Schluss mit der sozialen Ungleichheit!
Zeitenwende Der Kapitalismuskritiker Thomas Piketty findet, dass es in unseren Gesellschaften alles andere als gerecht zugeht. Und legt revolutionäre Ideen für ein Umschwenken vor
In Zeiten verstärkter häuslicher Einkehr steigen auch die Chancen dicker, im wörtlichen Sinn vielseitiger Bücher. Das wichtigste in diesem Frühjahr hat Thomas Piketty mit dem 1312-Seiten-Wälzer „Kapital und Ideologie“geschrieben. Wenn an dieser Zeitenwende viele Gewissheiten infrage gestellt werden, dann gehört das revolutionäre Gleichheitsversprechen dazu. Piketty analysiert in seinem auf überwältigendes Quellen- und Zahlenmaterial gestützten Buch die longue durée (lange Dauer) der Ungleichheit – weltweit und zu allen Epochen der jüngeren Vergangenheit. Er untersucht die ungleiche Vermögens- und Einkommensverteilung, die ungleichen Zugangsmöglichkeiten zu Bildung und Gesundheit, die ungleichen Partizipationschancen in Politik und Gesellschaft.
Der 1971 geborene Piketty ist Professor in Paris und legt nach seinem weltweit in 2,5 Millionen Exemplaren verkauften Bestseller „Das Kapital im 21. Jahrhundert“jetzt ein aufregendes Manifest gegen die Ungleichheit vor – beileibe kein Aufruf zur Revolution trotz revolutionärer Erkenntnisse und Vorschläge. Sein Buch will Denkanstöße in einer partizipativen demokratischen Diskussion geben. Pikettys Analysen stützen sich auf wissenschaftlich ermittelte Daten. Aus ihnen folgen für den Autor gewisse Gesetzmäßigkeiten, die er mit of
Urteilskraft formuliert. Seine Vorschläge, die Quintessenz seiner Analysen, arbeiten nicht mit durchgerechneten Zahlen, sondern mit Modellen, die in realen gesellschaftlichen Experimenten auf ihre Realisierbarkeit überprüft und in mitbestimmten Diskursen nachjustiert werden müssten.
Die in den „atlantischen“Revolutionen am Ende des 18. Jahrhunderts beschworene Gleichheit wurde schon in diesen „durch und durch bürgerlichen“Revolutionen in Hinblick auf die Eigentums- und Einkommensverteilung schmählich verraten. Nach 1789 kam es in Frankreich keineswegs zu einer Umverteilung des Eigentums. Es wurde vielmehr als eines der unveräußerlichen Menschenrechte mit dem Siegel der Unantastbarkeit versehen, das es bis heute in allen westlichen Verfassungen behalten hat. Aus dem Menschenrecht für alle wurde eine Garantie für wenige – also für die Ungleichheit. Piketty untersucht die „Ungleichheit in der Geschichte“, die „Sklavenhalterund Kolonialgesellschaften“sowie die „Große Transformation im 20. Jahrhundert“, um am Ende zu neuem Nachdenken über die Dimensionen des politischen Konflikts aufzufordern. Sofern belastbare Zahlen vorliegen, bereitet er sie in zahlreichen aussagekräftigen Grafiken und Tabellen auch für den statistisch nicht bewanderten Leser auf. „Um die Lektüre nicht zu erschweren, wurden nur die wichtigsten Quellen und Belege im Text und den Fußnoten zitiert. Wer sich detailliert über die Gesamtheit der historischen Quellen, der bibliografischen Angaben und die im Buch verwendeten Methoden informieren möchte, ist eingeladen, den online verfügbaren Technischen Anhang zurate zu ziehen“, schreibt der Autor. Das ist eine beispielhafte Aufteilung in eine Lesefassung und einen für die wissenschaftliche Nutzung bestimmten Online-Anhang.
