29Jähriger züchtet Cannabispflanzen in einer Abstellkammer
Justiz Mann soll mit Drogen gehandelt haben. Jetzt steht er in Memmingen vor Gericht
Memmingen Jede Menge Marihuana in der Wohnung, ein Einhandmesser in Griffnähe und ein Schlagring im Schlüsselkasten. Das alles stellten Beamte bei einem 29-jährigen Memminger sicher, der sich jetzt vor der zweiten Strafkammer des Landgerichts verantworten muss – und zwar wegen Anbaus von Cannabis-Pflanzen und bewaffneten Handels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.
Bei der Verhandlung verliest zunächst Verteidiger Dr. Kai Wagler aus München eine mit seinem Mandanten abgestimmte Erklärung. Demnach sei das aufgefundene Marihuana fast ausschließlich zum Eigenkonsum angebaut und aufbewahrt worden. Hin und wieder habe er Freunden etwas abgegeben, die ihm im Gegenzug mit Rauschgift ausgeholfen hätten, wenn er mal nichts zu rauchen gehabt hätte. Es sei nie beabsichtigt gewesen, mit den Drogen Gewinn zu erzielen. Nachfragen des Gerichts werden nicht zugelassen.
Der Fall begann im Juli 2020 mit einer sogenannten verdachtsunabhängigen Kontrolle am Bahnhof in Memmingen. Das Polizeiaufgabengesetz ermächtigt die bayerische Grenzpolizei zu Fahndungsmaßnahmen ohne konkreten Anlass, sowohl im Grenzgebiet zu Österreich und Tschechien, aber auch entlang der Verkehrsadern, also auf Autobahnen und an Eisenbahnstrecken. Der 29-jährige Lackierer entstieg einem Zug aus München und lief zwei zivil gekleideten Grenzpolizisten aus Lindau in die Arme. Er habe stark gerötete Augen gehabt und sei auch sehr nervös geworden, berichtet ein Polizist dem Gericht. Bei der Durchsuchung habe man ein kleines Glasdöschen mit einer winzigen Menge Marihuana aufgefunden. Zuhause habe er noch ein paar Gramm Cannabis, bestätigte er den Beamten. Also wurde seine Wohnung durchsucht. Sie sei „schön aufgeräumt“gewesen, ausgestattet mit zahlreichen Zimmerpflanzen, die „ganz offensichtlich mit viel Liebe gehegt und gepflegt worden waren“, erklärt ein Polizist. Bei den Pflanzen handelte es sich um Cannabis-Stauden. In die Abstellkammer hatte der Angeklagte eine regelrechte Aufzuchtanlage eingebaut – mit Beleuchtung, Belüftung und allem, was man sonst noch so braucht, um die weiblichen Blüten des indischen Hanfs heranzuziehen. Weitere Fundgegenstände: Zwei größere Beutel mit Rauschgift in einer Sporttasche, mehrere kleinere Beutel und einige Tütchen in einem Rucksack, alles in allem rund zwei Kilogramm Marihuana. Außerdem: eine kleine Menge Kokain, Cannabis-Samen im Kühlschrank, eine Feinwaage, eine Schreckschusspistole ohne Munition sowie den Schlagring und das Einhandmesser. Den Besitz des Schlagrings stellt das Waffengesetz unter Strafe. Die Menge an Drogen und das Messer in Griffnähe schürt den Verdacht des bewaffneten Rauschgifthandels.
Der Beschuldigte habe sich stets kooperativ verhalten, machen die Beamten im Zeugenstand klar. Im Alter von 14 Jahren habe er nach eigener Aussage angefangen, Cannabis zu rauchen, zuletzt bis zu 30 Joints am Tag. Hin und wieder habe er auch andere Drogen ausprobiert, darunter Kokain. 2016 musste er sich schon einmal wegen des Anbaus von Cannabis vor Gericht verantworten. Die Folge: 1600 Euro Geldstrafe. Seine Drogensucht habe ihn schließlich den Job gekostet.
Professor Dr. Bernd Schwarze aus Erlangen bezweifelt, dass der Angeklagte derartige Mengen an Marihuana konsumiert hat. Der forensische Toxikologe ist Experte, wenn es darum geht, Haarproben zu analysieren. In den Haaren des Angeklagten hätten sich zwar Spuren von THC, dem Wirkstoff von Marihuana, und Abbauprodukte von Kokain befunden. Es habe sich dabei aber um Werte gehandelt, „die vergleichsweise niedrig sind“. Während der Angeklagte täglich fünf Gramm und mehr geraucht haben will, geht der Sachverständige von „wenigen Konsumeinheiten pro Woche“aus. War das Rauschgift also doch zum Verkauf gedacht? Der Prozess wird fortgesetzt.
Auch in einer Sporttasche wurden zwei Beutel mit Rauschgift gefunden