Wie hoch ist das Ansteckungsrisiko im Freien?
Pandemie Forscher warnen davor, Außenbereiche als „Gefahrenzone aufzubauschen“
Berlin/München Seit Beginn der Pandemie wird bereits über die Frage diskutiert, wie groß die Ansteckungsgefahr eigentlich im Freien ist. Und immer wieder gab es große Aufregung, wenn eine Stadt eine Maskenpflicht auf öffentlichen Straßen oder Wegen verhängte.
Nun haben führende AerosolForscher aus Deutschland unmissverständlich klargemacht: „Wenn wir die Pandemie in den Griff bekommen wollen, müssen wir die Menschen sensibilisieren, dass DRINNEN die Gefahr lauert.“So heißt es in einem Brief an die Bundesregierung und an die Landesregierungen. Er hat erneut eine Debatte ausgelöst. Professor Christian Kähler, Strömungs- und Aerosolexperte
an der Universität der Bundeswehr München, erklärte am Dienstag: „Bleibt man draußen in Bewegung und achtet auf Abstände, spielt auch die direkte Infektion im Außenbereich keine Rolle. Lediglich wenn man lange dicht zusammensteht, wie an Bushaltestellen oder Warteschlangen, sind Abstände und gute Masken erforderlich.“
In dem Brief an Bundes- und Landesregierungen hatte es geheißen, dass Sars-CoV-2 fast ausnahmslos in Innenräumen übertragen werde. „Leider werden bis heute wesentliche Erkenntnisse unserer Forschungsarbeit nicht in praktisches Handeln übersetzt“, kritisierten die Verfasser. Sie forderten: In Wohnungen, Büros, Klassenräumen,
Wohnanlagen und Betreuungseinrichtungen müssten Maßnahmen ergriffen werden. In Innenräumen
finde schließlich auch dann eine Ansteckung statt, wenn man sich nicht direkt mit jemandem treffe, sich aber ein Infektiöser vorher in einem schlecht belüfteten Raum aufgehalten habe.
Es gilt als sicher, dass sich das Coronavirus vor allem über die Luft verbreitet. Das kann über die Tröpfchen geschehen, die beim Husten und Niesen entstehen und beim Gegenüber über die Schleimhäute aufgenommen werden. Oder über Aerosole, Gemische aus festen oder flüssigen Schwebeteilchen in der Luft, die Sars-CoV-2-Partikel enthalten. Sie sind definiert als Tröpfchenkerne, kleiner als fünf Mikrometer, und bleiben meist länger in der Luft als größere Tropfen, die rasch zu Boden sinken. AerosolTeilchen können Stunden bis Tage in der Luft schweben. Andere Infektionswege, etwa über Oberflächen, spielen eine deutlich geringere Rolle für das Infektionsgeschehen.
Aus Sicht der Aerosol-Forscher sind Debatten über den Aufenthalt in Biergärten, Joggen oder Radfahren kontraproduktiv. Dort geltende Anti-Corona-Maßnahmen seien eher symbolischer Natur. Im Freien seien Ansteckungen äußerst selten. Die Außenbereiche dürfen nicht „als Gefahrenzone aufgebauscht werden“, meint auch der Münchner Professor Christian Kähler. Stattdessen bestehe dringender Handlungsbedarf bei Innenräumen, mahnt er an.