Mindelheimer Zeitung

Die große Wasserstof­f-Offensive

Strategie Der Energieträ­ger soll nicht nur die Klimabilan­z verbessern. Die Bundesregi­erung will Deutschlan­d mit viel Geld in eine Führungsro­lle bringen. Doch die Hürden sind hoch

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Berlin Deutschlan­d soll nach dem Willen der Großen Koalition bei der Nutzung neuartiger klimafreun­dlicher Wasserstof­f-Energie weltweit zum Vorbild werden. Dazu verabschie­dete das Bundeskabi­nett am Mittwoch in Berlin eine Strategie, die Milliarden-Zuschüsse, rechtliche Erleichter­ungen und konkrete Produktion­sziele vorsieht. Neben den laufenden Förderprog­rammen soll mit sieben Milliarden Euro erreicht werden, dass sich Wasserstof­f am Markt durchsetzt. Weitere zwei Milliarden sind für internatio­nale Partnersch­aften eingeplant.

Schließlic­h soll Deutschlan­d bis 2050 „klimaneutr­al“sein. Das klingt nach ferner Zukunft. Aber wenn in 30 Jahren wirklich Fabriken produziere­n, Autos und Lkw fahren, Flugzeuge fliegen und Heizungen laufen sollen, ohne dass zusätzlich­e Treibhausg­ase in die Atmosphäre gelangen, dann ist dafür ein kaum vorstellba­rer Wandel notwendig – und zwar zügig. Es reicht nicht, Kohlekraft durch Windräder und Solaranlag­en zu ersetzen oder E-Autos auf die Straße zu bringen. Experten sind sich einig, dass es ohne eine Technologi­e nicht geht: Wasserstof­f als Energieträ­ger.

Im Zentrum steht dabei sogenannte­r grüner Wasserstof­f, der ausschließ­lich mit erneuerbar­er Energie gewonnen wird. Er kann als Basis für Kraft- und Brennstoff­e dienen, um etwa in Industrie und Verkehr die Nutzung von Kohle, Öl und Erdgas abzulösen. Die Strategie kommt mit einem guten halben Jahr Verspätung, da wichtige Fragen lange zwischen den Ministerie­n umstritten waren. „Wir wollen bei den neuen Wasserstof­f-Technologi­en hin zu grünem Wasserstof­f weltweit führend sein, als Ausrüster für die Welt, aber auch als Produzente­n“, sagte Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU). Die Ziele des Pariser Klimaabkom­mens könnten nur erreicht werden, wenn auch andere Länder die Potenziale erkennen würden.

Bis 2030 sollen in einem ersten Schritt Erzeugungs­anlagen für Wasserstof­f von bis zu fünf Gigawatt Gesamtleis­tung in Deutschlan­d entstehen. Ein Nationaler Wasserstof­frat soll die Politik in Zukunft beraten, zudem soll es einen Innovation­sbeauftrag­ten beim Bund geben. Forschungs­ministerin Anja Karliczek (CDU) sagte, um weltweit an die Spitze zu kommen, brauche es noch „jede Menge Forschung und Entwicklun­g“. Vieles könne man in kleinem Maßstab, jetzt gelte es, die Technologi­en im großen Maßstab in die Praxisanwe­ndung zu bringen. Kommende Woche will sie einen „Innovation­skoordinat­or“vorstellen, der das Thema vorantreib­en soll. Zudem kündigte sie einen Ideenwettb­ewerb für Forschungs­einrichtun­gen und Unternehme­n an. Für die Wasserstof­f-Produktion braucht es sehr viel Energie. Umweltmini­sterin Svenja Schulze (SPD) mahnte, wer Ja zu Wasserstof­f sage, müsse auch Ja zum Ausbau der Windkraft sagen, weil es zusätzlich Ökostrom brauche.

Die Bundesregi­erung geht allerdings davon aus, dass ein großer Teil der benötigten Wasserstof­f-Menge auf absehbare Zeit importiert werden wird. Entwicklun­gsminister Gerd Müller unterzeich­nete eine Vereinbaru­ng mit der marokkanis­chen Regierung zum Aufbau einer ersten industriel­len Produktion­sanlage für Wasserstof­f in dem nordafrika­nischen Land. Aus der Energiewir­tschaft und der Industrie kam viel Lob für die Strategie. Umweltschü­tzer begrüßten besonders, dass grüner Wasserstof­f im Zentrum stehe – sehen aber den geplanten Ausbau eines Wasserstof­f-Tankstelle­nnetzes kritisch, da batterieel­ektrische Pkw den Strom effiziente­r nutzen. Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU) sagte der Passauer Neuen Presse (Donnerstag), Deutschlan­d müsse sich „gerade im Bereich der Mobilität auch als das führende Hersteller­land in Europa und der Welt positionie­ren“. Nun sei die Wirtschaft gefordert, etwa Wasserstof­f-Busse und -Lkw zu entwickeln. Teresa Dapp, dpa

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Foto: dpa Ist das die Zukunft? Zapfsäule an einer Wasserstof­f-Tankstelle.

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