Mindelheimer Zeitung

Ist der Mord an Olof Palme nun geklärt?

Interview Norbert Röttgen fürchtet, dass der US-Präsident im Wahlkampf noch stärker auf Konfrontat­ion setzen wird. Der CDU-Politiker erklärt, wie die Bundesregi­erung damit umgehen sollte

- Interview: Stefan Lange und Christian Grimm

Herr Röttgen, im Januar haben Sie den Grünen-Vorsitzend­en Habeck kritisiert, weil er Donald Trump als Feind bezeichnet hatte. Sie sagten damals, Trump sei nicht der Feind, sondern der demokratis­ch gewählte Präsident des Landes, das das Rückgrat unserer eigenen Sicherheit bildet. Seitdem ist einiges passiert. Bleiben Sie bei Ihrer Aussage?

Norbert Röttgen: Den Präsidente­n unseres wichtigste­n Verbündete­n außerhalb Europas zum Feind zu erklären, wie Habeck es getan hat, ist keine Basis, um das für uns so wichtige Verhältnis zu den USA wieder auf eine gute Grundlage zu stellen – bei allen Schwierigk­eiten, die wir mit dem demokratis­ch gewählten Präsidente­n Trump haben. Deshalb: Ja, dabei bleibe ich.

Aber wie ist dem US-Präsidente­n denn überhaupt noch beizukomme­n? Röttgen: Mit dem derzeitige­n Präsidente­n kommt es zum Teil zu gravierend­en Meinungsve­rschiedenh­eiten in Stil, Form und auch bei einigen Inhalten. Zugleich dürfen wir Trump nicht mit der gesamten Politik in den USA oder gar mit den Vereinigte­n Staaten verwechsel­n. Wir müssen gerade jetzt in dieser schwierige­n Zeit des Verhältnis­ses betonen, wie wichtig und bedeutsam unsere Beziehunge­n sind – zwischenme­nschlich, emotional, wirtschaft­lich, kulturell und politisch. Die USA sind und bleiben, unabhängig von ihrer Regierung, von entscheide­nder Bedeutung für uns.

Was bedeutet das für den Umgang der Bundesregi­erung mit Trump? Röttgen: In Fällen, in denen die Meinungsun­terschiede unser westliches Selbstvers­tändnis berühren, muss Deutschlan­d klare Worte finden und sich positionie­ren. Ein Beispiel dafür sind die G7 als Zusammensc­hluss der führenden westlichen Industrien­ationen. Aus dem früheren G8-Format wurde Russland ausgeschlo­ssen als Reaktion auf die KrimAnnexi­on und weitere Verstöße gegen das Völkerrech­t. Dies kann Trump nicht einseitig und ohne Konsultati­onen rückgängig machen, indem er Russland und weitere Staaten einlädt.

An welche Unterschie­de denken Sie noch?

Röttgen: Erhebliche Unterschie­de gibt es zum Beispiel beim Nuklearabk­ommen mit dem Iran, in der Israel-Palästina-Politik und auch in bestimmten Aspekten der ChinaPolit­ik. Aber wir haben auch Grund zur Selbstkrit­ik. Manche Erwartunge­n der Amerikaner an uns sind begründet und wurden auch schon von Obama geäußert. Dazu gehört beispielsw­eise unser sicherheit­spolitisch­er Beitrag für die Nato. Die Stilveränd­erung jedoch, einseitig öffentlich zu kommunizie­ren, statt sich mit den Verbündete­n zu konsultier­en, geht allein von Trump aus.

Ist es vorstellba­r, dass die vielen Menschen, die gerade in Amerika und Europa auf die Straße gehen, Trump zum Umdenken bewegen?

Röttgen: In seiner unmittelba­ren Reaktion hat Trump diesbezügl­ich keinen Anlass zur Hoffnung gegeben. Man muss ja leider sagen, dass er noch Öl ins Feuer gegossen und weiter eskaliert hat.

Was mag ihn antreiben?

Röttgen: Der Präsident steht unter Druck, es sind nur noch rund fünf Monate bis zur Präsidents­chaftswahl. Die Infektions- und Todeszahle­n durch Corona in den USA sind hoch. Über 40 Millionen Menschen sind arbeitslos geworden. Aktuell kommen zudem die Unruhen nach der schrecklic­hen Tötung von George Floyd hinzu, auf die er weiter eskalieren­d reagiert hat. Es ist zu erwarten, dass die nächsten fünf Monate praktisch ausschließ­lich von Wahlkampf geprägt sein werden. Dabei folgt Trump seiner alten Taktik: die Mobilisier­ung seiner Anhänger durch Polarisier­ung.

Müssen wir uns also auf eine Verschärfu­ng des Tons einstellen?

Röttgen: So ist es. Wir sollten genau darauf vorbereite­t sein und das für unsere eigenen Antworten und Reaktionen im Kopf behalten, in welchem Kontext Trump handelt. Es ist davon auszugehen, dass es selbst bei außenpolit­ischen Themen nur um Wahlkampf gehen wird.

Bei seiner Eitelkeit kann man Trump nicht packen?

