Impfpriorisierung soll spätestens im Juni fallen
Corona Entscheidung über Ausnahmen für Geimpfte und Genesene für Ende Mai geplant
Berlin Trotz erheblich gesteigerter Verfügbarkeit der Impfstoffe hält Deutschland in den nächsten Wochen an der Impfreihenfolge fest. Das kündigte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach Beratungen mit den Regierungschefs der Länder am Montagabend an. Ältere und chronisch Kranke haben bei der Impfung gegen das Corona-Virus weiter Priorität. Spätestens ab Juni, so Merkel, soll dann die Priorisierung aufgegeben werden. Dann könne sich „jeder um einen Impftermin bemühen“, so die Kanzlerin.
In der Runde mit den Ländern hatte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) für ein früheres Aus der Reihenfolge geworben. „Nach der Notbremse braucht es Vollgas für das Impfen“, sagte Söder im Anschluss an die dreistündigen Beratungen. Der CSU-Vorsitzende schlug vor, bei der Impfkampagne einen anderen Weg einzuschlagen. Betriebsärzte sollten so schnell wie möglich ganzen Belegschaften die schützenden Spritzen verabreichen, die Hausärzte Eltern von Kindern. Gerade unter Kindern und Jugendlichen hatten sich die Erreger in den letzten Wochen rasch ausgebreitet, die dann zu Hause ihre Eltern anstecken.
Laut Merkel werden die Betriebsärzte aber frühestens im Juni flächendeckend beginnen, die Mitarbeiter zu impfen. Bisher passiert das nur in Ausnahmefällen. Auf Söders Vorstoß, Familien besser gegen Corona zu schützen, ging die Kanzlerin nicht ein. Gegen das rasche Aufheben der Impfreihenfolge stellte sich auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil. „Wie vieles andere auch hängt die Aufhebung der Impfpriorisierung ab von der Menge an Impfstoff, die zur Verfügung stehen wird“, sagte der SPD-Politiker unserer Redaktion.
Das zweite entscheidende Thema der Ministerpräsidentenkonferenz mit der Bundesregierung war neben der Impfreihenfolge die Lockerung der harten Corona-Einschränkungen für doppelt Geimpfte und Genesene. Zunächst ist vorgesehen, dass der eiserne Corona-Griff für die Geschützten leicht gelöst wird. Grundlage dafür ist ein Eckpunktepapier des Bundesjustizministeriums, das zügig und gegebenenfalls mit Änderungen in eine Verordnung gegossen werden soll. Am 28. Mai könnte der Bundesrat laut Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die finale Entscheidung darüber fällen.
Geimpfte, die beide Spritzen mit dem Corona-Serum erhalten haben, und Genesene werden sich dann nach der Rückkehr von Reisen aus dem Ausland in den meisten Fällen nicht mehr in Quarantäne begeben müssen. Die Regel soll nicht gelten, wenn sie aus Ländern kommen, in denen sich hochansteckende Mutationen breitmachen. Die Menschen, von denen keine Gefahr einer Ansteckung mehr ausgeht, werden nach dem Willen von Bund und Ländern auch keinen negativen Corona-Test
Von der Leyen: USTouristen ab Sommer willkommen
mehr vorlegen müssen, wenn sie zum Friseur oder zum Einkaufen gehen. Als Nachweis dient der Impfausweis oder ein positiver Labortest (PCR). Die Bundesregierung geht davon aus, dass die Reaktion des Immunsystems mindestens ein halbes Jahr lang schützt. Der PCR-Test muss älter als 28 Tage sein. Nach diesem Zeitraum gelten Infizierte nicht mehr als ansteckend.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat auch Amerikanern derweil Hoffnung auf baldige Reisen nach Europa gemacht. Vollständig geimpfte US-Bürger könnten vermutlich schon in diesem Sommer wieder Europa besuchen, betonte sie in der New York Times. Aktuell diskutieren die EU-Mitgliedsländer über die Einführung eines EU-Impfpasses.
