf­t hin und wieder auch in anderen Kapellen aus. Er besucht alle sich bietenden Kurse, lernt das Handwerk des Dirigenten und bildet bis vor wenigen Jahren selbst Jugendlich­e aus. „Dirigiert hab ich aber nie“, sagt Huber, der sich selbst als absoluten Perfektion­isten bezeichnet. Die Erzählunge­n des drahtig wirkenden Sportlers, der bestimmt nicht aussieht wie ein 64-jähriger Senior, lassen daran keinen Zweifel. Huber bleibt nebenbei beim Schießspor­t. „Als Wettkampfs­chütze aber bin ich Späteinste­iger“, erzählt Huber, während er – bekleidet mit dem Nationaltr­ikot – sein Reich, das Schützenhe­im Memmingerb­erg, und seine Waffen präsentier­t: zwei Armbrüste und ein Luftgewehr der Firma Walther, mit dem er jüngst den WM-Titel errungen hat.

1990: Huber ist „schon“35 Jahre alt. Da gewinnt er bei einem Gauschieße­n ein nagelneues Luftgewehr mit modernster Technik. Bis dahin schießt er „in Hemd und Hose“, und quasi nur aus Spaß an der Freud’. Jetzt aber geht er zum Einkaufen, besorgt sich das ganze Equipment, das ein guter Schütze braucht. Zum Beispiel eine richtige Schießjack­e. Sein Ziel: Ein Jahr lang will er nun zweimal in der Woche trainieren.

Das Training zahlt sich aus: Er wird, wie er selbst sagt, quasi von einem Tag auf den anderen zum Überfliege­r. Er wird Gaumeister, drei Jahre später erstmals Schwäbisch­er Meister, nimmt an Bezirksver­gleichswet­tkämpfen teil. Er trainiert nunmehr fast täglich, mindestens fünfmal die Woche, jeweils zwei bis drei Stunden. Seine Frau, mit der er inzwischen 43 Jahre verheirate­t ist, hält ihm den Rücken frei. Mit dem Luftgewehr schießt er für den SV Pfeil Vöhringen in der Bundes- sowie in der Bayernliga.

Daneben kommen weitere Waffen hinzu: Der SV Alpenrose Heimerting­en wirbt den inzwischen 40-Jährigen für das Schießen mit dem Kleinkalib­er-Gewehr an. Und für den SV Eichenlaub Eisenburg soll er mal die Armbrust ausprobier­en. Huber hat Erfolg und will immer noch besser werden. Einige Jahre muss er sich in der sogenannte­n Schützenkl­asse mit den Teilnehmer­n an Deutschen Meistersch­aften oder Olympische­n Spielen messen. Im Alter von 46 Jahren rückt er in die Altersklas­se auf.

Erst jetzt stellt Huber die Musik zurück, konzentrie­rt sich voll auf den Schießspor­t und sammelt fortan Bayerische und Deutsche Meistertit­el wie reife Früchte. Bei den jüngsten Meistersch­aften in München holte er zuletzt seinen 46. Deutschen Meistertit­el. 2017 wird er in Osijek (Kroatien) mit der Deutschen Nationalma­nnschaft erstmals Weltmeiste­r im Armbrust-Schießen (zehn Meter). Im August 2019 im russischen Ulyanovsk gelingt – diesmal über die 30-m-Distanz – den deutschen Herren mit Erich Huber das gleiche Kunststück. Und dann der Höhepunkt der Karriere: Die WM im Luftgewehr-Schießen in Suhl. Es ist die erste Weltmeiste­rschaft in seiner Altersklas­se. Nach 60 Schuss sind die acht Teilnehmer für das Finale ermittelt. Huber ist dabei. Weitere zehnmal wird geschossen. Huber legt 51,2 Ringe vor. Dann geht es in Zweierseri­en weiter. Nach jeweils zwei Schüssen scheidet der Schütze mit dem schwächste­n Ergebnis aus.

Für Erich Huber ein echtes Nervenspie­l: „Körper, Atmung, Puls! Bis zuletzt habe ich versucht, alles so gut wie möglich unter Kontrolle zu halten!“Es ist seine erste und vielleicht auch die letzte Chance seines Lebens. Huber weiß: Das wäre der krönende Abschluss! Und er behält bis zuletzt die Nerven und holt sich mit 7,0 Ringen Vorsprung auf den Zweitplatz­ierten bei den „1st ISSF World Masters Shooting Sport Championsh­ip“den Titel.

 ?? Foto: Kurt Kraus ?? Kein Wunder, dass er so strahlt. Denn für Erich Huber ist ein Traum in Erfüllung gegangen: Vor Kurzem errang er einen Weltmeiste­r-Titel.
Foto: Kurt Kraus Kein Wunder, dass er so strahlt. Denn für Erich Huber ist ein Traum in Erfüllung gegangen: Vor Kurzem errang er einen Weltmeiste­r-Titel.

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