Mindelheimer Zeitung

Traumberuf Bäuerin: Frauen auf dem Vormarsch

Landwirtsc­haft Die Männerdomä­ne Landwirt bröckelt, sehr zur Freude der Ausbildung­sverantwor­tlichen. Den jungen Frauen kommt dabei die technische Entwicklun­g zugute. Über Klischees und Probleme mit der Bürokratie

- VON FRANZ ISSING

Bad Wörishofen Die Herrschaft der Männer geht auf den Unterallgä­uer Bauernhöfe­n langsam zu Ende. Markus Hofmann vom Landwirtsc­haftsamt sieht junge Bäuerinnen in der „grünen Branche“auf dem Vormarsch. Die Zahlen geben ihm recht. Bereits auf 15.000 von 380.000 bäuerliche­n Betrieben in Deutschlan­d haben Frauen das Sagen. Tendenz steigend.

Erfolgreic­h behauptet sich in der Männerdomä­ne auch die 21-jährige Steffi Baur aus Türkheim. Die junge Frau hat Hauswirtsc­haft gelernt, dann aber das Berufsziel „Staatlich geprüfte Landwirtin“angepeilt. Nach einem Berufsgrun­dschuljahr in Mindelheim lernte sie ein Jahr lang auf dem Hof von Rainer Mayer im Oberen Hart in Bad Wörishofen die landwirtsc­haftliche Praxis kennen. Derzeit packt die angehende Bäuerin im dritten Lehrjahr auf dem elterliche­n Betrieb in Türkheim fest mit an. Das Bauernlebe­n ist ihr nicht mehr fremd, sie weiß dass es kein Honiglecke­n ist.

„Die Arbeit mit Tieren und in Gottes freier Natur macht mir viel Spaß, sie ist noch dazu sehr abwechslun­gsreich“schwärmt Steffi Baur, die nach dem Besuch der Landwirtsc­haftsschul­e einmal den elterliche Betrieb „meisterlic­h“führen will.

Landwirt, kann das jeder werden? Ausbilder Markus Hofmann widerspric­ht der allgemein vorherrsch­enden Meinung. „Das kann nicht jeder“, betont er und weist darauf hin: „Wer als Landwirt heute erfolgreic­h sein will, muss besonders qualifizie­rt sein“. So müssen Agrarler sich heute verstärkt mit den Vorschrift­en des Tier- und Pflanzensc­hutzes auskennen, immer mehr Zeit für Büroarbeit­en aufwenden, eine rasche Auffassung­sgabe besitzen und auch mit Kommunikat­ionsfähigk­eit im Umgang mit Verbrauche­rn punkten. Zudem ist viel handwerkli­ches Geschick bei der Wartung und Pflege von Geräten und Maschinen gefragt.

„Moderne Technik macht es den Bäuerinnen leicht, körperlich­e Arbeit hat nicht mehr die Bedeutung von früher“, sagt Hofmann und führt noch ein Argument ins Feld, das für Landfrauen spricht: „Viele haben ein Faible für Tiere und ein besonderes Händchen für deren Pflege“.

Nomen est omen. Die angehende Bäuerin Steffi Baur bringen lästerlich­e Sprüche nicht aus der Ruhe. Sie räumt auf mit dem Klischee vom Bauern als typischen Männerberu­f. Das Klischee von der nur kochenden und Kinder hütenden Bauersfrau lässt sie sich nicht überstülpe­n. Wenn es ums Tierwohl oder die Wald- und Feldarbeit geht, zeigt sich die junge Türkheimer­in inzwischen mit allen Wassern gewaschen. „Die Steffi hat sich während ihrer Ausbildung gut in unsere Familie integriert und hat mit viel Engagement angepackt“, bescheinig­t ihr denn auch Landwirtsc­haftsmeist­er Rainer Mayer, der seit acht Jahren vorwiegend weibliche Lehrlinge ausbildet und dabei erfahren hat: „Die stehen den Männern in nichts Rainer Mayer führt einen von 70 landwirtsc­haftlichen Ausbildung­sbetrieben im Landkreis Unterallgä­u. In seinem Stall stehen 85 Kühe, die täglich 2000 Liter Milch für die Karwendel Werke in Buchloe liefern. Als zweites Standbein hat der Bauer mit Leib und Seele auf seinem Hof ein Milchhäusl­e errichtet, in dem Kunden Landmilch zapfen und sich auch mit Wurst und Käse vom Hof sowie mit Nudeln, Eiern und Honig versorgen können.

Gespräche mit Verbrauche­rn und Direktverm­arktung sind Mayer und seiner Frau sehr wichtig. „Davon kann man nicht reich werden, aber ein gutes Zubrot ist unser zweites Standbein allemal“, bemerkt er.

Sorgen macht dem engagierte­n Landwirt und Herrn über etwa 60 Hektar Ackerland, auf dem Getreide und Silomais gedeihen, die wie er sagt „ausufernde Bürokratie“.

„Von der EU und der Regierung wird uns vorgeschri­eben, was wir zu tun und zu lassen haben und das ist nicht immer nachvollzi­ehbar“, kritisiert er. Bildungsbe­rater Hofmann pflichtet ihm bei. „Wir versuchen jungen Leuten möglichst viel fachliches Wissen beizubring­en, doch unsere Bemühungen werden durch immer neue Gesetze und Verordnung­en teilweise wieder zunichte gemacht“, klagt er.

Vielfach klärt Landwirt Mayer auf dem Feld Verbrauche­r über seinach“. ne Arbeit auf. Dabei kocht auch immer wieder das Thema „Düngeveror­dnung“hoch. „Die Leute kennen die Sperrfrist­en genau und schauen einen schon mal schief an und schimpfen drauf los“, erzählt er und sagt: „Aber es gibt auch viele nette Gespräche, vor allem wenn man den Leuten erklärt, welche Arbeit zu bestimmten Zeiten getan werden muss“.

Rainer Mayer betreibt noch konvention­elle Landwirtsc­haft. Eine Umstellung auf Bio ist für ihn schwierig. „Es fehlt an Absatzmärk­ten“, begründet er seine abwartende Haltung und er weiß aus Erfahrung: „Vielen Kunden ist Regionalit­ät wichtiger als Bio“. Kein Mangel herrscht laut Bildungsbe­rater Hofmann dagegen an ausbildung­swilligen Betrieben im Unterallgä­u. „Wie im Handwerk sind Lehrlinge Mangelware“, informiert er und erinnert daran, dass jeder siebte Arbeitspla­tz in Deutschlan­d von der Landwirtsc­haft abhängt.

Keine Sorge macht sich Landwirt Mayer in „Corona-Zeiten“um die Betreuung seiner drei Kinder. „Als selbständi­ger Unternehme­r hat man den Nachwuchs eh immer um sich“. Ihn zu beschäftig­en ist auf einem Hof kein Problem. So helfen seine drei Kinder Anna-Lena, Franziska und Maximilian Kunden schon mal gerne im Milchhäusl­e beim Befüllen der Flaschen mit frischer Kuhmilch.

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Fotos: Franz Issing Steffi Baur umsorgt ein Kälbchen, das erst wenige Tage alt ist. Ihr Handwerk lernt sie auf dem Hof von Rainer Mayer im Oberen Hart von Bad Wörishofen, einem Betrieb, der seit acht Jahren vorwiegend junge Frauen ausbildet.
 ??  ?? 85 Kühe müssen versorgt werden. Steffi Baur demonstrie­rt ihrem Lehrherrn Rainer Mayer (links) und Markus Hofmann, dass Tierpflege kein Fremdwort für sie ist.
85 Kühe müssen versorgt werden. Steffi Baur demonstrie­rt ihrem Lehrherrn Rainer Mayer (links) und Markus Hofmann, dass Tierpflege kein Fremdwort für sie ist.
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Die Kinder der Landwirts Rainer Mayer Anna-Lena, Franziska und Maximilian helfen Kunden im Milchhäusl­e beim Abfüllen der Flaschen mit frischer Milch.

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