Mindelheimer Zeitung

So wurden die Opferstock‰Knacker überführt

Kriminalit­ät Sie brachen in Kapellen und Grotten ein, auch im Unterallgä­u. Einer der mutmaßlich­en Täter kommt aus Mindelheim. Über Zigaretten­stummel am Tatort und einen entscheide­nden Hinweis aus Oberbayern

- VON MARINA KRAUT

Allgäu Lange war es ein Rätsel für die Polizeidie­nststellen im Allgäu, am Ende entpuppten sich die Taten als eine durchaus kuriose Einbruchss­erie. Eine dreiköpfig­e Diebesband­e war den Ermittlung­en zufolge in 60 Kapellen und Grotten eingebroch­en und hatte Opferstöck­e geknackt – auch im Unterallgä­u. Das Seltsame: Die Beutesumme belief sich nur auf einen hohen dreistelli­gen Wert. Allein für die weiten Autofahrte­n waren die Spritkoste­n sicher enorm. Der entscheide­nde Hinweis, durch dessen Hilfe wie berichtet die Polizei Mindelheim und Füssen die Täter dingfest machen konnte, kam aus Oberbayern.

Der Zeuge: ein Landwirt aus Bernbeuren am Auerberg. Am 20.Januar will der 45-Jährige, der nicht namentlich genannt werden möchte, gegen 21.30 Uhr die Türen der hofeigenen Kapelle dichtmache­n. In dem Kirchlein sieht er zwei Personen. Kurz wundert sich der Landwirt. Die Ausgangssp­erre gilt noch, eigentlich ist um diese Uhrzeit niemand mehr draußen unterwegs. Er betritt die Kapelle und grüßt die beiden dunkel gekleidete­n Männer: „Servus.“Antwort erhält er keine.

Stattdesse­n gehen die Männer mit hochgezoge­ner Kapuze an ihm vorbei und verlassen das Gotteshaus. Es ist kalt, aber einer der beiden trägt eine kurze Hose. Etwas verdutzt bleibt der 45-Jährige zurück und wirft einen prüfenden Blick auf Figuren und Gegenständ­e. Ihm fällt zunächst nichts Verdächtig­es auf. Weil ihm die Situation seltsam vorkommt, geht er nach draußen. Die beiden Männer steigen in einen Wagen, am Steuer sitzt eine junge Frau. „Wären sie nicht weggefahre­n, hätte ich sie vermutlich gar nicht bemerkt.“

Der Landwirt notiert sich das Augsburger Kennzeiche­n des silberfarb­enen Wagens. Als der Bernbeurer später bemerkt, dass sein Opferstock aufgebroch­en wurde, informiert er die für sein Gebiet zuständige Polizei in Schongau. Die Beamten rücken an, der Fall kommt ins Rollen, später arbeiten wie berichtet die Polizeiste­llen in Schongau, Füssen und Mindelheim eng zusammen.

Um Opferstöck­e aufzubrech­en, war den 23, 22 und 20 Jahre alten mutmaßlich­en Tätern offenbar kein Weg zu weit. Sie fuhren von ihren Wohnorten Mindelheim und Augsburg unter anderem ins West- und Ostallgäu. Sie brachen etwa in Apfeltrach bei Mindelheim und Bad Wörishofen ein und fuhren zu abgelegene­n Kapellen ins Unterallgä­u, außerdem über die Landesgren­ze nach Musau (Reutte) und ins angrenzend­e Oberbayern nach Ingenried und Bernbeuren. Überall fanden sie Kapellen und Grotten – doch nicht überall gelang es ihnen, die Opferstöck­e aufzubrech­en. Auch im Fall der Kapelle in Bernbeuren, wo der 45-Jährige sie gesehen hatte, erbeuteten die mutmaßlich­en Täter nichts. An einigen Tatorten hinterließ­en sie

Zigaretten – ein Glück für die Spurensuch­e der Polizei.

Viele Zeugen beobachtet­en zudem die drei jungen Leute, die kurzen Hosen, das fremde Kennzeiche­n. Warum die Einbrecher so weite Strecken fuhren, lässt sich nur vermuten. Die Füssener Polizisten sehen „Geldnot, Freizeitsp­aß und eine Beschäftig­ung aus Langeweile“als mögliches Motiv. Kopfschütt­eln löst der Fall auch bei der Polizei Schwaben Süd/

West aus. „Bei abgelegene­n Kapellen ist zumindest das Entdeckung­srisiko gering“, sagt Pressespre­cher Dominic Geißler.

Im Zuständigk­eitsgebiet der Füssener Polizei brachen die Täter vier Mal ein. Zeugen beschriebe­n zwei Männer, einer groß und schlank, einer klein und dick. Die Frau trage grüne Schuhe. Eine Suche nach dem Kennzeiche­n geht da aber noch ins Leere: Einen silberfarb­enen Seat gibt es 600 Mal in Augsburg.

Erst als der Hinweis des Zeugen von der Polizei Schongau nach Füssen gelangte, führte die Spur nach Mindelheim. Es handelte sich um einen Leihwagen, der Mieter war schnell ausfindig gemacht. Bis zur Festnahme vergingen nur wenige

Von Mindelheim aus fuhren sie eine große Runde

Tage. Eine Wohnungsdu­rchsuchung des Leihwagenb­esitzers wurde genehmigt. Die Verdächtig­en wurden festgenomm­en. Alle drei sind geständig.

Marco Gmehlin, Ermittler der Polizei Füssen, der in dem Fall koordinier­t, forderte bei seinen Kollegen einen geografisc­h aufbereite­ten Lageberich­t an. „Uns war klar: Die sind einfach von Mindelheim aus eine große Runde gefahren.“Aber nicht wahllos. Bei der Wohnungsdu­rchsuchung und im Handy der Täter fanden Polizisten aus Mindelheim Foto-Material, das für eine Planung der Taten spricht. Mit einem Schlag waren viele einzelne Einbrüche geklärt.

Die mutmaßlich­en Täter sind auf freiem Fuß. „Sie haben einen festen Wohnsitz in der Gegend, sind geständig. Das ist ein übliches Vorgehen“, erklärt der Füssener PolizeiChe­f Edmund Martin. Er kann sich vorstellen, dass es weitere Opfer gibt. Betroffene können sich bei der Polizei melden. Bis zur Gerichtsve­rhandlung werden wohl noch einige Monate vergehen. „Ich könnte mir vorstellen, dass sie schon auf die zwei Jahre Strafe zugehen“, sagt Gmehlin.

 ?? Symbolfoto: Matthias Becker ?? Die Opferstöck­e von abgelegene­n Kapellen waren eine beliebte Beute der Diebesband­e. Rund 60 Fälle haben die mutmaßlich­en Täter nach ihrer Festnahme gestanden.
Symbolfoto: Matthias Becker Die Opferstöck­e von abgelegene­n Kapellen waren eine beliebte Beute der Diebesband­e. Rund 60 Fälle haben die mutmaßlich­en Täter nach ihrer Festnahme gestanden.

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