Urlaub darf kein billiges Massenprodukt sein
Schon vor der Pandemie hat der Tourismus oft hässliche Züge angenommen. Jetzt kann es so nicht weitergehen. Das würde uns auch das Klima nicht verzeihen
Diesen Sommer der Freiheit haben wir uns irgendwie anders vorgestellt. Leichter, unbeschwerter, ja durchaus auch coronafreier. Doch ausgerechnet zum Start der Sommerferien in Bayern gewinnen die Debatten um Inzidenzwertberechnungen, strengere Regeln für Reiserückkehrer oder Privilegien für Geimpfte wieder an Schärfe. Hut ab, wer es da schafft, voller Aufbruchstimmung und Urlaubssommergefühl in die Ferien zu starten. In den Hinterköpfen von Eltern surrt schon wieder die Frage: Was, wenn das Urlaubsziel während meines Aufenthaltes zum Hochinzidenzgebiet erklärt wird? Was, wenn die ungeimpften Kinder wegen der Quarantänebestimmungen dann nicht zur Schule gehen können?
Kein gutes Reiseklima also. Doch tatsächlich hat das Reisen schon lange seine Unbeschwertheit verloren. Dazu brauchte es keine Corona-Pandemie. Flugscham ist das eine Stichwort. Overtourism das andere. Vielleicht ist der Zeitpunkt gekommen, sich von vielen Freiheiten und Selbstverständlichkeiten der vergangenen Jahre zu verabschieden. Damit ist nicht der Familienurlaub gemeint. Aber das Schnell-mal-wohin-Jetten der Billigfliegergeneration wird es in Zukunft so wohl nicht mehr geben. Reisen wird teurer werden, das ist schon jetzt abzusehen.
Der Tourismus war schon vor der Corona-Pandemie an einem Scheitelpunkt angekommen, hat oft hässliche Züge angenommen. Wir wollten es nur noch nicht wahrhaben. Reisen wurden erst zu Discounterpreisen verramscht, dann bekam man die Situation nicht mehr in den Griff. Viele Städte waren von Urlauberinnen und Urlaubern geradezu überrannt worden.
Das Fernbleiben von Reisegruppen aus Amerika, Asien, zeitweise auch Europa, der Stillstand der Kreuzfahrt hat bekannten Touristenstädten wie Amsterdam, Barcelona,
Venedig oder Prag Zeit zum Luftholen verschafft, aber auch Probleme. Innenstadthotels etwa kämpfen derzeit um ihre Existenz.
Gleichzeitig wurden die Probleme uniformierter Zentren voller Fastfood- und Souvenirgeschäfte umso offensichtlicher. Viele Anwohnerinnen und Anwohner in Touristenorten haben sich im vergangenen Corona-Jahr ihre Städte zurückerobert. Besonders belastete Reiseziele wollen kein Zurück mehr, haben den Stillstand für neue Konzepte genutzt. Venedig etwa hat nach jahrelangen Diskussionen die Chance ergriffen, endlich die Kreuzfahrtschiffe auszusperren. Amsterdam hat kürzlich als weltweit erste Stadt eine Obergrenze von 20 Millionen Touristen im Jahr eingeführt. Der Stadtrat will sich in regelmäßigen Abständen über den „touristischen Druck“– ein bezeichnender Begriff – informieren, um rechtzeitig gegensteuern zu können. Niemand vermisst die Party- und Sauf-Touristen, die derzeit auf Mallorca feiern, als ob es kein Morgen geben würde. Auch die Junggesellenabschiede, die unbedingt in Barcelona, Prag oder Dublin stattfinden müssen, fehlen nicht. Genauso wie jene Touristen, die ohne Interesse Sehenswürdigkeiten abklappern, weil sie nun mal auf dem Veranstalterprogramm stehen – man hat dafür ja schließlich bezahlt. Es gibt schon zu denken, wenn selbst Touristiker sagen, dass das Reisen wieder mehr Wertschätzung erfahren müsste. Immerhin verdienen diese ihr Geld damit.
Wir haben für unsere Weltläufigkeit einen hohen Preis bezahlt. Vielen ist in der Corona-Zeit bewusst geworden, dass Verreisen keine Selbstverständlichkeit ist. Ein Luxus, der nicht allen zuteilwird – sogar wenn die Tour „nur“in die Oberpfalz führt. Urlaub darf kein billiges Massenprodukt mehr sein. Alles andere verzeiht uns auch das Klima nicht.
Niemand vermisst die lästigen Sauf-Touristen