Aus dem Sport in die Politik
Hintergrund Wechsel aus dem Sport in die Politik sind selten. Bei den kommenden Wahlen versuchen zwei Neulinge ihr Glück
Die Trainingshalle gegen den Plenarsaal eintauschen? Dass Sportler eine Karriere in der Politik starten, kommt eher selten vor. Eine ehemalige Schwimmerin und eine Eisschnellläuferin versuchen es in diesem Jahr.
Augsburg Wenn Claudia Pechstein etwas in ihrem Leben gelernt hat, dann ist es Beharrlichkeit. Jahrelang kämpfte sie verbissen um Wiedergutmachung für eine Dopingsperre, die ihres Erachtens unberechtigt gewesen war. Mit knapp 50 Jahren ist sie noch immer eine der besten Eisschnellläuferinnen Deutschlands und peilt im kommenden Februar die Teilnahme an ihren achten Olympischen Spiele an. Das sagt zum einen etwas über den Zustand des deutschen Eisschnelllaufs aus, zum anderen aber eben auch über die Qualitäten dieser Frau. Sie hat einfach nie aufgegeben.
Trotzdem dürfte ihre sportliche Karriere nicht mehr allzu lange dauern, denn selbst ihr Körper unterliegt dem Wandel der Zeit. Vielleicht auch deshalb bastelt sie nun an der Karriere danach. Pechstein zieht es in die Politik. Und wie es sich für eine fünfmalige Olympiasiegerin gehört, soll es gleich der Bundestag sein. Für die CDU kandidiert sie im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick, ließ die Partei vor ein paar Tagen wissen und setzte sie auf Platz sechs der Landesliste. Die Chancen stehen damit einigermaßen gut, dass Pechstein im September in den Bundestag einzieht. „Meine sportlichen Erfolge und Titel habe ich nicht nur für mich erkämpft, sondern auch für Deutschland und meine Heimatstadt Berlin. Nicht immer waren die Bedingungen für Bestleistungen ideal, deshalb habe ich nicht selten Kritik geübt“, sagte Pechstein der Berliner Morgenpost. Jetzt biete sich ihr die Chance, nicht nur zu kritisieren, sondern auch mitzugestalten.
Eine Nummer kleiner startet ExSchwimmerin Antje Buschschulte ihre politische Laufbahn. Die 42-Jährige kandidiert für den Einzug in das Landesparlament von Sachsen-Anhalt. Die einstige Weltmeisterin ist mit Helge Meeuw liiert (ebenfalls ein ehemaliger Schwimmer), dreifache Mutter und promovierte Biologin. Für die Grünen steht sie auf Listenplatz neun und darf sich ebenfalls Hoffnungen auf ein Mandat machen. Gewählt wird in Sachsen-Anhalt am 6. Juni. Der taz sagte sie, gefragt nach ihren Beweggründen: „Ich bin bei den Grünen eingetreten, weil ich nach der Thüringer Landtagswahl gesehen habe, dass das mit der AfD kein Ausrutscher ist. Ich dachte mir: Das kann nicht sein.“
Pechstein und Buschschulte sind zwei Beispiele für erfolgreiche Sportler, die es nach ihrer aktiven Karriere in die Politik zieht. Ein Vorreiter diesbezüglich ist der ehemalige Weltklasseturner Eberhard Gienger. Nach dem 69-Jährigen ist der Gienger-Salto, ein Flugelement am Reck, benannt. An seinem Lieblingsgerät wurde er dreimal Europameister, 1974 Weltmeister und gewann 1976 Olympia-Bronze. Seit 2002 sitzt er für die CDU im Bundestag. In der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist Gienger sportpolitischer Sprecher, wird aber in diesem Jahr nicht mehr zur Wahl antreten. Denn er weiß: „Wahlkampf ist Leistungssport.“
Bernd Heynemann, 67, schaffte es zwar nicht als Sportler zu großen Erfolgen, dafür aber als FußballSchiedsrichter. Er pfiff erst in der ehemaligen DDR, später dann in der Bundesliga, bei Welt- und Europameisterschaften. Über Freunde landete er 1997 bei der CDU und zwei Jahre später mit einem Spitzenergebnis im Magistrat seiner Heimatstadt Magdeburg. Von 2002 bis 2009 war er Mitglied des Bundestages, verpasste dann aber die Wiederwahl. Als Nachrücker saß er später noch ein Jahr im Landtag von Sachsen-Anhalt.
Alle vier eint, dass sie als Seiteneinsteiger in die Politik gekommen sind. Heynemann sagte seinerzeit, dass er seine Kandidatur als Signal für alle verstehe, die etwas bewegen wollen, ohne die übliche Ochsentour durch die Parteihierarchie absolviert zu haben. Buschschulte sagt, ihre Kandidatur habe sich nach dem Parteieintritt „beinahe so ergeben“. Sie wisse auch, dass man im Landtag nicht die Welt retten könne, „aber er ist ein wichtiger Teil des demokratischen Systems. Ich denke, dass es eine Möglichkeit ist, aktiv zu werden. Und die Grünen sind ja eine sehr offene Partei, gerade für Frauen. Da war es erstaunlich einfach.“
Gienger erzählte einmal, er habe zwar etwas gezögert, als ihn der frühere Verkehrsminister Matthias Wissmann anrief und fragte, ob er in seiner schwäbischen Heimat nicht gegen den Sozialdemokraten HansMartin Bury antreten wolle. Nachdem er aber schon immer gerne über die damals regierende rot-grüne Koalition geschimpft habe, nahm er nach einer zweimonatigen Bedenkzeit das Angebot an. Er trat in die CDU ein und stürzte sich in den Wahlkampf. Mit Erfolg.
Trotzdem sind aber die politischen Karrieren von Ex-Sportlern in Deutschland vergleichsweise bescheiden. Wie es auch gehen kann, zeigt George Weah, 54. Der Weltfußballer des Jahres 1995 ist inzwischen Präsident seines Heimatlandes Liberia.