Knobelaufgabe Transfermarkt
Fußball Für einige Vereine werden Erlöse überlebenswichtig sein. Das erhöht die Chance, Schnäppchen machen zu können. Probleme könnte es für ablösefreie Spieler geben
München Nur wenig ist gewiss in Zeiten der Corona-Pandemie, die auch das globale Fußball-Business in Atem hält und bedroht. Wie geht’s weiter, in dieser Saison und erst recht danach? Was passiert auf dem Transfermarkt? Dort scheint nur eines vorhersagbar: Die schon in normalen Zeiten absurd anmutende Rekordablöse von 222 Millionen Euro, die Paris Saint-Germain 2017 für den Brasilianer Neymar an den FC Barcelona zahlte, dürfte nicht mal angetastet werden.
Gladbachs Manager Max Eberl glaubt, dass sich der Markt „enthitzen“könnte. Geschäftsführer Oliver Mintzlaff vom finanzkräftigen Bundesliga-Konkurrenten RB Leipzig erwartet eine Wechselperiode, die „dramatisch“wird. „Wir werden ein Transferfenster haben wie noch nie in der Vergangenheit“, sagte Minzlaff im Kicker.
Im dreistelligen Millionenbereich wurden vor Corona noch Leverkusens Jungstar Kai Havertz, 20, oder dessen Nationalelfkollege Leroy Sané, 24, von Manchester City taxiert. In beiden Fällen galt und gilt der FC Bayern als Interessent. Der Transfermarkt ist in Corona-Zeiten ein besonders spekulatives Thema – mit vielschichtigen Aspekten.
Wobei sich Entscheider in den Klubs und der gesamten Branche im Gespräch meist nur hinter vorgehaltener Hand konkret äußern. Es steht viel auf dem Spiel, und der Solidargedanke funktioniert im Profigeschäft höchstens punktuell. Borussia Dortmunds Geschäftsführer HansJoachim Watzke sprach das offen aus: „Ehrlicherweise sind wir auch Konkurrenten.“
In der Saison 2018/19 übertrafen die 18 Bundesligisten erstmals die Umsatzmarke von vier Milliarden Euro. 675,1 Millionen Euro entfielen auf die Transfererträge, ebenfalls Höchstwert. Bei der 2. Liga waren es 96,3 Millionen Euro. Das zeigt, welche Bedeutung Kaufen und Verkaufen für die Klubs hat.
Die Corona-Krise trifft alle großen Ligen in Europa. Die Einbußen werden enorm sein. Geisterspiele sollen sie abmildern. Ein wirtschaftlicher Schaden von 750 Millionen steht für die 36 deutschen Erst- und Zweitligisten im Raum. Fast 400 Millionen Euro machen die TVEinnahmen aus.
Läuft der Fußballbetrieb in dieser
Saison tatsächlich noch mal an, wird das Minus bei jedem Klub niedriger ausfallen als bei einem Abbruch. Das hätte Einfluss auf die Zukunftsplanung, also auch auf die nächste Transferperiode. „Die Bundesliga wird nach dem Virus ganz sicher wieder florieren“, sagte der frühere Werder-Manager Willi Lemke der
Bild. Planungssicherheit kehrt zurück – und dann auch ein rascher Rückfall in alte Handlungsmuster? „Sicherlich wird es vorübergehend eine Delle geben“, glaubt der Sportökonom Christoph Breuer von der Deutschen Sporthochschule Köln. Er erwartet, dass für Spieler der zweiten Kategorie wohl erst mal nicht mehr die (überhöhten) Preise gezahlt werden wie zuletzt. Auch nicht aus England, dem reichsten Fußballmarkt. „Die Preise für die Topspieler werden vermutlich nicht so stark einbrechen“, sagte der Sportökonom zugleich. „Die wenigen Superstars haben weiter einen so großen Wert für die Topklubs, dass die Nachfrage bei den finanzkräftigen Klubs hoch bleiben wird.“
Werder Bremens Geschäftsführer Klaus Filbry prognostiziert, dass es in diesem Sommer „deutlich schwieriger sein wird, Transfererlöse zu erzielen“. Kaderplanung wird zur Knobelübung – und auch zur Überlebensstrategie. Aufgeblähte Kader müssen abgespeckt werden. Bei Aufsteiger Union Berlin stehen aktuell über 30 Spieler auf der Gehaltsliste. Spitzenverdiener dürften zur Kostenverringerung auf dem Markt angeboten werden. Über klammen Vereinen kreisen schon die Geier, ist in der Branche zu hören. Nach Corona schaut eh wieder jeder Verein auf sich. Wer finanziell gut durch die Krise kommt, bedient sich dann halt beim Ausverkauf der anderen.
Probleme wird die Situation auch für Spieler mit auslaufenden Kontrakten mit sich bringen. Eine „dreistellige Anzahl von Verträgen“läuft nach Angaben von Werder-Finanzchef Filbry in der Süddeutschen Zeitung bei den Erst- und Zweitligaklubs zum 30. Juni aus. Sie sind damit ablösefrei zu haben. Das ist normalerweise ein Vorteil für die Profis. Jetzt verschlechtert sich die Verhandlungsposition vieler Profis. Welcher Verein verpflichtet in der Krisenlage Spieler? Es droht Arbeitslosigkeit.