Meister dank Paragraf 93
Fußball Lange hat der Verband gehofft, die unterbrochene Saison zu Ende spielen zu können. Doch nun sorgt eine Verlängerung des Lockdowns für den Saisonabbruch. Was das für die Unterallgäuer Vereine bedeutet
Mindelheim Nein, eine Meisterfeier haben sie beim TSV Mindelheim noch nicht geplant. Natürlich wegen der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Einschränkungen. Und auch deshalb, weil doch noch ein kleiner Restzweifel bleibt. „Theoretisch sind wir damit nun durch“, sagt Benedikt Deigendesch zur Ankündigung des Bayerischen Fußballverbands (BFV), die Saison 2019/21 nun doch abzubrechen.
Doch der Trainer des Kreisligaspitzenreiters TSV Mindelheim, dessen Reservemannschaft in der B-Klasse Allgäu 8 übrigens auch den ersten Platz belegt, traut der ganzen Sache noch nicht so ganz. Dabei scheint die Sache klar: Weil das bayerische Kabinett am Dienstag beschlossen hat, die Infektionsschutzmaßnahmenverordnung bis einschließlich 9. Mai zu verlängern, macht der BFV seine Ankündigung wahr. Wenn bis spätestens 3. Mai kein flächendeckender und uneingeschränkter Trainingsbetrieb im Freistaat möglich ist, werde man die Saison abbrechen müssen. Die noch ausstehenden Meisterschaftsspiele könnten dann nicht mehr bis zum Ende des Spieljahrs, also bis 30. Juni, ausgetragen werden (MZ berichtete).
Geregelt wird die Berechnung der Tabellen sowie Auf- und Abstieg mit Paragraf 93 der Spielordnung. Diesen hatte der BFV im August 2020 installiert. Der sogenannte „Abbruch-Paragraf“sieht vor, dass im Fall eines Saisonabbruchs eine Wertung für Auf- und Abstieg nach der Quotienten-Regelung erfolgt. Relegationsspiele fielen weg. Doch dagegen regt sich nun Widerstand (siehe nebenstehender Bericht). Der BFV verweist in einer Pressemitteilung
darauf, dass die aktuelle Corona-Situation es nicht zulasse, die Spielzeit in den allermeisten Ligen ordnungsgemäß zu Ende zu führen, und ein Abbruch der Verbandsspielklassen unvermeidlich erscheint. Aus formalen Gründen könne ein formeller Beschluss zum Abbruch jedoch noch nicht getroffen werden.
Schließlich gebe es noch die theoretische Chance, dass es nach dem 9. Mai doch Lockerungen geben könnte, die zumindest noch einzelne Spieltage ermöglichten. „Schon ein Spiel könnte die Quotienten und damit das Tabellenbild verändern. Aber all das funktioniert natürlich nur, wenn wir allen Vereinen vor etwaigen Spielen eine adäquate und einheitliche Vorbereitungszeit von mehreren Wochen einräumen können. Mit dem heutigen Tage ist das zwar höchst hypothetisch und unwahrscheinlich, formell aber leider nicht in Gänze auszuschließen“, wird BFV-Vizepräsident Reinhold Baier in einer Pressemitteilung zitiert.
Bevor der BFV-Vorstand also über einen Abbruch der Saison entscheidet, sollen alle bayerischen Fußballvereine zu ihrer Meinung zum Saisonabbruch befragt werden. Vor allem die Frage nach Quotientenregel und Absteigern dürften dann heiß diskutiert werden. Wann dieses Meinungsbild eingeholt wird, steht noch nicht fest.
In den meisten heimischen Ligen würde sich am Tabellenbild nichts ändern: Sämtliche aktuellen Spitzenreiter werden nach der Quotientenregel auch oben bleiben und steigen demnach als Meister auf. Einzig in der Kreisklasse Allgäu 1 musste genauer hingesehen werden. Hier waren zum Zeitpunkt der Unterbrechung der SV Memmingerberg und der SV Steinheim punktgleich (und mit gleicher Anzahl an absolvierten Spielen). Gemäß der Spielordnung wird nun der direkte Vergleich angewendet – und der spricht für den SV Memmingerberg (3:0, 1:1).
