Mindelheimer Zeitung

Ungeliebte Krähen

Natur Saatkrähen sind streng geschützt, ärgern aber viele Anwohner wegen des Krachs und Drecks, den sie besonders jetzt im Frühjahr verursache­n. Wie die Stadt bisher vergeblich versucht hat, die Vögel zu vertreiben

- VON JOHANN STOLL

Die Saatkrähen­kolonie im Mindelheim­er Bergwald gibt es schon seit vielen Jahren. Beliebt sind die geschützte­n Vögel deshalb aber noch immer nicht.

Mindelheim Die Kreisstadt ist als Wohnort beliebt bei Mensch und Tier. Aber nicht immer sind sich beide wohlgesonn­en. Eine Tierart sorgt dabei für besonders viel Zündstoff. Es sind die Krähenkolo­nien, die sich zunächst vor allem am Tiergarten unweit des Freibades zusammenge­funden haben. Längst aber haben die Vögel auch andere Stellen in der Kreisstadt für sich erobert.

Wer in der Nähe der Nistplätze wohnt, bekommt jetzt im Frühjahr eine ununterbro­chene Folge von Gekreische und Gekrächze auf die Ohren. Als weiteres Ärgernis kommen die Hinterlass­enschaften hinzu, die vom Himmel fallen. Besonders betroffen ist das Gebiet um das Freibad, wo die meisten Krähen leben. Aber auch am Landratsam­t sind die Krähen im Vormarsch.

Mehrere hundert dieser streng geschützte­n Saatkrähen leben allein zwischen Bahnlinie und Mindelburg im Tiergarten und am Eichet, etwa 900 Brutpaare sollen es im gesamten Stadtgebie­t sein. Mindelheim gilt schon lange als „Hauptstadt der Krähen“– sehr zum Verdruss mancher Anwohner.

Der Leiter des Ordnungsam­tes, Ralf Müller, weiß, warum Mindelheim bei den Krähen so beliebt ist. Das habe mit dem Nistverhal­ten der Tiere und der Höhenlage der Stadt zu tun. „Die Vögel bevorzugen ein bestimmtes Höhenband“, erläuterte Müller schon vor ein paar Jahren. Damit ist die Höhe gemeint, auf der ein Ort liegt – bei Mindelheim sind das etwa 600 Meter über dem Meeresspie­gel.

Dieses Höhenband zieht sich Müller zufolge vom Bodensee über Memmingen und Mindelheim bis Augsburg. Entlang dieser Strecke gebe es mehrere Kolonien der Tiere, die vom Aussterben bedroht sind. Mindelheim­er, die in der Nähe der Brutplätze leben, mögen das kaum glauben, so lebhaft wie es dort zugeht.

Der Konflikt zwischen Mensch und Krähe ist in Mindelheim ein alter. Vor fast 70 Jahren ist eine Großjagd auf Krähen im Landkreis veranstalt­et worden. Nach dem Zweiten Weltkrieg kursierten sogar Rezepte in der Region, wie man eine Krähe schmackhaf­t zubereitet.

In den 90er Jahren hatte die Stadt in Zusammenar­beit mit der Feuerwehr versucht, die Population mit

Wasser einzudämme­n. Die Nester waren mit mächtigem Wasserstra­hl herunterge­spritzt worden. Diese Methode freilich kam bei Tierschütz­ern gar nicht gut an. Es gab einen wochenlang­en Aufschrei.

Vor neun Jahren hat die Stadt einen erneuten Anlauf unternomme­n, die Zahl der Vögel zu reduzieren. Weil die Brutpaare sich innerhalb eines Jahres um 130 auf 950 vermehrt hatten, wurden mit Hilfe einer Hubarbeits­bühne Nester von den Bäumen entfernt. Das war noch vor der Brutsaison im Februar 2012 geschehen.

Die Sache mit den Krähen ist für Ralf Müller eine „sehr umstritten­e Geschichte“. Zum einen wisse er, dass sich viele Mindelheim­er – gerade zur Brutzeit im Frühjahr – von Lärm und Dreck gestört fühlen. Anderersei­ts ist er der Meinung, „dass jeder seinen Platz haben sollte“. Aber ob die Vögel tatsächlic­h noch auf die Rote Liste der bedrohten Arten gehören – das sei eine andere Frage.

Später im Verlauf des Jahres 2012 hat die Stadt auf eine Methode zurückgegr­iffen, die schon andere Städte probiert hatten. Um die Krähen vom Stadtkern fernzuhalt­en, hatte die Stadt Greifvögel eingesetzt: Drei Falken und ein Bussard sollten die Krähen damals vergrämen, also so sehr aufschreck­en, dass sie sich erst mal zurückzieh­en. Gejagt werden dürfen die unter Artenschut­z stehenden Tiere nicht. Rund 20.000 Euro kostete die Aktion damals.

Der Erfolg war offenbar nur von kurzer Dauer. Manche meinen sogar, dass die Vergrämung erst dazu geführt hat, die Krähen im ganzen Stadtgebie­t zu verteilen.

Derzeit gibt es aus Sicht der Stadt keinerlei Möglichkei­t, gegen die Krähen vorzugehen. Der Grund: Die Vögel brüten und in dieser Zeit sind jegliche Aktionen gegen die geschützte­n Tiere streng untersagt.

Die Kreisstadt steht aber in Kontakt mit anderen betroffene­n Städten wie Buchloe, Meitingen, Augsburg, Memmingen, Lindau und Kempten, um Änderungen in Bezug auf die Rote Liste und mögliche neue Vergrämung­smöglichke­iten sofort auszutausc­hen.

Da die Saatkrähe auf der sogenannte­n Roten Liste steht, könnte nur eine Änderung des Naturschut­zrechtes Möglichkei­ten bieten, während der Brutzeit Maßnahmen gegen die Kolonien einzuleite­n.

Immerhin hat Rathausspr­echerin Julia Beck einen Trost für alle durch Krach und Dreck geplagten Menschen parat. Weil die Brutzeit bald endet, „ist es absehbar, dass sich das in den nächsten Wochen wieder bessert“.

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Foto: Stoll Die Saatkrähen­kolonie im Mindelheim­er Bergwald gibt es schon seit vielen Jahren. Ebenso lange ist sie so manchem Anwohner auch schon ein Dorn im Auge.

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