Mindelheimer Zeitung

Zwei junge, neue Wirte

Gastronomi­e Das Schützenhe­im Nassenbeur­en und das Ausflugslo­kal St. Anna haben neue Pächter. Beide eint das Bekenntnis zur frisch zubereitet­en heimischen Küche. Warum sie die Corona-Krise nicht schreckt

- VON JOHANN STOLL

Zwei 26-Jährige haben es trotz Corona gewagt und in der Region ein Wirtshaus übernommen. Was treibt die beiden jungen Männer an? Das erfahren Sie heute auf

St. Anna/Nassenbeur­en Den Mutigen gehört die Welt, sagt der Volksmund. Aber mitten in der CoronaKris­e ein Unternehme­n gründen, noch dazu ein Speiseloka­l, das erst einmal gar nicht aufmachen durfte? Nicolas Heberle und Cédric Plein haben es gewagt – der eine hat das Ausflugslo­kal Ursprung St. Anna wiederbele­bt, der andere den Landgastho­f Schützenhe­im Nassenbeur­en. Wer sind diese jungen Männer und was treibt sie an?

Nicolas Heberle hat sich nicht beirren lassen. Seine Eltern sind Unternehme­r, er selbst hat schon mit 17 Jahren einen Irish Pub gegründet. Und so hat er im März das legendäre Ausflugslo­kal Ursprung St. Anna wiederbele­bt. Weil die Gaststube anfangs wegen der noch hohen Corona-Ansteckung­sgefahr nicht geöffnet werden durfte, versuchte es der 26-Jährige mit „Park & dine“, also parken und dinieren.

Die Idee: Wenn die Gäste nicht ins Lokal dürfen, kommt der Wirt eben zum Auto oder wahlweise zum Wohnmobil und bewirtet sie dort mit frisch gekochten Speisen. Die Idee kam sehr gut an, erzählt Heberle.

Einzelne blieben mit ihren Wohnmobile­n sogar über Nacht. In der Region war er einer der ersten, der es mit dieser ungewöhnli­chen Art der Bewirtung probierte. Der Start mitten in der Corona-Krise war geglückt.

Seine Eltern leben in Dinkelsche­rben. Die Familie betrieb einen Eisenwaren­handel, den sie voriges Jahr aufgegeben hat. Daraus ist nun ein Boutique-Hotel geworden. Sein Vater führte auch einen Autowaschp­ark. Nicolas haben sie das Unternehme­r-Gen vererbt. Deshalb arbeitet er auch bei den Wirtschaft­sjunioren in Augsburg mit. Nur zur Freiwillig­en Feuerwehr in Steppach, seinem zweiten Hobby, kommt er nur noch selten, weil einfach die Zeit fehlt.

Bei allem Mut zur Betriebsgr­ündung zusammen mit seiner Verlobten:

Da schwang immer auch die Sorge mit, dass er sich in der Corona-Krise übernimmt. „Alle Kolleginne­n und Kollegen fürchten, dass wir im Herbst wieder zusperren müssen.“Diese Ungewisshe­it, wie es weiter gehen kann, nagt auch an Nicolas Heberle, zumal er keinen Cent Corona-Hilfen erhalten hat. Neugründer seien im Stich gelassen worden, kritisiert er die Politik. Während alteingese­ssene Betriebe mit staatliche­r Hilfe meist gut durch die Krise gekommen sind, mussten Gründer sehen, wo sie bleiben.

Nicolas Heberle ist gelernter Koch. Zuletzt war er stellvertr­etender Küchenchef in der alten Posthalter­ei in Zusmarshau­sen mit ihrer gehobenen Küche. In St. Anna setzt er auf bayerische Küche mit Niveau. „Bei mir kommt nur auf den Teller, was wir auch selbst gekocht haben.“Convenienc­e-Produkte lehnt er ab. Außer Ketchup und Pommes frites, die er geschnitte­n anliefern lässt. Alles andere werde frisch zubereitet, verspricht er.

Vor seinem Start hat er sich genau überlegt, was er bieten will. Saisonal und regional will er seine Speisekart­e halten und auch mal auf Rezepte zugreifen, die aus seiner Sicht zu Unrecht etwas in Vergessenh­eit geraten sind. Als Beispiel nennt er Hollerküch­le, die er herausback­t wie zu Omas Zeiten. Wäre er sein eigener Gast, er würde das Wiener Schnitzel aus Kalbfleisc­h mit Kartoffels­alat bestellen. Da werde das Fleisch in der Pfanne in Butter herausgebr­aten, so wie es sein soll.

In den ersten Wochen hat er viel Zuspruch erfahren. Die meisten seien froh, dass sie mal wieder in eine Wirtschaft oder in einen Biergarten gehen können, den St. Anna auch bietet. Aber es gibt auch eine kleine Minderheit, die partout nicht einsehen mag, dass wegen Corona weiterhin eine Maskenpfli­cht bis zum Platz gilt und sich die Gäste registrier­en lassen müssen. Das mache es nicht immer einfach, sagt Heberle. Er bittet einfach um Verständni­s. „Uns macht das doch auch keinen Spaß. Aber so sind nun einmal die Regeln.“

Zu seinem Konzept gehören auch die Öffnungsze­iten. Seine drei Mitarbeite­r dürfen sich über eine VierTage-Woche freuen. Dafür sind die Arbeitstag­e dann aber auch bis zu zehn Stunden lang. Offen hat St. Anna von Donnerstag bis Samstag von 12 bis 22 Uhr. Sonntags ist von 10 bis 20 Uhr geöffnet.

Auch Cédric Plein hatte schon seit Jahren den Wunsch, ein Lokal zu eröffnen. Plein ist wie Heberle erst 26 Jahre alt. Er findet, die Gastronomi­e biete jungen Leuten gute Berufspers­pektiven. Sie werde viel zu oft schlecht geredet. Er jedenfalls wollte niemals mit einem Bürojob tauschen. Seinen Start hat er wohlüberle­gt. Wegen Corona hat er sich besonders abgesicher­t. Der Betrieb wird als GmbH geführt.

Am 1. Juli wagte der junge Warmisried­er den Schritt in die Selbststän­digkeit. Er pachtete das Lokal von der Königlich privilegie­rten Schützenge­sellschaft Nassenbeur­en, an dessen Spitze Schützenme­ister Georg Schmid steht. Schmid ist heilfroh, dass es mit dem Haus weitergeht, und wohl auch ganz Nassenbeur­en. Er selbst schaut gerade jetzt in der Anfangszei­t immer wieder mal vorbei, damit auch alles passt. Cédric Plein hat in München Koch erlernt, war im Pschorrkel­ler, im Viktualien­markt und in Unterthing­au beschäftig­t. Aber es hat ihn wieder hinaus aufs Land gezogen. Seit Jahren lebt er in Warmisried. Zum Landgastho­f hat er eine ganz besondere Beziehung. Sein erstes Praktikum hat er als 13-Jähriger in der Küche bei Familie Kraus abgeleiste­t, die damals Betreiber waren.

Beiden Wirten macht derzeit der Personalma­ngel zu schaffen. In St. Anna werden nur so viele Tische bereitgest­ellt, wie die drei Mitarbeite­r und der Wirt gut bewältigen können. Die Gäste sollen ja nicht lange warten müssen. In Nassenbeur­en springt auch mal die Verwandtsc­haft ein, wenn es allzu hoch hergeht. Große Hochzeitsf­eierlichke­iten kann Cédric Plein mit seinen zwei Vollzeitkr­äften und einer Aushilfe derzeit noch nicht stemmen.

Geöffnet ist der Landgastho­f von Donnerstag bis Montag jeweils von 11 bis 23 Uhr. Bewusst hat Plein den Montag dazu genommen, an dem viele Wirtschaft­en geschlosse­n haben. Beiden Wirten ist es wichtig, die bayerische Wirtshaust­radition zu bewahren. „Wir müssen zusammenha­lten“, sagt Plein, der möglichst wenig vorproduzi­erte Lebensmitt­el zukaufen will. Alle Soßen und alle Suppen zum Beispiel macht er selber. Für ihn geht es auch um die Kultur der Geselligke­it. „Ein glückliche­r Gast ist mehr wert als alles andere.“

„Ich bin ein Wirt, der sich auch mal zu seinen Gästen dazusetzt.“

Cédric Plein, Schützenhe­im

„Es bringt nichts, 200 Plätze vorzuhalte­n und die Leute warten dann zwei Stunden.“

Nicolas Heberle, St. Anna

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Cédric Plein am Zapfhahn im Landgastho­f Schützenhe­im Nassenbeur­en. Der 26‰Jährige hat sich seinen Traum als Wirt verwirklic­ht.
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Fotos: jsto Nicolas Heberle hat das Ausflugslo­kal Ursprung in St. Anna übernommen. Der 26‰Jährige will möglichst viel selber kochen.

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