In der A-Klasse Allgäu 5 jedoch wird es problematisch. Hier führt der BFV noch den FC Thingau als Tabellenführer vor dem FC Biessenhofen-Ebenhofen. Da jedoch die SpVgg Kaufbeuren ihre zweite Mannschaft während des Spieljahrs abgemeldet hat, fallen deren Partien aus der Wertung. Plötzlich steht nach der neuerlichen Rechnung der FC Biessenhofen-Ebenhofen vorn – mit 0,02 Punkten Vorsprung. „Die Quotientenregel führt schon zu manchen seltsamen Konstellationen“, sagt Polykarp Platzer. Der Unterallgäuer Spielgruppenleiter hält den Saisonabbruch nach Paragraf 93 dennoch für sinnvoll. „Wir kriegen die ausstehenden Spiele nicht mehr unter bis Ende Juni.“Was der BFV von den Vereinen nun noch abfragen will, weiß er nicht: „Ich denke, der BFV will einfach ein positives Stimmungsbild einholen.“Als Abstimmung sieht er die Ankündigung, die Vereine befragen zu wollen, nicht: „Worüber soll denn abgestimmt werden? Die Statuten sind dahingehend geändert worden, wie im Fall eines Abbruchs gewertet wird“, sagt Platzer. „Eine wirklich faire Entscheidung wirst du bei einem Saisonabbruch nicht kriegen. Aber es sollte jedem klar sein, dass es sich um eine Notsituation handelt. Deswegen ist es die beste Lösung.“Der Weg des BFV, die Saison 2019/20 nicht abgebrochen, sondern nur unterbrochen zu haben, sei richtig gewesen.
Das sieht auch Karl Kögel so. Der
Trainer des TSV Kirchheim „steht voll und ganz hinter der BFV-Entscheidung“. Viele Verbände, die ihre Spielzeit im vergangenen Jahr abgebrochen und im Herbst eine neue Saison gestartet haben, stünden nun wieder vor dem gleichen Problem. „Der BFV hat im Prinzip nur eine Saison zerschossen. Der
Weg war der vernünftigere“, so Kögel. Dass der TSV Kirchheim nun als Meister der Kreisklasse Allgäu 2 feststehen dürfte, sei für ihn kein Makel. „Wenn man sich die Punkte und das Torverhältnis anschaut, dann ist das keine minderwertige Meisterschaft.“
Das sehen auch andere Meistertrainer so. Florian Huber vom SV Oberrieden freut sich über den Titel seiner Mannschaft in der A-Klasse Allgäu 2. „Mir wäre zwar lieber gewesen, man hätte die Saison zu Ende gespielt, aber der Titel ist eindeutig. Meine Mannschaft hätte schon alles verlernen müssen, damit wir das noch aus der Hand gegeben hätten.“
Benedikt Deigendesch und der TSV Mindelheim haben, wie eingangs erwähnt, gleich doppelt Grund zur Freude. Denn die erste Mannschaft in der Kreisliga Mitte und die Reserve in der B-Klasse 8 stehen bei einem Saisonabbruch auf Platz eins.
„Für uns ist es natürlich gut, dass es so entschieden wurde“, sagt Deigendesch. „Ich bin ehrlich: Wir hätten in der Kreisliga noch einige harte Brocken gehabt. Trotz der fünf Punkte Vorsprung hätte sich das Tabellenbild noch ändern können“, sagt er. „Wer weiß, ob wir den guten Lauf fortgesetzt hätten“, sagt Deigendesch, der sich in der vergangenen Woche mit dem TSV Mindelheim auf eine weitere Zusammenarbeit verständigt hat – und in der neuen Saison wohl Bezirksligatrainer ist.
Für die zweite Mannschaft, die gleich im ersten Jahr ihres Wiedereinstiegs in den Spielbetrieb unter Trainer Marco La Spina ihr Meisterstück macht, freut sich Deigendesch besonders. „Unser Ziel war, die zweite Mannschaft nach oben zu bringen. Dass es nun gleich im ersten Jahr klappt, ist super – und wichtig für die jungen Spieler.“
Doch es gibt auch andere Stimmen zum Saisonabbruch. So sagt Al
fred Schomanek, Abteilungsleiter des SC Eppishausen, dass er den Saisonabbruch zwar nachvollziehen kann („Man kann es nicht noch einmal hinauszögern.“). Es sei aber schade, dass der SC Eppishausen nun als Letzter aus der Kreisklasse Allgäu 2 absteigen muss und damit Leidtragender des Saisonabbruchs ist.
„Vielleicht wären wir drin geblieben, wenn nur ein Spiel mehr gespielt worden wäre“, sagt er. „Die Chance, es hinzubiegen, wäre da gewesen, weil unsere verletzten Spieler wieder fit sind“, sagt er. „Ich finde es nicht richtig, dass es in dieser Situation Absteiger geben muss.“Trotzdem richtet sich sein Blick nach vorn: „Unser Ziel ist der Wiederaufstieg“, sagt Schomanek. „Das gehen wir an – wenn wieder gespielt werden kann.“
„Eine wirklich faire Entscheidung gibt es bei einem Abbruch nicht. Es ist eben eine Notsituation.“
Polykarp Platzer, Spielgruppenleiter
„Vielleicht wären wir drin geblieben, wenn nur ein Spiel mehr gespielt worden wäre.“
Alfred Schomanek, SC Eppishausen