Badstraße: Anwohner klagen gegen Türkheim
Justiz Zwei Grundstücksbesitzer wehren sich dagegen, dass die Marktgemeinde sie für den Ausbau der Badstraße zur Kasse gebeten hat. Das Urteil konnte Signalwirkung für ganz Bayern haben
Türkheim Zwei Anlieger der im Jahr 2019 fertig ausgebauten Badstraße klagen gegen die Gemeinde Türkheim, weil sie den Erschließungsbeitragsbescheid für rechtswidrig halten und sich daher in ihren Rechten verletzt sehen. Am Dienstag, 23. Juni, macht sich das Verwaltungsgericht Augsburg ein Bild von der Situation vor Ort. Einige Wochen später wird dann eine mündliche Verhandlung stattfinden und zeigen. ob es rechtens war, dass die Gemeinde Türkheim die Anlieger der Badstraße für den Straßenausbau zur Kasse gebeten hat. Das Urteil könnte Signalwirkung für viele Grundstücksbesitzer in ganz Bayern haben, deren Kommunen die Kosten für den Ausbau maroder Straßen via Erschließungsbeiträgen und/oder Straßenausbaubeiträgen auf die Anlieger umlegen wollen.
Schon mehrfach hatte die Mindelheimer Zeitung in den vergangenen Jahren über die Entscheidungen im Gemeinderat und über die Reaktionen der betroffenen Anlieger berichtet. Einige Anlieger fühlten sich „überfahren“und wollten nicht einsehen,, warum der Ausbau der sanierungsbedürftigen Straße als „Ersterschließung“abgerechnet werden sollte. Den Betroffenen standen teure Rechnungen ins Haus, wenn die Gesamtkosten von insgesamt rund einer halben Million Euro auf die gut zwei Dutzend Anlieger umgelegt werden sollen.
Die Anlieger waren immer davon überzeugt, dass es sich bei der Badstraße vielmehr um eine „Historische Straße“handelt. Hintergrund ist eine relativ komplizierte Gesetzeslage: 1961 hatte der Bund eine Satzung erlassen, nach der alle bis zu diesem Stichtag bestehenenden und gut ausgebauten Straßen eben als solche „historischen Straßen“zu gelten hätten. Damit hätten die Anlieger in der Badstraße gar keinen Beitrag zu den Ausbaukosten mehr bezahlen müssen.
Und davon gingen auch diejenigen aus, die in den vergangenen Jahren Häuser oder Grundstücke in der Badstraße gekauft haben und in deren Notar-Verträgen auch schwarz auf weiß steht, dass „alle Erschließungsbeiträge bereits bezahlt“worden seien.
Je nach Grundstücksgröße und
kamen erhebliche Summen auf die Betroffenen zu, Beträge von bis zu 30.000 Euro wurden genannt. In einem Einzelfall soll der Besitzer eines Grundstückes sogar mit 130.000 Euro zur Kasse gebeten worden sein.
Das wollen sich die betroffenen Anlieger jedoch nicht gefallen lassen und ziehen vor das Verwaltunsgsgericht. Vertreten werden die Kläger von Rechtsanwalt Wolfgang Schubaur (Burgau; Kreis Günzburg), einem ausgewiesenen Fachanwalt für Verwaltungsstreitigkeiten. Der Erschließungsbeitragsbescheid der Gemeinde sei „rechtswidrig, weil für die Straßenbaumaßnahmen, die an der Badstraße vorgenommen wurden, weder Erschließungsbeiträge noch Straßenausbaubeiträge hätten erhoben werden dürfen, führt Schubaur in seiner Klagebegründung aus. Die 13-seitige Klagebegründung liegt der MZ-Redaktion vor.
Schließlich sei der Straßenaus baubeitrag in Bayern schon 2018 abgeschafft worden und damit hätten „keine Straßenausbaubeitragsbescheide mehr erlassen werden dürfen“, so Schubaur.
