Wird Palmer der grüne Sarrazin?
Parteien Grüne erwägen Ausschlussverfahren gegen Tübinger OB
Berlin Lange Zeit ist es her, da waren die Parteien insgeheim stolz auf ihre Querdenker, die meist auch mit intellektueller Strahlkraft glänzten. In Zeiten massenhaft und inflationär durch soziale Netzwerke und Internetblogs flutenden Provokationen mutieren Querdenker längst zur Geduldsprobe für Parteiobere und Basis gleichsam. Auch auf Boris Palmer, dessen Vater Helmut als Parteienund Beamtenapparate nervender „Remstal-Rebell“bekannt wurde, waren die Grünen lange stolz. Nun ist die Geduld „wirklich erschöpft“, wie es selbst der Harmoniepapst und Vorsitzende der Partei, Robert Habeck, formulierte.
Habeck vollbrachte am Sonntagabend in der Causa Palmer das Kunststück, Talkerin Anne Will kurz aus dem Konzept und zum
Schweigen zu bringen. Auf die Frage, was er denn zu Forderungen der Basis nach einem Parteiausschlussverfahren halte, antwortete Habeck nicht wie erwartet ausweichend. Er sagte, als Adressat der Forderungen werde er sich damit beschäftigen. Die Moderatorin war sprachlos und wechselte nicht-elegant das Thema.
Palmer verärgerte seine Partei unzählige Male mit Aussagen zur Migrationspolitik. Doch als menschenverachtend geißeln viele nun seine Corona-Äußerung: „Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären.“Erst entschuldigte sich der Tübinger Oberbürgermeister, dann wieder rechtfertigte er seinen Satz: „Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist er richtig.“Die Tübinger Grünen wollen Palmer nun nicht als Parteikandidat für die OB-Wahl 2022 nominieren, lehnen ein Ausschlussverfahren aber ab.
Wie schwer es ist, ein Mitglied loszuwerden, erlebt die SPD seit Jahren mit ihrem Genossenschreck Thilo Sarrazin. Es gab so viele Ordnungsverfahren, dass man fast den Überblick verlieren kann, ob der Skandalautor noch sein Parteibuch besitzt. Der Fall liegt seit Monaten beim SPD-Bundesschiedsgericht.