Existenzen trotz Soforthilfen bedroht
Coronavirus Vor allem Solo-Selbstständige fühlen sich durch die aufgestellten Kriterien benachteiligt, Reisebüros wollen gar ein eigenes Rettungsprogramm. Sollen Landratsämter einspringen, um Anträge schneller zu bearbeiten?
Augsburg Der Staat will Unternehmern in der Corona-Krise schnell und unbürokratisch helfen. Aber tut er das wirklich? Solo-Selbstständige beispielsweise können Zuschüsse von bis zu 9000 Euro erhalten, doch in Wirklichkeit gehen sie wegen der Kriterien offenbar häufig leer aus. Eine Tierphysiotherapeutin aus Illertissen, die sich im vergangenen Jahr selbstständig gemacht hat, stellte am 19. März einen schriftlichen Antrag auf Soforthilfe – ohne Erfolg.
„Im Ablehnungsbescheid hieß es, dass Kosten für Miete oder Pacht, einen dienstlichen Pkw oder Ähnliches anerkannt werden – dagegen allerdings nicht für Posten wie die eigene Krankenversicherung“, berichtet die Frau. Sie betreibt ihre Praxis im eigenen Haus und hat somit keine Miet- oder Pachtkosten. Ihre Altersvorsorge und die Krankenversicherung kosten nach ihren Angaben aber hunderte Euro im Monat. „Und meine Einnahmen sind mir zunächst um bis zu 80 Prozent, danach wochenlang sogar vollständig weggebrochen“, sagt die Tierphysiotherapeutin.
Die promovierte Mineralogin berichtet, sie könne maximal noch zwei Monate so weitermachen und befinde sich aktuell bereits auf der Suche nach einem Nebenjob. Zwar ist ihre Praxis wieder geöffnet, sie kann aber nach eigenen Angaben die Einnahmeausfälle nicht annähernd ausgleichen. Die Frau aus Illertissen befürchtet, aufgrund der geltenden Kriterien keine Soforthilfe zu erhalten. „So geht es gerade auch mehreren Solo-Selbstständigen in meinem Bekanntenkreis – eine hat eine Hundeschule und darf derzeit in ihrem Beruf nicht arbeiten, ein anderer ist in der Medienbranche tätig. Ich weiß von Ladenbesitzern, deren Anträge bewilligt wurden, aber von keinem einzigen Solo-Selbstständigen. Und genau die haben häufig kaum Rücklagen.“
wartet die Tierphysiotherapeutin noch auf einen Bescheid zu ihrem zweiten gestellten Antrag. „Darin habe ich online umfassendere Angaben gemacht, nachdem auch das im Schreiben der Regierung an mich bemängelt wurde“, sagt sie. Aus ihrer Sicht wäre es besser gewesen, man hätte gleich gewusst, welche Angaben genau gefordert sind. Das sei jedoch nicht klar ersichtlich gewesen.
Besonders groß sind die Sorgen nicht nur bei Solo-Selbstständigen, sondern auch in der Hotel- und Gas– jeder dritte Betrieb gilt dort als existenzbedroht. Vertreter aus dem Reisegeschäft forderten zudem jüngst in einem offenen Brief an mehrere Mitglieder der Bundesregierung ein eigenes Rettungsprogramm. Ansonsten hätten viele Urlauber bald keine Anlaufstellen mehr für ihre Fragen. Firmen mit maximal 250 Mitarbeitern können Unterstützung in Höhe von bis zu 50000 Euro beantragen. In vielen Fällen ist das aber wohl nicht genug.
Bayernweit erhielten Solo-SelbstAktuell ständige, kleine und mittlere Unternehmen bis zum vergangenen Wochenende eine Milliarde Euro Corona-Soforthilfe ausbezahlt, gab das Wirtschaftsministerium am Montag bekannt. Über 150000 der etwa 400 000 Anträge seien bereits bewilligt worden, rund 20000 wurden demnach abgelehnt. Die Bezirksregierung Schwaben teilt mit: „Die Bewilligungsstelle[…] arbeitet mit massiv verstärktem Personaleinsatz aus allen Bereichen der Regierung an der Abarbeitung der Anträge, zum Teil auch deutlich über die retronomiebranche guläre Arbeitszeit hinaus. Eine Vielzahl von Kollegen arbeitet seit einigen Wochen auch an den Wochenenden.“
Doch reicht das aus? Um die Bearbeitung der Anträge auf CoronaSoforthilfen zu beschleunigen, schlagen die Abgeordneten Fabian Mehring und Bernhard Pohl aus der Landtagsfraktion der Freien Wähler vor, auch die Beamten von Kreisverwaltungsbehörden, also zum Beispiel von Landratsämtern, teilweise dafür einzusetzen. Die beiden Politiker aus dem Wahlkreis Schwaben ließen Innenminister Joachim Herrmann dazu am Freitag ein Schreiben zukommen. Der Parlamentarische Geschäftsführer Mehring möchte die Initiative nicht als Kritik an Innen- oder Wirtschaftsministerium oder gar den Bezirksverwaltungen verstanden wissen, meint aber: „Es ist nötig, da nachzusteuern.
Junge Unternehmen erhalten keine staatlichen Zuschüsse
Die Landratsämter haben Abteilungen, deren Tagesgeschäft wegen Corona weitgehend ausgesetzt ist. Diese Kapazitäten könnten wir nutzen. Schließlich brauchen die Betroffenen das Geld schnell.“Mehring hält diese flexible Lösung für besser, als nun Personal in den Bezirksverwaltungen aufzubauen, das nach der Krise nicht mehr gebraucht werde.
Gänzlich ausgenommen von Corona-Soforthilfen sind unterdessen Firmen mit Gründungsdatum nach dem 11. März 2020. Wer sich nach diesem Datum selbstständig gemacht hat, darf ebenfalls nicht auf staatliche Zuschüsse hoffen. Betroffenen bleibt demnach nur die Möglichkeit, Hartz IV zu beantragen, wenn sie in finanzielle Not geraten. Einnahmeausfälle könnten in einer solch frühen Phase nicht glaubhaft mit dem Coronavirus begründet werden, hieß es dazu aus dem Bundeswirtschaftsministerium.