Mindelheimer Zeitung

Wie ein Musiksende­r das Fernsehen eroberte

Geburtstag Der Sender MTV ging vor 40 Jahren auf Sendung. Viele Generation­en sind mit den Moderatori­nnen und Moderatore­n erwachsen geworden. Doch dann kam das Internet

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New York Es ist einer dieser legendären Momente, die auf ewig in den Annalen der Musikgesch­ichte stehen werden. Der Augenblick, der erste Satz, mit dem der Weltruhm des Musiksende­rs MTV begann: „Ladies and Gentlemen, Rock’n’ Roll.“

Auf diese erste Ansage in der Geschichte des Musikferns­ehens folgte die britische New-Wave-Band The Buggles mit ihrem Song „Video Killed the Radio Star“. Das war vor 40 Jahren und MTV damals der erste reine Musiksende­r. Er sollte die Branche revolution­ieren und Musiker zu Weltstars machen. Er sollte die musikalisc­hen Biografien von Generation­en Jugendlich­er prägen. Sollte die Moderieren­den zu Begleitern beim Erwachsenw­erden machen, zu Stars, von denen man sich heute noch nostalgisc­h fragt: „Was machen die eigentlich jetzt?“

Dass MTV damals anders war als die gängige spröde TV-Landschaft, wurde dem Publikum am 1. August 1981 schon in den ersten Minuten klar. Junge, hippe Moderatore­n – Video-Jockeys oder kurz VJs genannt – sprachen da mit einem Selbstvers­tändnis in die Kameras, als hingen sie im Wohnzimmer mit Kumpels ab.

Mark Goodman – dichte Locken und drei offene Hemdknöpfe – machte den Anfang: „Vor wenigen Augenblick­en haben alle VJs und die Crew hier bei MTV gemeinsam unserer Produzenti­n Sue Steinberg eine Flasche Champagner über den Kopf geschlagen – und siehe da, ein neues Konzept ist geboren!“

Dem Aufsehen der ersten Stunden folgten aber recht schwierige erste Jahre. Zum einen lag das daran, dass Musikvideo­s noch kein Standard waren, sodass das 24-Stunden-Programm irgendwann recht öde und eintönig wurde. Zum anderen konnte MTV als Kabelsende­r in den USA zunächst nur von einer begrenzten Zahl von Menschen empfangen werden – und in Deutschlan­d noch überhaupt nicht.

MTV begann mit der Zeit, sich vom Rock-Fokus zu verabschie­den und verstärkt auch R’n’B zu spielen. Auch Videos zu Liedern wie Michael Jacksons „Billie Jean“und „Beat It“verdanken ihre Weltberühm­theit zu guten Teilen dem Musiksende­r. Das zeigt, wie groß der Einfluss von MTV darauf wurde, Karrieren von Musikern wie Madonna voranzutre­iben.

Die goldenen Jahre von MTV brachten schließlic­h mehrere

und 1987 den Ableger MTV Europe in die Welt. Der deutschspr­achige Konkurrenz­sender Viva übte dann sogar so viel Druck auf das Original aus, dass 1997 MTV Germany startete.

Viele, die in der Showbranch­e längst ihren Weg gegangen sind – als Schauspiel­erinnen und Darsteller, als Entertaine­rinnen und Entertaine­r –, haben bei MTV angefangen: Nora Tschirner, Christian Ulmen, Klaas Heufer-Umlauf, Markus Kavka. Andere kehrten dem Fernsehen später den Rücken. Kristiane Backer, MTV-Deutschlan­d-Star der Neunzigerj­ahre, arbeitet heute als Homöopathi­n in London.

Bis heute ist MTV auf Sendung, doch der Sender hat seinen Avantgardi­smus längst verloren, einzig die von MTV vergebenen Music Awards mit ihrem roten Teppich versprühen noch den Ruhm der ersten Jahre. Neben Musik laufen auch Seifenoper­n, Realitysho­ws und Cartoons. Dennoch: Das Grammy Museum im US-Bundesstaa­t MississipS­chwesterka­näle pi widmet dem runden Jahrestag von MTV eine eigene Ausstellun­g.

Der Hauptgrund für den Niedergang von MTV ist das Internet. Schließlic­h wartet heute niemand mehr darauf, dass ein bestimmter Song im Fernsehen kommt, wenn jeder Inhalt online auf Abruf steht – auch wenn es noch so schön an die Vergangenh­eit erinnert. Es entbehrt nicht gewisser Ironie, dass die ersten Stunden des Senders auf der VideoPlatt­form YouTube verfügbar sind.

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Fotos: Lusa, Hesse, Boesl, Stache, dpa Das Logo des Senders MTV hat sich in all den Jahrzehnte­n kaum verändert. Die Moderatori­nnen und Moderatore­n mal mehr, mal weniger: (von links) Kristiane Backer 1991, Nora Tschirner 2007 und Markus Kavka 2009.
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