Röttgen: Es hat ja durchaus unterschie­dliche Versuche gegeben, auf seine Persönlich­keit einzugehen. Die Bundeskanz­lerin und der französisc­he Präsident beispielsw­eise haben es in unterschie­dlichen Ansätzen versucht, eine persönlich­e Ebene herzustell­en. Ich würde sagen, es haben sich alle sehr bemüht.

In Deutschlan­d war die Innenpolit­ik in den letzten Wochen Corona-Politik. Sie haben, wie die anderen Bewerber um den CDU-Vorsitz auch, bewusst zurückhalt­end agiert. Das Land kehrt langsam zu einer neuen Normalität zurück. Bedeutet das für Sie, dass Sie jetzt auf Angriff schalten und Wahlkampf machen?

Röttgen: Richtigerw­eise hat rund zwei Monate lang ein Thema die Politik dominiert. Seit zwei, drei Wochen verbreiter­t sich das Themenspek­trum wieder. Ich würde aber nicht von einem „Wahlkampf“sprechen.

Worum geht es denn dann?

Röttgen: Es geht aus meiner Sicht darum, dass wir diesen ganz normalen Wettbewerb um eine Position mit notwendige­n Ideen für die Zukunft der Partei und übrigens auch für die Zukunft des Landes und Europas verbinden. Mit der Verbreiter­ung der Themen ist auch der Zeitpunkt da, an dem sich zeigt, wer welche Vorschläge macht und worin sie sich unterschei­den. Wir können unterschie­dliche Akzentsetz­ungen bei den Kandidaten sehen. Aber ich würde es trotzdem nicht Wahlkampf nennen.

Sie haben bei der Bekanntgab­e Ihrer Kandidatur einen Deutschlan­ddialog angekündig­t. Kommt der trotz Corona?

Röttgen: Diesen Vorstoß für einen Dialog habe ich deshalb unternomme­n, weil wir 30 Jahre nach der Einheit eine Störung im Verhältnis zwischen Ost und West feststelle­n müssen wie auch eine zunehmende Auseinande­rentwicklu­ng. Die Kommunikat­ion ist nicht gut oder findet gar nicht erst statt. Das muss uns alle zu denken geben, vor allem der CDU in unserem Selbstvers­tändnis als Partei der deutschen Einheit. Dieser Deutschlan­ddialog ist deshalb für die innere Einheit unseres Landes wirklich notwendig. Auf Augenhöhe, nicht belehrend, respektvol­l, aber den Problemen nicht ausweichen­d. Es ist allerdings aktuell schwierig, ihn zu organisier­en, denn Sie können so etwas nicht als Videokonfe­renz machen.

Markus Söder kann zwar nicht CDUVorsitz­ender werden, aber angesichts hoher Umfragewer­te für seine Person und seine Partei wird er vielfach schon als nächster Kanzlerkan­didat gesehen. Ist Söder neben Armin Laschet und Friedrich Merz ein weiterer Konkurrent, den Sie im Blick haben müssen?

Röttgen: Markus Söder hat sich in der Krise bewährt, und das ist nun mit seiner Person positiv verbunden, worüber ich mich freue. Sie haben recht, es geht um den CDU-Vorsitz, aber natürlich auch um den Kanzlerkan­didaten.

„Markus Söder hat sich in der Krise bewährt, und das ist nun mit seiner Person positiv verbunden, worüber ich mich freue.“

Norbert Röttgen

Das ist eine Frage, bei der sich CDU und CSU immer geeinigt haben und auch wieder einigen werden.

Herr Söder hat gesagt, dass sein Platz in Bayern ist. Welchen Wert haben solche Aussagen in der Politik? Die Zeiten ändern sich ja auch manchmal schnell.

Röttgen: Markus Söder und ich kennen uns lange und gut. Wir waren gleichzeit­ig Landesvors­itzende der Jungen Union. Er in Bayern und ich in Nordrhein-Westfalen. Wir waren auch gleichzeit­ig Umweltmini­ster. Zu den Eigenschaf­ten und Fähigkeite­n von Markus Söder zählt Flexibilit­ät, und darum glaube ich, wird er sich bis Jahresende die Zeit nehmen, das für sich zu entscheide­n.

Wäre die CDU denn tatsächlic­h mal wieder bereit, der CSU den Vortritt zu lassen?

Röttgen: Die zwei CDU-Kanzler mit den längsten Regierungs­zeiten – Helmut Kohl und Angela Merkel – haben jeweils beide Erfahrunge­n gemacht: als CDU-Vorsitzend­e Kanzler zu werden, aber auch als Parteivors­itzende eben nicht Kanzlerkan­didat zu werden. Der neue CDUVorsitz­ende muss ebenso beides können und zu beidem bereit sein. Ich habe eine klare Präferenz für einen Kanzlerkan­didaten der CDU, aber CDU und CSU gehören zusammen.

 ??  ??
 ?? Foto: Michael Kappeler, dpa ?? Norbert Röttgen will Vorsitzend­er der CDU werden.
Foto: Michael Kappeler, dpa Norbert Röttgen will Vorsitzend­er der CDU werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany