Rocket Factory startet von Norwegen aus
Weltraum Drei Start-ups konkurrieren darum, wer die erste kommerzielle deutsche Kleinträgerrakete in den Orbit schießt. Die beiden bayerischen Raketenbauer haben sich nun für den Standort zum Jungfernflug entschieden
Augsburg/München Es ist eines der spannendsten Rennen, die es derzeit in Deutschland gibt: Drei Raketenbauer arbeiten daran, den ersten in Deutschland produzierten Microlauncher in den Orbit zu schießen: die Augsburger Rocket Factory, Isar Aerospace aus Ottobrunn bei München und HighImpulse im baden-württembergischen Neuenstadt am Kocher. Das Augsburger Start-up will bis Ende 2022 die RFA One gestartet haben. Die Ottobrunner wollten für die Spectrum den Countdown eigentlich bis Ende diesen Jahres runtergezählt haben, inzwischen heißt es bis Mitte 2022.
Um den mit wuchtigen Wachstumsprognosen versehenen Markt der sogenannten Microlauncher am Ende erfolgreich bedienen zu können, ist noch einiges zu erledigen. Die Rocket Factory hat dabei wieder einen Fortschritt gemacht und festgelegt, wo der Jungfernflug sein soll. Der erste Abschuss wird vom norwegischen Andøya Space Center in Angriff genommen. Rocket Factory Mitgründer Jörn Spurmann sagt: „Dieser Vertrag sichert uns die Startkapazitäten für die ersten Betriebsjahre. Wir sind sehr glücklich, dass Europas modernster Raketenstartkomplex mit uns zusammenarbeitet. Wir haben jetzt alles zusammen, vom Startplatz über die Kunden bis hin zum Entwicklungsprogramm, um die erste Launchkampagne zu starten.“
In Andøya Space können künftig pro Jahr 30 Raketen von einem neuen Weltraumbahnhof 35 Kilometer südlich des bereits bestehenden Startplatzes in den Orbit gefeuert werden. Die Küstenlage oberhalb des Polarkreises im Landkreis Nordland garantiert, dass die Flugbahn nicht über besiedelte Gebiete führt. Andøya Space ist schon seit 1962 im Geschäft und bietet unter anderem zum Beispiel Startdienste für Höhenforschungsraketen an. Ab kommendem Jahr werden auch Microlauncher-Starts ins Portfolio genommen. Auch Isar Aerospace hat einen Vertrag mit Andøya Space unterzeichnet, der ihnen dort Starts für die kommenden 20 Jahre sichert.
Es bleibt spannend, zu beobachten, wie sich die Konkurrenten entwickeln. Beide, die Augsburger und die Ottobrunner, haben derzeit ihre Prüfstände beim Esrange Space Center Nordschweden aufgeschlagen, wo schon seit längerem zum Beispiel die Triebwerke der Kleinträgerraketen erprobt werden. Die Rocket Factory hat dort am Mittwoch den ersten Zündtest ihres gestuften Verbrennungsmotors erfolgreich getestet.
Das Rennen in den New Space ist ein Rennen um einen Multi-Milliarden-Euro-Markt. Die Zukunft der Raumfahrt wird weniger staatlich, sondern deutlich mehr privatwirtschaftlich und kommerziell sein. Und für die expandierenden Startups ist es natürlich auch ein Rennen um die Kunden. Isar Aerospace hat zum Beispiel jüngst Airbus Defence & Space für sich gewinnen können.
Die Division der Airbus Group will einen Erdbeobachtungssatelliten mit der Spectrum in den Orbit bringen lassen. Mit der Option auf weitere Starts. Laut Isar Aerospace ist das der „erste große Startauftrag eines etablierten Raumfahrtunternehmens für eine privat finanzierte europäische Trägerrakete“. Insgesamt habe das Start-up inzwischen Kundenanfragen in Höhe von mehr als einer halben Milliarde Euro.
Müssten die Raketenbauer von morgen ihre Microlauncher nicht nach Norwegen zum Start verfrachten, wäre das für alle wohl eine Erleichterung. Die vergangenen Dezember gegründete German Offshore Spaceport Alliance (GOSA) hat sich genau das zum Ziel gemacht: Ein Offshore-Spaceport in der Nordsee soll entstehen. Derzeit sei man darum bemüht, die behördlichen Genehmigungsprozesse anzustoßen, heißt es von der GOSA. Und: Man sei optimistisch.
Ausgemacht ist übrigens auch noch nicht, wer von den RaketenStart-Ups den MikrolauncherWettbewerb des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt gewinnt. Am Freitag wird Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) den Sieger benennen, der elf Millionen Euro bekommt.