Radsport droht der Kollaps
Die gesamte Branche hängt an der Tour
Berlin Am 29. August soll die Tour de France in Nizza losrollen. So lautet der Plan der Radsport-Branche. Ob es dann zu großen Einschränkungen im Zuge der CoronavirusKrise kommt oder Zuschauer womöglich nicht am Straßenrand stehen können, ist für die Teams zweitrangig. Das französische Nationalheiligtum darf nicht fallen, sonst droht der Branche der Kollaps.
Die Auswirkungen der Pandemie sind jetzt schon gravierend. Bei mehr als 25 Prozent der 19 WorldTour-Teams wurden die Gehälter gekürzt. Vor allem der CCC-Rennstall, für den auch der frühere deutsche Tour-Etappengewinner Simon Geschke sowie Olympiasieger Greg van Avermaet fahren, befindet sich arg in Schieflage. Das Management der Schuhgeschäfte-Kette überlegt, aufgrund der Einbußen sich aus dem Sponsoring zurückzuziehen. Alle Mitarbeiter aus dem Betreuerstab mussten bis auf wenige Ausnahmen freigestellt und die Fahrer-Gehälter stark gekürzt werden. Von bis zu 80 Prozent ist die Rede.
Auch bei den Rennställen Mitchelton-Scott, Bahrain-McLaren, Astana und Lotto-Soudal, der Mannschaft um Klassikerspezialist John Degenkolb, ging es nicht ohne Gehaltskürzungen. Die beiden deutschen Mannschaften Borahansgrohe und Sunweb sind bislang nicht betroffen.
In der Krise treten die Schwachpunkte des Systems offen zutage. Alles basiert auf zahlungskräftigen Sponsoren, die nach der schlimmen Doping-Ära erst langsam wieder zurück in den Radsport gekommen sind. Antritts- sowie Siegprämien – der Gesamtsieg bei der Tour bringt gerade einmal 500000 Euro ein – sind kaum der Rede wert. Zuschauereinnahmen gibt es nicht. Am wichtigsten ist, dass sich die Sponsoren im Fernsehen wiederfinden.
Kein Wunder, dass Bora-Teamchef Ralph Denk kein Problem mit einer Geister-Tour hätte. „Ich habe gar nichts von den Zuschauern an der Strecke, denn die bezahlen nichts. Lieber eine Tour ohne Flair als gar keine.“
Die Leidtragenden wären am Ende die Fahrer. Sollte es in dieser Saison zu Team-Schließungen kommen, bleibt nur ein kleiner Rettungsschirm: Die Mannschaften müssen bei der Lizenzierung eine Bankgarantie von drei Monatsgehältern für die Angestellten als Sicherheit hinterlegen.