Brüssel Griechenland, Kroatien und etliche andere sind schon vorgeprescht. Wer den vollen Impfschutz hat oder eine Covid-19-Infektion überstanden hat, darf bereits jetzt ohne Test und Quarantäne einreisen und sich an den Stränden tummeln. Die meisten anderen warten noch – vor allem auf den grünen Impfpass, den die EU seit Wochen vorbereitet.
Die Union arbeitet an einem fälschungssicheren QR-Code, der in der dazugehörigen App nur wenige Informationen speichert: Namen, Impfstoff und Impfdatum des Inhabers plus einer digitalen Signatur. Wer diesen Code auf seinem Mobiltelefon, seinem Pad oder ausgedruckt auf Papier vorweisen kann, dem sollen sich zunächst innerhalb der Union die Grenzen wieder öffnen. Grenzbeamte, Airlines, Hotels, Restaurants und andere Anbieter können dann per Scan den Gesundheitsstatus der Person auslesen, ohne dass dabei Datenschutz-Standards verletzt werden.
Als Start gibt die EU-Kommission den 1. Juni 2021 an, andere sprechen von Ende Juni. Die kleine Ungenauigkeit hat ihren Grund: In Brüssel weiß man, dass es nicht nur darum gehen darf, Personen mit vollem Impfschutz ihre Rechte wiederzugeben. Auch der FairnessGrundsatz soll beachtet werden. Das heißt: Der Impfpass kann erst dann kommen, wenn alle die Chance hatten, eine Impfung zu bekommen.
Erst in der Vorwoche hat Kommissionschefin Ursula von der Leyen betont, angesichts des immer breiteren Stroms an zur Verfügung stehenden Impfstoffen – ein neuer Vertrag über 1,8 Milliarden Dosen mit Biontech/Pfizer steht wohl kurz vor dem Abschluss – könne das gesteckte Ziel früher als bisher erwartet werden: Demnach wäre es nämlich schon bis Juli möglich, 70 Prozent aller Erwachsenen in der Union ein Impfangebot zu machen. Wer nicht geimpft werden möchte, dürfte dann natürlich trotzdem reisen, muss aber die Auflagen der Mitgliedstaaten akzeptieren: Dann werden Tests und in den meisten Ländern auch Quarantäne-Zeiten fällig.
Die EU-Kommission baut derzeit die technische Infrastruktur auf, denn das Zertifikat selbst bleibt Sache der Mitgliedstaaten. Die Codes werden in allen EU-Ländern nach den gleichen Maßstäben bereitgestellt, sodass sie überall gelesen werden können. Allein in der Bundesrepublik müssen 40 Impfzentren und rund 55000 Praxen angeschlossen werden, um den Code zu generieren und dann digital der geimpften Person zur Verfügung zu stellen. Nach der Einführung soll dies parallel zum Piks geschehen. Wer bis dahin bereits geimpft ist, kann sich nachträglich seinen Code beim Arzt oder in den Impfzentralen abholen.
In Brüssel würde man das digitale Dokument gerne als Türöffner verstehen, der Einkaufen, Restaurantund Theater-Besuche, Hotel-Aufenthalte, Flüge oder Bahnreisen möglich macht. Doch diese Details sollen die Mitgliedstaaten festlegen und dabei zugleich bestimmen, ob jedes Unternehmen und jeder Betrieb das Recht hat, den QR-Code auszulesen – zumal in Deutschland geplant ist, den grünen Impfpass der EU im 2022 Jahr mit der Gesundheitskarte zu verschmelzen.
Offen ist, wie lange ein Impf-Zertifikat seine Gültigkeit behält. Bisher geht man in Brüssel von rund sechs Monaten aus. Ob diese Frist auch verlängert werden kann, müssen die Mediziner beantworten. Denn das hängt allein davon ab, wie lange der Impfschutz anhält.
Wann der Pass startet, ist noch nicht klar