Beim Güllefahren ist das Tablet immer dabei
Landwirtschaft Seit knapp einem Jahr gilt die neue Düngeverordnung. Was das für die Landwirte im Unterallgäu bedeutet und was sie machen, wenn der Stickstoff-Grenzwert erreicht ist
Unterallgäu Etwa 100 Kühe stehen im Stall der Familie Weinhardt in der Nähe von Ottobeuren. Betriebsleiter Stefan und sein Sohn Thomas, ein frischgebackener Landwirtschaftsmeister, ziehen zudem 80 Stück Jungvieh auf. Im Stall fressen die Tiere Silage, Kraftfutter und Gras. Die Hinterlassenschaften der Tiere nutzen die beiden Landwirte, um ihre Felder und Äcker zu düngen. So wie es Bauern eben machen.
Aber so einfach wie in der Vergangenheit ist das nun nicht mehr. Denn seit einem Jahr gilt in Deutschland die neue Düngeverordnung. Diese soll verhindern, dass Landwirte zu viel düngen, die Pflanzen deshalb den Stickstoff der Gülle nicht vollständig aufnehmen können – und dieser als Nitrat ins Grundwasser sickert. Für die Landwirte bedeutet das, sie müssen das Güllefahren genau dokumentieren. Wenn Thomas Weinhardt auf seinen Traktor steigt und mit dem Güllefass über die Felder fährt, hängt deshalb inzwischen ein Tablet an einer Halterung an der Wand der Fahrerkabine. Per GPS erfasst er, auf welchen Feldern er unterwegs ist. Mit wenigen Klicks ergänzt er, wie viel Gülle er ausgebracht hat.
„Als klar war, dass die Dokumentationspflicht kommt, habe ich mir überlegt, wie ich das mache“, sagt der junge Landwirt. Die Daten abends nach Feierabend nachzutragen, kam für ihn nicht infrage. „Papierkram wollte ich auf dem Bulldog aber auch keinen.“Daher entschied er sich, eine App zu verwenden – auch wenn für diese eine Nutzungsgebühr anfällt.
Die Daten aus seiner App muss Weinhardt im Frühjahr, bevor er das erste Mal Gülle ausfährt, in eine Düngebedarfsermittlung übertragen. In dieser muss er zudem angeben, an wie vielen Tagen Tiere draußen geweidet haben, wann genau er im kommenden Jahr vorhat, Gülle auf seinen Flächen auszubringen, und wie er seine Flächen bewirtschaften wird. Was Thomas Weinhardt mit technischer Hilfe mit überAufwand schafft, stellt gerade ältere Landwirte vor Probleme. Viele lassen das Formular deshalb gegen eine Gebühr von Dienstleistern wie Maschinenring oder Bauernverband ausfüllen.
Ausbringen dürfen die Unterallgäuer Landwirte maximal 170 Kilogramm Stickstoff pro Hektar. „Mit dem Grenzwert haben schon viele zu kämpfen – ich auch“, sagt der Unterallgäuer Kreisobmann Martin Schorer.
In der Region hätten in der Vergangenheit einige Landwirte mehr Stickstoff ausgebracht – das vertrage der Boden aber auch, ist er überzeugt. Denn das Unterallgäu sei im Vergleich zu anderen Regionen Deutschlands sehr nass, die Landwirte können ihre Wiesen fünf- bis sechsmal im Jahr mähen und entziehen dem Boden so mehr Stickstoff als das in trockeneren Gebieten möglich sei. In der Region wäre eine Menge von 230 bis 250 Kilogramm Stickstoff sinnvoll, findet Schorer.
Eine Besonderheit im Unterallgäu ist nicht nur der Boden, sondern auch die Tierhaltung. In einem der inderreichsten Landkreise Deutschlands entsteht folglich viel Gülle. Wenn nun ein Landwirt den Wert von 170 Kilogramm Stickstoff pro Hektar auf seinen Flächen erreicht, muss er weitere Flächen zupachten – „man pachtet gerade nur noch für die Gülle“, sagt Stefan Weinhardt – oder seine Gülle auf einer Fläche eines anderen Landwirts ausbringen, die noch unschaubarem ter dem Grenzwert liegt. Einfach ist beides nicht: „Der Flächendruck ist riesig“, sagt Schorer. Stefan und Thomas Weinhardt fahren die Gülle ihres Hofs mittlerweile auf einen etwa 25 Kilometer entfernten Acker.
Andere Landwirte haben diese Möglichkeit nicht. „Es gibt bei uns nur wenige Flächen, wo man noch Gülle ausbringen kann“, sagt Peter Christmann, Geschäftsführer des Unterallgäuer Maschinenrings. Die Düngeverordnung werde dazu führen, dass „an Standorten wie hier der Viehbestand reguliert werden muss“. Da die Landwirte im Allgäu ihre Tiere jedoch mit eigenem Futter ernähren, werde das zu einem Futterüberschuss führen, folgert Christmann.
Eine andere Ausgangslage haben die Bio-Bauern. Die Düngeverordnung gilt auch für sie, allerdings dürfen sie nach Öko-Richtlinien ohnehin nur eine festgelegte Anzahl an Tieren pro Fläche halten. So schreibt etwa der Verband Bioland eine Obergrenze von zwei Milchkühen pro Hektar vor. „Das entspricht grob der Stickstoffgrenze“, sagt Dr. Günter Räder von der Bioland Geschäftsstelle in Kempten.
Die meisten Landwirte bewegten sich im Bereich von 150 Kilogramm Stickstoff pro Hektar. „Mir ist keiner bekannt, der über dem Grenzwert liegt.“Dass die Unterallgäuer Böden mehr Stickstoff vertragen können, hält Räder für möglich. Er betont aber: „Wir stehen dahinter, den Stickstoffeintrag ins Grundwasser endlich in den Griff zu bekommen.“Auch wenn die Umsetzung für die Betriebe sicherlich frustrierend sei.
Der Boden in der Region verträgt mehr Stickstoff