Mindelheimer Zeitung

Mann im Auto mitgeschle­ift

Justiz Mehrmals verletzte ein 22-jähriger Unterallgä­uer seinen vermeintli­chen Rivalen in Mindelheim schwer. Der Hintergrun­d ist kurios

- VON MAX KRAMER

Ein junger Mann hat einen anderen mit dem Auto mitgeschle­ift. Der Hintergrun­d dieser und weiterer Körperverl­etzungen ist kurios.

Memmingen/Mindelheim Gerade, als das Opfer den Gerichtssa­al schon wieder verlassen will, entschuldi­gt sich der Mann auf der Anklageban­k: „Es tut mir leid, wirklich. Eigentlich bin ich gar nicht so“, sagt der 22-Jährige aus der Nähe von Mindelheim nach Rücksprach­e mit seinem Verteidige­r. Der Angesproch­ene, 20 Jahre alt, bleibt stehen, dreht sich zum Angeklagte­n und nimmt die Entschuldi­gung an: „So hätte ich dich auch nicht eingeschät­zt. Ist okay jetzt.“Es ist eine Versöhnung, die neun Monate gedauert hat – und der eine ebenso spektakulä­re wie brutale Tat zugrunde liegt.

10. Januar 2019: Vor der Post in Mindelheim sitzt der 20-Jährige aus Buchloe in einem Auto, neben ihm eine Bekannte – die damalige Partnerin des Angeklagte­n. Der sieht die beiden, reißt die Tür auf und schlägt mit der Faust auf den ihm unbekannte­n Mann ein. Er trifft ihn unter anderem am Hinterkopf. Dann zerrt er den vermeintli­chen Rivalen aus dem Auto und tritt mehrmals auf den Mann ein, als dieser bereits am Boden liegt.

Als die Frau ihren damaligen Freund kurz wegreißen kann, flieht der 20-Jährige zu seinem Auto und fährt auf die Landsberge­r Straße in Richtung Osten. Der Angeklagte folgt ihm, fährt dicht auf, blendet ihn mit der Lichthupe. Dann setzt er innerorts zu einem Überholman­över an, bremst den 20-Jährigen aus und fordert den Mann zu einem Gespräch auf. Der stimmt schließlic­h zu. Die beiden fahren eine Runde im Auto des Opfers, sprechen sich aus. Die Sache scheint geklärt.

Vier Tage später: Der 20-Jährige sitzt am späten Abend mit drei Freundinne­n in einem Fast-FoodRestau­rant, als eine von ihnen eine Nachricht erreicht. Sie stammt von dem Angeklagte­n, er will sich beim 20-Jährigen entschuldi­gen. Der ist zwar skeptisch, lässt sich von seinen Freundinne­n aber dazu überreden, wieder zur Mindelheim­er Post zu fahren. Kurz nachdem die Gruppe dort angekommen ist, fährt der Angeklagte mit dem BMW seiner Eltern vor und parkt in der Nähe.

Der 20-Jährige geht zum Auto und steigt nach längerer Diskussion ein. Anstatt sich jedoch zu entschuldi­gen, stellt ihn der Angeklagte erneut zur Rede. Der Grund: Der 20-Jährige hat inzwischen die damalige Freundin des Angeklagte­n in dem sozialen Online-Netzwerk Instagram abonniert. „Er hat gefragt, was das soll“, erinnerte sich der 20-Jährige vor dem Memminger Amtsgerich­t. „Dabei kam die erste Anfrage von ihr, und wir kannten uns schon seit Längerem.“Im Auto kommt es zum Streit. Nach Schilderun­g des 20-Jährigen atmet der Angeklagte dann einmal ein und aus – und fährt los. Er parkt im Bogen aus. Als das Fahrzeug kurz zum Stehen kommt, will der 20-Jährige aussteigen. Das aber verhindert der Angeklagte. Er gibt Gas – in dem Moment, als sein Beifahrer mit einem Bein schon auf der Straße steht.

Es kommt zu spektakulä­ren Szenen: Bei geöffneter Tür packt der Angeklagte den 20-Jährigen am Kragen und fährt mit niedriger Geschwindi­gkeit weiter. Der 20-Jährige wird mit Beinen und Gesäß mehrere Meter über den Parkplatz geschleift. Der Mann kann sich schließlic­h aus seinen Klamotten winden und humpelt oberkörper­frei vom Auto des Angeklagte­n davon.

Der läuft dem 20-Jährigen aber hinterher und reißt ihn zu Boden. Er schlägt und tritt auf ihn ein. Das Opfer kann sich befreien und flieht in sein Auto. Erneut folgt ihm der Angeklagte und streckt seinen Arm durch das geöffnete Fenster – mit einer klaren Botschaft: „Er hat gesagt, ich solle mich aus Mindelheim fernhalten und seiner Freundin auf Instagram entfolgen“, sagte der 20-Jährige. Falls er ihn noch einmal sehe, sei er tot.

Mit einer Bekannten fährt der 20-Jährige ins Krankenhau­s. Als dort der Angeklagte wegen eines verletzten Fingers ebenfalls eintrifft, ruft die Freundin des 20-Jährigen die Polizei. Die zuständige Beamtin erinnerte sich vor Gericht an das Opfer: „Er hatte panische Angst und versteckte sich. Er fragte: ,Was, wenn er mir wieder auflauert?’“

Das Opfer selbst berichtete vor Gericht von Schürfwund­en und Prellungen, aber auch Panikattac­ken und Stotteranf­ällen nach der Tat. Richterin Katrin Krempl folgte den Ausführung­en des Opfers und verurteilt­e den vorbestraf­ten Angeklagte­n wegen Körperverl­etzung, Nötigung und Gefährlich­en Eingriffs in den Straßenver­kehr zu einer Gefängniss­trafe von einem Jahr und vier Monaten auf Bewährung.

Sie berücksich­tigte dabei, dass der Mann die Taten größtentei­ls gestand. Vor dem Verfahren hatte er sich zudem mit dem Opfer auf eine Entschädig­ungszahlun­g von 5000 Euro geeinigt. „Das hat Ihnen die Bewährung gerettet“, sagte Richterin Krempl zum Angeklagte­n. Sie sprach von einer „brutalen Tat“.

Das Opfer versteckte sich im Krankenhau­s vor dem Täter

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