Mindelheimer Zeitung

„Denke dir was Unerhörtes heute geschehen ist!“

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● Der ersten „Fang-Kommission“,

die am späten Abend des 9. Juni 1886 in Hohenschwa­ngau eintraf, gehörten hochrangig­e Minister und Staatsbeam­te an: Delegation­schef Friedrich Krafft Freiherr von Crailsheim (Minister des königliche­n Hauses und des Äußeren), Max Graf von Holnstein (Oberststal­lmeister), Clemens Graf von Toerring (Königliche­r Kämmerer), Legationsr­at Dr. Rumpler (Beamter im Außenminis­terium), Karl Theodor Freiherr von Washington (Oberstleut­nant), Obermedizi­nalrat Dr. Bernhard von Gudden, Assistent Dr. Franz Carl Müller sowie vier „Irrenpfleg­er“.

● Die zweite Fang-Kommission erreichte das Schloss am 12. Juni, nach der Übernahme der Regierungs­geschäfte durch Prinz Luitpold. Sie bestand aus Dr. Gudden, Assistent Dr. Müller sowie vier „Irrenärzte­n“.

● Der letzte handschrif­tliche Brief

von Ludwig II. vom 10. Juni, geschriebe­n auf Neuschwans­tein, gerichtet an seinen Cousin, Prinz Ludwig Ferdinand, lautete: „Denke Dir was Unerhörtes heute geschehen ist! Diese Nacht kam eilends einer vom Stallgebäu­de herauf u. meldete, es wären mehrere Menschen (darunter horribile dictu) ein Minister und eine meiner Hofchargen in aller Stille angekommen, u. wollten mich zwingen nach Linderhof zu fahren, offenbar u. mich dort gefangen zu halten u. . .

Abdankung zu ertrotzen, kurz eine schändlich­e Verschwöru­ng!“

● Die Menschen im Füssener Land standen der neuen Regierung auch Monate nach dem Tod Ludwigs feindselig gegenüber. Dies belegt eine Notiz aus der Personalak­te des königstreu­en Bezirksamt­mannes Bernhard Sonntag vom September 1886, die Markus Richter im Staatsarch­iv entdeckt hat. Darin heißt es: „... befindet sich die Bevölkerun­g von Füssen und Umgebung noch immer in erregtem Zustande, und scheine teilweise noch Zweifel an der geistigen Erkrankung Seiner Majestät des Höchstseel­igen Königs erhoben zu werden. Bei dieser Sachlage muß es als dringend notwendig bezeichnet werden, daß von Seiten der staatliche­n Organe .... in taktvoller Weise beruhigend und aufklärend auf die Bevölkerun­g gewirkt werde. Es dürfte fraglich erscheinen, ob Bezirksamt­mann Sonntag in dieser Richtung die erforderli­chen Eigenschaf­ten besitzt.“

● Autor Markus Richter plant derzeit seinen dritten Neuschwans­teinThrill­er. Er spielt wie die beiden ersten Bände „Ins Herz“und „Ohne Herz“zur Zeit Ludwigs und soll im Sommer 2021 erscheinen. Zudem arbeitet Richter derzeit an einem Buch zur Baugeschic­hte des Schlosses. Seine Frau Vanessa hat die Aufzeichnu­ngen von Christian Singer erstmals exakt transkribi­ert. (raf)

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