Wer macht endlich Politik für die Jungen?
Es stimmt ja, dass es keine einfachen Antworten auf die größten Herausforderungen der Zukunft gibt. Aber keine Antwort ist halt auch keine Lösung
Wenn bei einer Rechnung, die jahrzehntelang aufging, plötzlich das falsche Ergebnis herauskommt, sollte man über neue Lösungswege nachdenken. Die Rechnung der Volksparteien ging so: Die Alten werden immer mehr und die Jungen interessieren sich sowieso nicht für Politik, also müssen wir schauen, dass wir die Stimmen der Älteren bekommen. Doch das in die Jahre gekommene Modell funktioniert nicht mehr. Es ist an der Zeit, diese Politik in Rente zu schicken.
Nie wurde die Hilflosigkeit der Parteien so offenkundig wie in der Klimadebatte. Hunderttausende vermeintlich desinteressierte junge Menschen engagieren sich, Schüler, sogar Kinder gehen auf die Straße. Und die Politik? Diskutiert über Sanktionen gegen Schulschwänzer. Empfiehlt den Demonstranten, die Sache mit dem Klima den Profis zu überlassen. Erklärt von oben herab, dass die Jungen das alles eh ganz anders sehen werden, wenn sie erst mal älter sind. Es ist genau diese Attitüde, frei von Empathie, frei von Antworten, die junge Leute so frustriert. Nein, sie sind eben nicht politikverdrossen, sie sind parteienverdrossen.
An diesem Dienstag erscheint die neue Shell-Jugendstudie. Wissenschaftler wollten herausfinden, was junge Menschen bewegt, welche Werte ihnen wichtig sind, welche Sorgen sie haben. Die Untersuchung trägt in diesem Jahr den Titel „Eine Generation meldet sich zu Wort“. Das ist Drohung und Chance zugleich. Denn eines ist klar: Unsere Demokratie, die von radikalen Kräften immer stärker beschädigt wird, braucht die nächsten Generationen zum Überleben.
Die Versuche der nervösen „Volksparteien“, junge Menschen zurückzugewinnen, bewegen sich zwischen plumper Anbiederei und Kuriositäten wie dem neuen Youtube-Kanal der CSU. Das ist so, als würde der 65-jährige Onkel plötzlich nur noch in Jugendsprache reden. Ein bisschen putzig schon, aber eben vor allem peinlich. Die einzige Partei, die bei jungen Wählern derzeit punkten kann, sind die Grünen. Wie eine aktuelle ForsaUmfrage zeigt, liegen sie bei den 18- bis 24-Jährigen klar vorne. In dieser Generation bekommen sie fast doppelt so viel Zuspruch wie Union und SPD zusammen. Deren größter Rückhalt ist die Altersgruppe 70 Plus. Das Erfolgsgeheimnis der Grünen ist nicht (nur) der Politikstil. Sie genießen in der Schicksalsfrage des Klimawandels einfach die größte Glaubwürdigkeit. Genau hier liegt der Schlüssel für die anderen Parteien. Sie müssen erklären, wie sie die Herausforderungen meistern wollen, die junge Menschen umtreiben. Die Probleme, die Regierungen schon so lange vor sich herschieben. Wie soll das mit der Rente auf Dauer gut gehen? Wie können wir die Digitalisierung nutzen, anstatt ständig nur vor den Risiken zu warnen? Können wir es uns leisten, eine Familie zu gründen, wenn schon eine MiniWohnung unbezahlbar ist und wir uns von einem befristeten Job zum nächsten hangeln? Wann schaffen wir es, dass Kinder kein Karrierekiller mehr sind? Es stimmt ja, dass es keine einfachen Antworten auf diese Fragen gibt. Aber keine Antwort ist halt auch keine Lösung.
Es geht nicht darum, Generationen gegeneinander auszuspielen. Es geht darum, endlich auch (!) Politik für die nächsten Generationen zu machen. Es reicht nicht, den Jungen gönnerhaft zu erlauben, auch mal ein bisschen frech zu sein. Und es ist zu wenig, ihnen Alibi-Posten in der zweiten Reihe zu verschaffen oder auf Treffen von Jusos oder Junger Union darum zu wetteifern, wer den lautesten Applaus kriegt. Es geht darum, ihre Stimme tatsächlich ernst zu nehmen. Nur so hält eine Gesellschaft auf Dauer zusammen. Nur so geht die Rechnung eines Tages wieder auf.
Der Vorwurf der CSU, die AfD sei „geistiger Brandstifter“, ist absurd. Ausgerechnet diejenigen, die der AfD gebetsmühlenartig vorwerfen, sie würde islamische Terroranschläge für ihre Zwecke missbrauchen, ergehen sich, nur wenige Stunden nach der Tat, in der Instrumentalisierung für ihre Zwecke. Gerade Horst Seehofer, der einmal während eines lichten Moments von einer „Herrschaft des Unrechts“gesprochen hatte, sollte wissen, dass es nicht die AfD war, die den Boden gedüngt hat, auf dem der Rechtsextremismus gedeiht. Das war Bundeskanzlerin Angela Merkel. Dass diese Politik der offenen Scheunentore verheerende Auswirkungen auf die innere Sicherheit hat und einen wachsenden Unmut der schon länger hier Lebenden nach sich zieht, war absehbar. Ganz nebenbei bemerkt: Es gibt innerhalb der AfD sogar einen Flügel jüdischer Mitglieder (JAfD), dieser Partei dennoch Judenfeindlichkeit vorzuwerfen, verhehlt nur schlecht die wahre Absicht dahinter: Die Altparteien sehen ihre Felle davonschwimmen. Josef Mehrl, Immenstadt
Eine Generation meldet sich zu Wort. Zum Glück!