Der Träumeverkäufer
Tourismus Samih Sawiris übernimmt die Mehrheit beim Münchner Veranstalter FTI und wird damit zu einem der mächtigsten Spieler auf dem deutschen Reisemarkt. Wer ist der Mann?
Augsburg Eine normale Urlaubssaison mit vollen Strandbars und vollen Berghütten wird es diesen Sommer nicht geben. Das ist die Einschätzung von Bundesaußenminister Heiko Maas, dessen Haus jüngst in einer beispiellosen Aktion zehntausende Deutsche aus dem Ausland zurückfliegen ließ. In Berlin sagte der SPD-Politiker zwar auch, er schließe nicht aus, dass die Grenzen für Touristen vor dem Sommer wieder geöffnet werden und Urlaubsreisen mit gewissen Einschränkungen möglich werden. Sicher ist erst mal nur: Bis zum 3. Mai gilt zum ersten Mal eine weltweite Reisewarnung des Auswärtigen Amtes für Touristen. Kein Wunder also, dass unter den Reiseveranstaltern die Angst vor der Pleite umgeht.
Thomas Cook könnte noch einige Nachfolger finden. Marktführer Tui hat sich mit einem 1,8 Milliarden schweren Hilfskredit des Bundes gegen die Auswirkungen der Covid19-Pandemie abgesichert. Hinter der DER Touristik (Dertour, Meiers Weltreisen, ITS, Jahn Reisen, ADAC Reisen) steht mit der Rewe Group eine finanzstarke Mutter. Und beim drittgrößten Veranstalter, FTI in München, hat der milliardenschwere ägyptische Investor Samih Sawiris seinen Anteil auf 75,1 Prozent aufgestockt und damit die Mehrheit übernommen. Firmengründer Dietmar Gunz bleibt jedoch Geschäftsführer.
Gunz und Sawiris verbindet seit Jahren eine enge Freundschaft – die Ehefrauen betreiben in Ägypten eine gemeinsame Textilmanufaktur. Aber die Mehrheitsübernahme war kein reiner Freundschaftsdienst. Der hemdsärmelige Ägypter, der über seine Schweizer Orascom Development Holding 33 Hotels und mehrere Urlaubsdörfer (etwa El Gouna und Taba Heights in Ägypten, Lustica Bay in Montenegro, Andermatt Swiss Alps in der Schweiz) besitzt, erwartet, dass FTI ihm dabei helfen wird, diese Urlaubskapazitäten auszulasten.
2016 hatte Sawiris von Dietmar Gunz schon den Reiseverkaufssender Sonnenklar TV erworben. Zudem hält er mit knapp 75 Prozent die Mehrheit an der Raiffeisen Touristik GmbH in Altötting, mit rund 4000 Reisebüros die größte Reisebürokooperation Europas. Nach der Thomas-Cook-Insolvenz 2019 konnte der unternehmungslustige Ägypter so das Franchise-System des Veranstalters übernehmen und damit zum „mächtigsten Reiseunternehmer in der deutschen Touristik“aufsteigen.
Der 63-Jährige, zum zweiten Mal verheiratet und Vater von fünf Kindern, gilt als ebenso smarter wie disziplinierter Geschäftsmann. Als bestens vernetzter Sonnyboy und führungsstarker Patron, der vor keiner
Herausforderung zurückschreckt. So sicherte er sich im schweizerischen Andermatt auf dem ehemaligen Militärgelände der Schweizer Armee viel Land, das außer ihm keiner wollte. Wie in seinem Pilotprojekt El Gouna entwickelte er nach und nach Ferienangebote – Hotels, Golfplätze, Restaurants. Sein Geschäftsmodell besteht jedoch vor allem darin, Häuser zu verkaufen und sie danach erst zu bauen – und das funktioniert auch in diesen Zeiten, wie er in einem Interview mit der
Fachzeitschrift FVW sagte: „Zwar ruht der Hotelbetrieb, aber unser zweites Standbein, der Verkauf von Ferienimmobilien, läuft stabil, sowohl in Ägypten als auch in Andermatt.“
Dass der koptische Christ, der am liebsten leger mit Mokassins, Leinenhose und Hemd mit offenem Kragen auftritt, in Europa so gut angesehen ist, liegt auch an seiner Ausbildung. Er besuchte eine deutsche Schule in Kairo und absolvierte sein Ingenieurstudium in Berlin. „Sawiris ist schweizerischer als viele Schweizer“, lobte ihn die Schweizer Handelszeitung. Von Haus aus ist der mittlere von drei Söhnen eines wohlhabenden ägyptischen Unternehmers finanziell gut ausgestattet.
Sein Vater Osni gründete das Unternehmen Orascom, aus dem 2008 die Orascom Development Holding AG (ODH) hervorging. Heute gehören 33 Hotels, sechs Golfplätze und sieben Marinas zur ODH. Doch laut Schweizer Tages-Anzeiger schreibt Orascom seit 2011 Verluste. Der Aktienkurs lag Ende Januar bei 13,88 Euro, im Zuge der Pandemie hat er inzwischen mehr als die Hälfte seines Wertes verloren.
Noch ist für Samih Sawiris „die FTI-Beteiligung eine meiner besten Entscheidungen“. Noch hofft er, dass in Ägypten die Sommersaison zu retten ist. Deshalb habe er dem Tourismusminister vorgeschlagen, die Hotels nicht zu schließen, sondern nur mit der Hälfte der Gäste zu belegen. Würden Reisen wieder möglich, könnte FTI von einem Startvorteil profitieren, meinte der Unternehmer im FVW-Gespräch.
Doch auch ein Sawiris ist nicht vor Fehleinschätzungen gefeit. Nach dem Luxor-Attentat 1997 blieben die Touristen Ägypten fern. Nicht nur Taba Heights, in das er eine halbe Milliarde an Fremdkapital investiert hatte, geriet ins Trudeln. Sawiris musste seine Wein-, Bier- und Destilleriegeschäfte aus dem Familienbesitz versilbern. Angeblich ist seither in Langfristprojekten „immer auch eine Krise einbudgetiert“. Eine Vorsichtsmaßnahme, die in der Corona-Krise womöglich überlebenswichtig ist.
Ein Ingenieur, der bei Mut und Vorsicht ausbalanciert