„Ich bin keine Schatzgräberin“
Archäologie Wem gehören zukünftige Funde bei Pforzen, in der Nähe von Schlingen? Ein Gespräch mit Udo-Entdeckerin Madelaine Böhme
Frau Böhme, werden Sie dieses Jahr bei Pforzen wieder nach Fossilien graben – trotz des Coronavirus?
Madelaine Böhme: Sobald die Einschränkungen gelockert werden – und das ist ja absehbar – werden wir graben. Wann genau, hängt nicht nur von den Beschränkungen ab, sondern auch vom Wetter. Wenn es im September schneit, ist das schlecht.
Geplant war, erneut eine Bürgergrabung anzubieten. Wird die noch stattfinden?
Böhme: Ja, davon gehen wir aus. Die Wissenschaft soll nicht im Elfenbeinturm bleiben, und wir haben mit den Bürgergrabungen immer tolle Erfolge erlebt.
Wie viele Menschen haben sich bisher für die Grabungen gemeldet?
Böhme: Ich habe eine Liste von 165. Wir haben ja nicht wirklich die Werbetrommel gerührt, das lief mehr über Mund-zu-Mund-Propaganda.
Der Freistaat Bayern wird die Grabungen nach möglichen Verwandten von Menschenaffe Udo mit 450.000 Euro fördern. Sind Sie damit zufrieden?
Böhme: Aber sicherlich, da bin ich total glücklich. Wenn ich Wissenschaft mache, denke ich ja nie: „Wie kommt das bei der Politik an?“Deswegen war ich äußerst positiv überrascht.
Geht es nach dem Willen der CSU und der Freien Wähler im Bayerischen Landtag dürfen die fossilen Überreste von Udo zwar in Tübingen bleiben, die Knochen seiner möglichen Verwandten sollen zukünftig jedoch in Bayern verweilen. Was sagen Sie dazu?
Böhme: Ich bin Wissenschaftlerin und keine Schatzgräberin – so etwas gibt es im Bereich der Paläontologie sowieso nicht. Das Wichtige ist: Die Funde müssen der Wissenschaft und der Öffentlichkeit über Publikationen und Ausstellungen zugänglich sein. Für mich existieren diese Grenzen nicht, die heute immer wieder aufploppen. Ich war ja selbst zwölf Jahre lang mit großer Freude Bayerin und Münchnerin.
Also wären Sie damit einverstanden, wenn die Funde offiziell Bayern gehören?
Böhme: Ja, aber natürlich! Ich werde aber auch nicht müde zu sagen: Diese Funde gehören der ganzen Welt. Eine Nofretete gehört beispielsweise ebenso der ganzen Welt, obwohl sie in Berlin ausgestellt ist. Aber insbesondere, wenn Bayern die Grabungen unterstützt und finanziert, gehören die Funde auch Bayern.
Dürfen Sie die Fossilien dann dennoch in Ihrem Institut in Tübingen untersuchen?
Böhme: Ja, klar. Die Eigentumsfrage ist ja mehr ein bürokratischer Akt. Der Prozess der wissenschaftlichen Grabungen ist nicht abgeschlossen, wenn irgendwas aus dem Boden rausgeholt wird. Die Fossilien müssen präpariert, wissenschaftlich bearbeitet und kuratiert werden. Das können wir hier in Tübingen leisten. Wir müssen mit zehntausenden Objekten rechnen, das braucht ein großes, eingespieltes Team mit viel Erfahrung.
Was wünschen Sie sich für die kommende Grabungssaison?
Böhme: Ich hoffe, wir können da anknüpfen, wo wir letztes Jahr aufgehört haben – im ganzheitlichen Sinn.