Muslime beten für ein Ende der Corona-Krise
Religion In der Türkheimer Mehmet Akif Ersoy Moschee und in der Fatih Camii Moschee in Mindelheim fallen die beliebten Treffen im Fastenmonat Ramadan angesichts der Corona-Krise aus
Türkheim/Mindelheim „Glaube ist Quelle der Hoffnung und Zuversicht“schrieb Askin Güngör, Vorstandsvorsitzender der Türkheimer Mehmet Akif Ersoy Moschee in einer Botschaft zu Ostern an „unsere christlichen Geschwister“. Güngör: „Es werden Feierlichkeiten, die es so noch nicht gegeben hat“.
Das gilt ab Donnerstagabend auch für den islamischen Fastenmonat Ramadan, erster Fastentag ist dann der Freitag: „Alles wird anders sein als sonst“, ahnt auch Alettin Özdemir, Vorsitzender des türkisch-islamischen Vereins Mindelheim. Nach einem langen Tag des Fastens bei Sonnenuntergang mit der Großfamilie und Freunden gemeinsam beim Abendessen sitzen, das ist für viele Muslime das Wichtigste am heiligen Monat Ramadan. Doch diese so beliebten und für die Gemeinschaft der Muslime auch in Türkheim und Mindelheim so wichtigen
„Alles wird anders sein als sonst“
Alettin Özdemir vom türkisch-islamischen Verein Mindelheim
traditionellen Festmähler wird es wegen der Corona-Pandemie nicht geben.
Den etwa 90 Mitgliedern der muslimischen Glaubensgemeinschaft und deren Familien in Türkheim steht ein ungewöhnlicher Fastenmonat bevor. Der türkisch-islamische Verein in Mindelheim zählt rund 170 Gläubige, die mit ihren Familien regelmäßig die Fatih Camii Moschee besuchen.
Aber ungewöhnliche Zeiten fordern eben auch ungewöhnliche Maßnahmen, weiß auch Güngör. Gemeinsam mit dem Imam der Mehmet Akif Ersoy Moschee zeichnet er daher jede Woche das Freitagsgebet des Imam auf und stellt es online. Auch auf der Facebook-Seite der Mindelheimer Moschee werden die aktuellen Gottesdienste gezeigt, sagt Alettin Özdemir.
Zusätzlich werden in einer Whats-App-Gruppe Gebete gezeigt und der örtliche Imam unterrichtet die muslimischen Kinder online über den Koran. „Das klappt super“, freut sich Güngör.
Die sonst im Fastenmonat Ramadan auch in der Türkheimer und Mindelheimer Moschee stattfindenden, gemeinsamen Abende mit dem traditionellen Fastenbrechen wurden aber angesichts der CoronaKrise und sehr zum Bedauern aller Muslime abgesagt: „Wir tun alles, um die Sicherheit zu gewährleisten und unsere Gesundheit zu schützen“, betont Güngör. So werde zwar jeder mit seinen Angehörigen im eigenen Haushalt nach Sonnenuntergang gemeinsam essen, doch die traditionellen Treffen mit der gesamten Großfamilie müssen diesmal unterbleiben, bedauert sein Mindelheimer Amtskollege Alettin Özdemir: „Wir beten alle, dass die CoronaKrise hoffentlich bald zu Ende ist.“
Askin Güngör ist auch Vorsitzender der Türkisch-Deutschen Union in Türkheim und er ist stolz darauf, dass hier Integration seit Langem funktioniert.
Bereits 1985 wurde der Verein im Markt gegründet und mit der Errichtung der Moschee im Jahr 1997 hatten die Bürger muslimischen Glaubens dann auch ein Gotteshaus. Auch hierbei gab es keine Probleme, so Askir Güngör. „Das Minarett unserer Moschee ist mit dem Kirchturm einer christlichen Kirche vergleichbar beide sind Symbol für ein Gotteshaus“, so Güngör.
Daher kann er sich durchaus auch aktuell gut vorstellen, dass es auch in Türkheim an Freitagen ein öffentliches Gebet des Imam vom Minarett der Moschee geben könnte: „Vielleicht machen wir das in der Corona-Krise mal“, überlegt Güngör.
Natürlich müsse dazu erst eine Genehmigung der Behörden eingeholt werden – dann könnte sich auch Alettin Özdemir in Mindelheim so eine außergewöhnliche Aktion durchaus vorstellen. Dieses wöchentliche Freitagsgebet wird „Esan“genannt und ist für jeden Muslim genauso wichtig wie das fünfmalige tägliche Gebet. Es ersetze das Mittagsgebet an diesem Tag und kann nicht nachgeholt werden. Im Gegensatz zu den anderen Gebeten können Muslime das Freitagsgebet nicht überall verrichten und dürfen es nicht ohne einen triftigen Grund aussetzen.
Wenn jedoch ein Staat als Maßnahme zur Eindämmung einer weiteren Ausbreitung des Corona-Virus alle großen Versammlungen und Aktivitäten aussetze, sei es auch möglich, das Freitagsgebet „abzusagen“, erklärt Güngör.
Dies sei dann auch aus islamrechtlicher Sicht nach dem Grundsatz gerechtfertigt: Das Verhindern von etwas Schlechtem ist besser als das Bewahren des Guten. Das Corona-Virus sei in diesem Fall das Schlechte, betont Güngör.
Das Fasten im Ramadan ist neben dem Glaubensbekenntnis, der Wallfahrt nach Mekka, den fünf täglichen Gebeten und der Almosengabe eine der fünf Säulen des Islam. Schon in normalen Zeiten bringen der Verzicht auf Nahrung und Wasser von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang und das allabendliche Schlemmen gesundheitliche Risiken mit sich.
In diesem Jahr wird der Ramadan von der Furcht vor einer weiteren Ausbreitung des Coronavirus beherrscht. Doch wie beim christlichen Osterfest erzwingt die Pandemie auch bei den Muslimen ein Umdenken. Der Rat der Hohen Gelehrten, die höchste religiöse Instanz in Saudi-Arabien, schärfte den Gläubigen in aller Welt ein, wegen der Gefahr einer weiteren Ausbreitung des Virus sei das Abstand halten wichtiger als das Zusammensein.
Das Leben anderer Menschen zu schützen, sei ein gottgefälliger Akt, betonten die Gelehrten in der Heimat der heiligsten islamischen Städte, Mekka und Medina.