Milliarden auch für die Bahn
Damit der Bund zahlt, muss zuerst gespart werden
Berlin Für Fahrgäste der Deutschen Bahn sind es Zeiten mit ungewohnt viel Reisekomfort: die Züge leer, sauber und pünktlich wie lange nicht. Doch das ist nur ein Teil der Corona-Wahrheit: Die kaum besetzten Züge stürzen auch den Staatskonzern in eine Finanzkrise. Am Freitag tagt der Aufsichtsrat – und da soll es um ein Hilfskonzept gehen. Laut einem Papier von Verkehrsund Finanzministerium wird ein Corona-Schaden von 11 bis 13,5 Milliarden Euro angenommen. Der Bund plant demnach eine Eigenkapitalerhöhung beim größten Staatskonzern. Zwischen 6,9 und 8,4 Milliarden Euro könnten fließen. Außerdem soll dem hoch verschuldeten Konzern erlaubt werden, noch mehr Verbindlichkeiten anzuhäufen.
Offiziell bestätigt wird bisher nichts: „Es gibt keine Festlegung“, sagte ein Sprecher des Finanzministeriums. Denn die Regierung wird kritisch beäugt: Die FDP will prüfen, ob die Geldnot wirklich nur von Corona herrührt oder das Management die Seuche zum „Vorwand zum finanziellen Befreiungsschlag“nimmt. Es dürfe keinen Blankoscheck geben. Die Grünen fürchten einen Personalabbau unter den rund 200000 Mitarbeitern in Deutschland. Haushaltsexperte Sven-Christian Kindler: „Wir brauchen für die Verkehrswende und den Klimaschutz eine starke, leistungsfähige Bahn und keine, die kaputtgespart wird – das hatten wir lange genug.“
In der Tat soll auch die Bahn ihren Beitrag leisten: Sie sichert laut
Papier zu, einen Beitrag in Höhe der Hälfte der Lücke zu leisten – also etwa fünf Milliarden. Der Schwerpunkt liege beim Personal- und Sachaufwand. Mitarbeiter sollen angesparten Urlaub und Überstunden abbauen. Mehr Telearbeit, weniger Büros, günstigeres Marketing sind weitere Punkte. Die Organisation des Konzerns mit seinen Tochtergesellschaften soll schlanker werden – was der Bund schon länger fordert.
Für Konzernchef Richard Lutz könnten die Sparvorschläge der Regierung bedeuten, dass er 2020 deutlich weniger verdient. Denn Führungskräfte sollen keine Boni erhalten: Nur die Hälfte von Lutz’ 1,7 Millionen Euro Jahresgehalt ist fix. „Ich bin skeptisch, was den hohen Eigenanteil der Deutschen Bahn AG bei der Bewältigung der Corona-Schäden angeht“, sagte SPDFraktionsvize Sören Bartol. Das Ziel, mehr Verkehr auf die Schiene zu bekommen, will der Bund jedenfalls nicht gefährden.
Die Bahn war jahrelang auf Gewinn getrimmt worden und schiebt einen gewaltigen Sanierungsstau vor sich her. 2019 steuerten der Bund und der Konzern um: Milliardenschwere Investitionen wurden angeschoben und die Fahrpreise gesenkt. Gewinn ist nicht mehr das erste Ziel. Nun bringt die Corona-Krise die Kalkulation ins Wanken. Für das laufende Jahr rechne die Bahn mit einem Konzernverlust von zwei Milliarden Euro, der Umsatz werde um etwa acht Milliarden Euro um damit knapp ein Fünftel einbrechen, hat das Handelsblatt erfahren. Es gibt ein weiteres Problem: Die Auslandsverkehrstochter DB Arriva, einst als „schöne Tochter“der Bahn für einen Verkauf angepriesen, entwickelt sich immer mehr zum Ladenhüter. Andreas Hoenig
und Burkhard Fraune, dpa