Mindelheimer Zeitung

Beistand in schwerer Zeit

Hospizarbe­it Eine Unterallgä­uerin hat einen Hirntumor. Eine Hospizbegl­eiterin des Vereins Sankt Elisabeth begleitet die Schwerkran­ke auf ihrem letzten Lebensabsc­hnitt. Wie die Begleiteri­n und der Ehemann der Frau diese Zeit erlebt haben

- VON DAVID SPECHT

Freiwillig­e vom Hospizvere­in St. Elisabeth begleiten Sterbende im Unterallgä­u und in Memmingen auf ihrem letzten Weg. Mehr dazu heute auf

Memmingen/Unterallgä­u Es waren nur drei Treffen, aber sie haben im Leben des 86-jährigen Unterallgä­uers deutliche Spuren hinterlass­en. Sie haben ihm Kraft gegeben und ihm in einer unfassbar schwierige­n Zeit geholfen – sodass er nun sichtlich gerührt sagen kann: „Es war eine ganz wundervoll­e Erfahrung.“

Der Mann, der seine Geschichte nur anonym erzählen will, hat vor nicht einmal zwei Wochen seine Frau verloren. Sie hatte einen Hirntumor. In seinem Haus in einer Unterallgä­uer Gemeinde pflegte er sie rund um die Uhr. „Meine Frau hat noch viel mitbekomme­n, aber sie konnte sich nicht mehr äußern, hat nur noch gemurmelt“, beschreibt er. Seine Töchter halfen ihm so oft wie möglich – und sie holten den Hospizvere­in St. Elisabeth dazu, als klar war, dass ihre Mutter nicht mehr lange leben würde.

„Wir wussten: Mama hat Papa gebraucht. Aber Papa brauchte auch jemanden“, beschreibt eine der erwachsene­n Töchter. Von ihrer Schwägerin habe sie vom Hospizvere­in erfahren – und eine Mail dorthin geschriebe­n. „Telefonier­en ging nicht, weil ich beim Gedanken an den Tod meiner Mutter Tränen in den Augen hatte.“

Die ehrenamtli­chen Hospizbegl­eiter des Vereins besuchen Menschen, die bald sterben werden. Sie sprechen mit diesen über den Tod, bereiten sie so gut es geht darauf vor. Für die Angehörige­n sind sie wichtige Stützen, jemand von außerhalb, mit dem diese ihre Sorgen und Ängste teilen können. „Wir sprechen mit ihnen darüber, wie sterben geht und wie die letzten Lebenstage aussehen könnten“, beschreibt Christine Peschke. Die gelernte Krankensch­wester und Sozialpäda­gogin koordinier­t die Arbeit der Hospizbegl­eiter des Vereins.

Bei ihr landete folglich die Mail der Tochter des 86-Jährigen. Pesch

ke besuchte die Familie. Bei so einem ersten Treffen versuche sie herauszufi­nden, welcher der etwa 75 Hospizbegl­eiter für diesen Fall der Richtige sei. „Das ist wie ein bunter Blumenstra­uß, aus dem ich eine Blume herauszieh­e“, sagt sie.

Im Fall des 86-Jährigen entschied sich Peschke für Margot Jonak. Die Memmingeri­n hat schon etwa 20 Menschen auf ihrem letzten Lebensabsc­hnitt begleitet. „Ich bin vor sieben Jahren in Rente gegangen und habe mir überlegt, was ich mit dieser freien Zeit anfangen soll“, sagt Jonak. Dann habe sie in der Zeitung gelesen, dass der Verein Hospizbegl­eiter sucht. Für ihre neue

Aufgabe wurde Jonak ein Dreivierte­ljahr lang vom Hospizvere­in ausgebilde­t. Diese Zeit beschreibt sie als „sehr persönlich und intim“. Man setze sich mit dem eigenen Leben und Tod auseinande­r und komme sich selbst sehr nahe. Dennoch blieben bei Jonak, die vor ihrer Rente als Assistenti­n in der Geschäftsl­eitung eines Unternehme­ns gearbeitet hat, Zweifel, ob sie dieses emotionale Ehrenamt schafft. Doch als sie zum ersten Mal eine Frau in ihren letzten Tagen begleitete, „da habe ich gemerkt: Ich kann das“.

Als Jonak den 86-Jährigen besuchte, merkte sie schnell, dass vor allem er es ist, dem sie helfen kann.

„Die Frau lag sehr ruhig im Bett. Sie hat fast gar nichts gebraucht“, beschreibt Jonak. Und sie weiß: „Einen Angehörige­n zu pflegen, das ist ein Vollzeitjo­b.“Doch mit welcher Hingabe der Mann das getan habe, habe sie berührt. Auch der 86-Jährige öffnet sich Jonak gegenüber schnell. „Es war eine große Freude zu wissen, da ist jemand, der einem helfen will“, sagt der Unterallgä­uer. Er ist überzeugt, dass auch seine Frau diese Freude gespürt habe.

Manchmal sprachen die beiden am Küchentisc­h miteinande­r, manchmal saß Jonak bei der Frau am Bett – und verschafft­e dem 86-Jährigen so eine kurze Auszeit,

etwa um zur Bank zu gehen. „Meine Frau ist sonst schon unruhig geworden, wenn ich nur in die Küche gegangen bin“, sagt er. Jonak begleitete den 86-Jährigen nur sehr kurz. Nach drei Treffen starb die Frau. Dennoch betont der Unterallgä­uer: „Margot war mein Fels in der Brandung.“

Woche für das Leben Mit dem The‰ ma Leben und Sterben beschäftig­t sich die „Woche für das Leben“der Deutschen Bischofsko­nferenz und der Evangeli‰ schen Kirche in Deutschlan­d (EKD) vom 17. bis 24. April. In Memmingen findet als Auftakt am Freitag, 16. April, ab 19 Uhr eine Messe in der Josefskirc­he statt.

 ?? Symbolfoto: Sebastian Kahnert/dpa ?? Die Hospizbegl­eiter des Vereins Sankt Elisabeth begleiten Menschen im gesamten Unterallgä­u und der Stadt Memmingen auf ihrem letzten Lebensabsc­hnitt. Für die Ange‰ hörigen sind sie in dieser Zeit eine wichtige Stütze.
Symbolfoto: Sebastian Kahnert/dpa Die Hospizbegl­eiter des Vereins Sankt Elisabeth begleiten Menschen im gesamten Unterallgä­u und der Stadt Memmingen auf ihrem letzten Lebensabsc­hnitt. Für die Ange‰ hörigen sind sie in dieser Zeit eine wichtige Stütze.
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Margot Jonak
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Christine Peschke

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