3515 Tests später: Zwischenbilanz einer Krise
Pandemie Seit März ist vor allem das Gesundheitsamt extrem gefordert. Inzwischen stellt sich so etwas wie Routine ein
Mindelheim Vor gut zwei Monaten wurde in Bayern wegen der CoronaGefahr der Katastrophenfall ausgerufen. Bürger und Geschäftsleute mussten massive Einschränkungen hinnehmen. Inzwischen scheint die größte Gefahr überstanden. Für uns Gelegenheit, Zwischenbilanz zu ziehen. Am Landratsamt wurde die Führungsgruppe Katastrophenschutz eingerichtet, die vom Landrat geleitet wird. Diesem Gremium gehören Mitarbeiter aus verschiedenen Bereichen des Landratsamts an: aus dem Gesundheitsamt und der Gesundheitsverwaltung (zuständig für den rechtlichen Vollzug), aus den Bereichen „Sicherheit und Ordnung“, „Personalmanagement“, „Organisation und IT-Management“sowie aus der Pressestelle.
Hinzu kommen Vertreter der Kliniken, des Rettungsdienstes und der Polizei sowie Versorgungsarzt Dr. Max Kaplan und der ärztliche Leiter Dr. Marc-Michael Ventzke. Kaplan kümmert sich um die Sicherstellung der ambulanten ärztlichen Versorgung. Zu den Aufgaben von Dr. Marc-Michael Ventzke gehört es, die Patientenströme und die Belegung der Krankenhauskapazitäten im Bereich des Rettungszweckverbands (ZRF) Donau-Iller (also in den Landkreisen Günzburg, Neu-Ulm und Unterallgäu sowie der Stadt Memmingen) zu steuern.
Was waren bisher die größten Herausforderungen für die Führungsgruppe am Landratsamt?
Vor allem die zeitnahe Ermittlung der Infektionsfälle samt deren (teilweise zahlreichen) Kontakten, dann der schnelle Aufbau der Infektpraxis und des Drive-In-Schalters, die Beschaffung und Verteilung von ausreichend Schutzausrüstung sowie die Organisation eines leistungsfähigen Bürgertelefons.
Welche Zwischenbilanz zieht das Gesundheitsamt? Wie viele Telefonate haben die Mitarbeiter seit März geführt, um Infektionsketten nachzuverfolgen?
Das Gesundheitsamt hat in den vergangenen Wochen rund 2000 enge Kontaktpersonen von Infizierten ermittelt – und entsprechend viele Telefonate geführt.
Die sehr hohe Beanspruchung der Mitarbeiter – zum Beispiel durch die vielen Anfragen und Ermittlungen von Kontakten – konnte bisher gestemmt werden. Es wurden zudem Erfahrungen im Hinblick auf die Organisation und den Personalbedarf für die vielfältigen Aufgabenfelder gemacht, die bei zukünftigen Epidemiegeschehen hilfreich sein werden.
Grundsätzlich ist das Gesundheitsamt weiterhin stark gefordert. Denn die Mitarbeiter aus anderen Bereichen des Landratsamts sowie die externen Helfer sind wieder an ihre ursprünglichen Arbeitsplätze zurückgekehrt. Die Aufgaben konnten bewältigt werden – auch dank der großen Einsatzbereitschaft der Mitarbeiter. Dabei gab es natürlich viel Gesprächs- und Nachjustierbedarf.
Mund- und Nasenschutz sowie Schutzbekleidung war zeitweise knappes Gut. Wie wurde die Beschaffung organisiert?
Der Landkreis erhielt mehrere Lieferungen Schutzausrüstung sowie Hand- und Flächendesinfektionsmittel vom Freistaat Bayern zur Verteilung. Da dies aber bei Weitem nicht genug war, hat der Landkreis selbst Material bei verschiedenen Händlern bestellt. Anfangs war es nicht möglich, ausreichend Schutzausrüstung zu bekommen. Zwischenzeitlich ist dies gelungen. Der Kreis hat inzwischen Tausende Gesichtsmasken, Schutzanzüge, Handschuhe und Pflegekittel an die beiden Kliniken in Mindelheim und
Ottobeuren sowie an die Unterallgäuer Hausärzte, Fachärzte der Grundversorgung und Zahnärzte verteilt. Vor allem erhielten Seniorenund Pflegeheime sowie ambulante Pflegedienste Lieferungen. Diese Einrichtungen können ihren Bedarf weiterhin ans Landratsamt melden. Außerdem erhielten die Glaubensgemeinschaften einmalig Desinfektionsmittel für die Wiederaufnahme von Gottesdiensten. Zur Schulöffnung wurden an Lehrer und Schüler der betroffenen Klassen Gesichtsmasken verteilt.
Ein großes Thema sind die Abstriche zum Test auf das Virus. Wie viele Tests wurden in Mindelheim vorgenommen?
Im Unterallgäu wurden bislang 3515 Personen getestet. 2990 am DriveIn
und per Fahrdienst, 292 in der Infektpraxis, 233 über das LGL.
Wie hat sich die Schwerpunktpraxis bewährt? Wie viele Patienten wurden dort auf Covid-19-Verdacht hin untersucht?
Die Infektpraxis wurde gut angenommen. Aufgrund der sinkenden Infektionszahlen konnten die Öffnungszeiten immer weiter reduziert werden. Künftig ist die Infektpraxis noch von Montag bis Freitag an jeweils vier Stunden geöffnet. Anfangs war diese sieben Tage die Woche an sechs bis neun Stunden offen. Insgesamt kamen bisher 400 Personen in die Praxis.
Wurde im Unterallgäu schon einmal ein Katastrophenfall ausgerufen und falls ja, warum?
Zum ersten Mal wurde der Katastrophenfall am 7. Juni 2002 wegen Hochwasser ausgerufen. Aktuell handelt es sich also um den zweiten K-Fall im Unterallgäu.
Derzeit läuft das öffentliche Leben wieder an. Sogar Biergarten- und Restaurantbesuche sind wieder möglich. Erwartet das Gesundheitsamt eine zweite Welle?
Hierzu kann man derzeit nur spekulieren. Das Landratsamt beobachtet die Lage und Entwicklung sehr genau, um rasch reagieren zu können. Die bisher geschaffenen Einrichtungen wie Infektpraxis und Drive-InSchalter können bei Bedarf wieder intensiviert werden.