Die Festsetzung eines Erschließungsbeitrages für die Badstraße scheide aus, weil es sich hierbei um eine Erschließungsanlage handelt, die bereits in den Jahren 1966 und 1967 endgültig hergestellt wurde und den Merkmalen der endgültigen Herstellung von Erschließungsanlagen entsprochen habe.
Dies sei alles aus „alten Lageplänen und Luftbildern zu entnehmen“, so Schubaur, der dann die Historie der Badstraße detailliert aufschlüsselt und letztlich zum Schluss kommt, dass die Gemeinde Türkheim bei der Festsetzung des Erschließungsbeitrags als Ermittlungsraum zu Unrecht die Badstraße von der Einmündung in die Wörishofer Straße bis zur Kreuzung mit der Herbert-Kessel-Straße und der Oberjägerstraße zugrunde gelegt habe.
Die Gemeinde Türkheim sei zudem „bei der Festsetzung des Erschließungsbeitrags von einem fehlerhaften Ermittlungsraum ausgegangen“.
Auch die Höhe des beitragsfähigen Aufwands von rund 530.000 Euro sei von der Gemeinde Türkheim aus mehrerlei Gründen als „zu hoch bemessen“worden, schreibt der Rechtsanwalt. Als Beispiel werden die Kosten für die Verrohrung des Langweidbaches und die Entsorgung des als kontaminiert bewerteten Bodens der bisherigen FahrBebauung bahn der Badstraße und für den Erdaushub im Bereich der seitlichen Randstreifen genannt. Dafür habe der Markt Türkheim gut 86.000 Euro berechnet, die in den Augen der Kläger aber „nicht zum beitragsfähigen Aufwand“gehören.
Nach dem im Erschließungsbeitragsrecht geltenden Grundsatz der Erforderlichkeit würden die beitragsfähigen Kosten der Höhe nach durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt.
Die Marktgemeinde Türkheim sei daher „nicht berechtigt, die entstehenden Aufwendungen für eine Straßenbaumaßnahme grenzenlos auf die Anlieger der erschlossenen Grundstücke umzulegen“, heißt es in der Klagebegründung.
Vielmehr bedürfe es „einer den konkreten Umständen entsprechenden angemessenen Risikobegrenzung“.
Auch die von der Gemeinde berechneten Kosten für die Erneuerung der Straßenbeleuchtung in der Badstraße in Höhe von gut 24.000 Euro Euro hält der Rechtsanwalt für „nicht beitragsfähig“. Daher könne die Gemeinde die Kosten für die Erneuerung der Straßenbeleuchtung auch nicht auf die Anlieger der Badstraße umzulegen.
Die Marktgemeinde Türkheim hätte bei der Berechnung des Beitragssatzes lediglich von beitragsfähigen Kosten von insgesamt 399.415,79 Euro ausgehen dürfen, ist der Rechtsanwalt überzeugt.
Dies führe unter Berücksichtigung des gemeindlichen Eigenanteils zu einer Summe von knapp 360.000 Euro, die von der Marktgemeinde als „umlagefähiger Aufwand“hätte eingefordert werden dürfen. Schubaur: „Der festgesetzte Erschließungsbeitrag ist daher deutlich überhöht und nicht gerechtfertigt.
Nachdem die Gemeinde Türkheim bei ihrer Beitragserhebung „einen fehlerhaften Ermittlungsraum zugrunde gelegt hat und davon auszugehen ist, dass die Erschließungsanlage „Badstraße“erst am Eisstadion endet, hätten auch die am östlichen Teilbereich der Badstraße anliegenden und erschlossenen Grundstücke bei der Verteilung des beitragsfähigen Aufwands berücksichtigt werden müssen“, heißt es in der Klagebegründung.
Der Erschließungsbeitragsbescheid sei auch deswegen rechtswidrig, weil zum Zeitpunkt des Erlasses bereits die 20-jährige Ausschlussfrist abgelaufen sei, heißt es in der 13-seitigen Klagebegründung. »