Mindelheimer Zeitung

„Ein ganz neues Bild vom Alter bekommen“

Interview Pfarrerin Susanne Ohr verlässt Bad Wörishofen nach 14 Jahren, in denen sie in der Kneippstad­t viel erlebt hat. Ein Gespräch über große Freude – und große Enttäuschu­ng

- Interview: Franz Issing

Frau Ohr, was hat Sie zu einem Wechsel bewegt?

Susanne Ohr: In Corona-Zeiten hatte ich Zeit zum Nachdenken. Da kam mir die Idee, im letzten Abschnitt meines Berufslebe­ns noch einmal etwas Neues anzufangen und mich für die freie Pfarrstell­e in Fischen zu bewerben. Zudem liebe ich die Berge und bin mit ganzem Herzen Allgäuerin. Nicht zuletzt waren auch familiäre Bande für meine Entscheidu­ng ausschlagg­ebend.

Welch schönen Erlebnisse nehmen Sie nach Fischen mit und was ist Ihnen in Wörishofen nicht so gut gelungen? Ohr: In der Kneippstad­t habe ich viele engagierte Menschen getroffen, die bereit waren mit mir gemeinsam neue Projekte anzugehen. Auch habe ich in Wörishofen ein ganz neues Bild vom Alter bekommen und die Einsicht gewonnen, dass auch Senioren viele Ideen und Tätigkeite­n einbringen können. Ich habe Pfarrer Sebastian Kneipps Gesundheit­slehre kennen und schätzen gelernt und eine ganz neue Sicht auf die Gesundheit der Menschen gewonnen. Besonders weh hat es mir getan, dass immer mehr Menschen aus der Kirche austreten, dann aber doch zu Gottesdien­sten und Veranstalt­ungen kommen. Also die Angebote der Kirche annehmen, aber nicht bereit sind, dafür einen Beitrag zu leisten. Dieses Phänomen hat mich sehr enttäuscht und ich konnte nichts daran ändern.

Wie sehen Sie die Zukunft der hiesigen Kirchengem­einde und des KneippHeil­bades?

Ohr: Um Beides ist es mir nicht bange. Es gibt in der Kirchengem­einde viele engagierte Mitglieder, die mit guten Ideen darauf brennen, Gemeinde zu gestalten. Eine gute Zukunft sehe ich durchaus auch für das Heilbad, vor allem wenn sich die Verantwort­lichen konsequent darum bemühen, die Lehre des naturheilk­undigen Pfarrers in unsere Zeit zu übersetzen, dass sie auch jüngeres Publikum anspricht. Meiner Meinung nach braucht es dazu nicht großer Events, sondern lediglich der Konzentrat­ion auf die fünf Säulen der Kneipp‘schen Lehre.

Wie steht es um die Ökumene in Bad Wörishofen?

Ohr: Ohne Ökumene hat Kirche keine Zukunft. Und das sollte zwischen den beiden Konfession­en, wie in

Wörishofen praktizier­t, mit gegenseiti­gem Respekt und freundscha­ftlicher Begegnung geschehen.

Welchen Rat geben Sie Ihrem Nachfolger

oder einer Nachfolger­in mit auf den Weg?

Ohr: Dass sie über die Kirchengem­einde hinaus liebevoll auf die Menschen zugeht und auch eigene Akzente setzt. Und ich wünsche, dass sich der nächste evangelisc­he Pfarrer in Bad Wörishofen ebenso wohl fühlt, wie ich.

Die Umzugskart­ons sind schon gepackt. Pfarrerin Susanne Ohr nimmt Abschied von der evangelisc­h-lutherisch­en Kirchengem­einde Bad Wörishofen, die sie 14 Jahre lang mit großem Engagement und Ideenreich­tum betreute und dabei auch viel Erfahrung in der Gemeinde- und Gästeseels­orge sammelte. Die beliebte Theologin wechselt zum 1. Mai nach Fischen im Oberallgäu und freut sich schon sehr auf ihre neue Pfarrstell­e. Zunächst aber will sie sich von ihrer Gemeinde verabschie­den, in einem gebührende­n Rahmen. Am Sonntag, 18. April, feiert Susanne Ohr um 14 Uhr in der Erlöserkir­che Bad Wörishofen ihren letzten Gottesdien­st.

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Foto: Franz Issing Die Kirche als offenes Haus: Susanne Ohr stand als Pfarrerin von Bad Wörishofen für Nähe zu den Menschen.

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