So ist ein interdisziplinäres „Gesamtkunstwerk“entstanden, dessen Kern der Soziologie zuzuordnen ist, das aber auch Erkenntnisse der Volkswirtschaft aufbereitet und als Historiografie der Ungleichheit ein Geschichtswerk hohen Ranges darstellt. Auf dem Wege zu seinen Schlussfolgerungen untersucht Piketty nicht nur den gegenwärtigen „Hyperkapitalismus“, sondern auch untergegangene kommunistische und postkommunistische Gesellschaften. Die sozialdemokratischen Versuche, die Ungleichheit abzubauen, werden in einem gesonderten Kapitel über die „unvollendete Gleichheit“beschrieben und analysiert. Alles mündet in das Schlusskapitel „Elemente eines partizipativen Sozialismus für das 21. Jahrhundert“. Darin fordert Piketty zunächst eine progressive „Einkomfensiver mensteuer“, die wohl die Grundsteuer und eine hierzulande abgeschaffte, aber neu zu diskutierende Vermögensteuer zusammenfassen würde. Er unterbreitet Vorschläge, wie eine Progression ermittelt und „gerecht“aussehen könnte. Das Aufkommen dieser Einkommensteuer sollte im Wesentlichen zu einer Grundausstattung an Vermögen für jeden Bürger mit dem 25. Lebensjahr dienen. Ähnlich detailliert sind seine Vorschläge für eine progressive Einkommensbesteuerung, wobei er die Steuern und Sozialabgaben der Größenordnung nach zusammen betrachtet, ihre Verwendung jedoch getrennt halten möchte. Ihr Aufkommen solle ein Grundeinkommen ermöglichen, das oberhalb der heute schon garantierten Sozialeinkommen liegen würde. Für einen gleicheren Zugang zu Bildung, Gesundheit und unternehmerischer Mitbestimmung macht Piketty Vorschläge, über die zu diskutieren sein wird.
Für den Wissenschaftler jedenfalls ist die Krise des Kapitalismus an einen Punkt gelangt, an dem die gewachsene Ungleichheit in einem Prozess des Umdenkens einem neuen Gleichheitsversprechen weichen müsse. Im Gespräch betont der Autor, dass dieser Umschwung in jedem Fall ohne Gewalt, also diskursiv erfolgen müsse.
Ich finde diese Zwangspause für mich gar nicht so schlimm. Im Gegenteil. Es steht ja im Herbst ein neues Programm an, dafür werde ich die nächsten Wochen nutzen und viel schreiben. Gleichzeitig habe ich mir Gartenarbeit verordnet, das beruhigt ungemein. Bei mir ist der Jahresablauf so, dass ich mit der neuen Saison im September starte und dann sehr viele Termine bis in die Starkbierzeit hinein habe. Das heißt, das meiste ist bereits gelaufen und ich habe finanziell vorgesorgt, für den Fall, dass ich mal sehr krank werden würde oder etwas Unvorhergesehenes passiert. Diesen Topf muss ich jetzt anfassen, denn wenn man in meinem Job alles absagen muss, dann fließt von heute auf morgen natürlich kein Cent mehr. Das unterscheidet uns dann letzten Endes nicht von anderen Selbstständigen. Aber es gibt schlimmere Schicksale.
Derzeit ist die Situation natürlich so, dass meine Agentur sehr viele Termine verschieben muss, glücklicherweise ist das möglich, denn aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben. Wir produzieren jeden Tag eine neue Folge für Bayern 1, und die Sendung „quer“im BR-Fernsehen geht natürlich weiter. Aber niemand weiß, wie lange diese Zwangspause andauert. Deshalb nutze ich das Internet und man findet auch regelmäßige Beiträge von mir auf Facebook und Instagram. Ich selbst nutze diese Medien auch sehr stark in der kulturfreien Zeit. Ansonsten gibt es virenfreie Einzelgespräche in meinem Haus und viele Telefonate mit meinen Kollegen.
In den Osterferien wollte ich eigentlich eine Studienreise mit meiner ganzen Familie nach Japan antreten. Diese ist nun leider ins Wasser gefallen.
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Wolfgang Krebs ist Kabarettist und lebt in Kaufbeuren.
Vom Recht für alle zur Garantie für wenige