Mindelheimer Zeitung

„Ich bin keine Schatzgräb­erin“

Archäologi­e Wem gehören zukünftige Funde bei Pforzen, in der Nähe von Schlingen? Ein Gespräch mit Udo-Entdeckeri­n Madelaine Böhme

- Interview: Jessica Stiegelmay­er

Frau Böhme, werden Sie dieses Jahr bei Pforzen wieder nach Fossilien graben – trotz des Coronaviru­s?

Madelaine Böhme: Sobald die Einschränk­ungen gelockert werden – und das ist ja absehbar – werden wir graben. Wann genau, hängt nicht nur von den Beschränku­ngen ab, sondern auch vom Wetter. Wenn es im September schneit, ist das schlecht.

Geplant war, erneut eine Bürgergrab­ung anzubieten. Wird die noch stattfinde­n?

Böhme: Ja, davon gehen wir aus. Die Wissenscha­ft soll nicht im Elfenbeint­urm bleiben, und wir haben mit den Bürgergrab­ungen immer tolle Erfolge erlebt.

Wie viele Menschen haben sich bisher für die Grabungen gemeldet?

Böhme: Ich habe eine Liste von 165. Wir haben ja nicht wirklich die Werbetromm­el gerührt, das lief mehr über Mund-zu-Mund-Propaganda.

Der Freistaat Bayern wird die Grabungen nach möglichen Verwandten von Menschenaf­fe Udo mit 450.000 Euro fördern. Sind Sie damit zufrieden?

Böhme: Aber sicherlich, da bin ich total glücklich. Wenn ich Wissenscha­ft mache, denke ich ja nie: „Wie kommt das bei der Politik an?“Deswegen war ich äußerst positiv überrascht.

Geht es nach dem Willen der CSU und der Freien Wähler im Bayerische­n Landtag dürfen die fossilen Überreste von Udo zwar in Tübingen bleiben, die Knochen seiner möglichen Verwandten sollen zukünftig jedoch in Bayern verweilen. Was sagen Sie dazu?

Böhme: Ich bin Wissenscha­ftlerin und keine Schatzgräb­erin – so etwas gibt es im Bereich der Paläontolo­gie sowieso nicht. Das Wichtige ist: Die Funde müssen der Wissenscha­ft und der Öffentlich­keit über Publikatio­nen und Ausstellun­gen zugänglich sein. Für mich existieren diese Grenzen nicht, die heute immer wieder aufploppen. Ich war ja selbst zwölf Jahre lang mit großer Freude Bayerin und Münchnerin.

Also wären Sie damit einverstan­den, wenn die Funde offiziell Bayern gehören?

Böhme: Ja, aber natürlich! Ich werde aber auch nicht müde zu sagen: Diese Funde gehören der ganzen Welt. Eine Nofretete gehört beispielsw­eise ebenso der ganzen Welt, obwohl sie in Berlin ausgestell­t ist. Aber insbesonde­re, wenn Bayern die Grabungen unterstütz­t und finanziert, gehören die Funde auch Bayern.

Dürfen Sie die Fossilien dann dennoch in Ihrem Institut in Tübingen untersuche­n?

Böhme: Ja, klar. Die Eigentumsf­rage ist ja mehr ein bürokratis­cher Akt. Der Prozess der wissenscha­ftlichen Grabungen ist nicht abgeschlos­sen, wenn irgendwas aus dem Boden rausgeholt wird. Die Fossilien müssen präpariert, wissenscha­ftlich bearbeitet und kuratiert werden. Das können wir hier in Tübingen leisten. Wir müssen mit zehntausen­den Objekten rechnen, das braucht ein großes, eingespiel­tes Team mit viel Erfahrung.

Was wünschen Sie sich für die kommende Grabungssa­ison?

Böhme: Ich hoffe, wir können da anknüpfen, wo wir letztes Jahr aufgehört haben – im ganzheitli­chen Sinn.

 ?? Foto: Marijan Murat, dpa ?? Ihr Sensations­fund, der Menschenaf­fe Udo, ist im Museum der Universitä­t Tübingen ausgestell­t: Im Interview spricht die Paläontolo­gin Madelaine Böhme über die geplanten Grabungen bei Pforzen, in der Nähe von Schlingen, und die Rolle der Wissenscha­ft.
Foto: Marijan Murat, dpa Ihr Sensations­fund, der Menschenaf­fe Udo, ist im Museum der Universitä­t Tübingen ausgestell­t: Im Interview spricht die Paläontolo­gin Madelaine Böhme über die geplanten Grabungen bei Pforzen, in der Nähe von Schlingen, und die Rolle der Wissenscha­ft.

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