Mindelheimer Zeitung

Aigner kämpft sich durch

Kanuslalom Der Augsburger hat auf seinem Weg zu Bronze einige Hinderniss­e zu bewältigen. Anders als in Rio blieb ihm dieses Mal aber der vierte Platz erspart

- VON ANDREAS KORNES

Tokio Das Kasai Canoe Slalom Centre ist eine Betonwüste, durch das ein Wildwasser­kanal im Kreis führt. Die blauen Hinderniss­e erinnern an überdimens­ionale WC-Steine. Parallel zur Strecke verlaufen zwei vierspurig­e Stadtautob­ahnen und eine Eisenbahnl­inie, am Himmel über dem Kanal eine Einflugsch­neise des Flughafens Haneda. Es gibt deutlich schönere Ecken in Tokio. Hannes Aigner allerdings dürfte die Optik am Freitagnac­hmittag egal gewesen ein. Er haderte mit den klimatisch­en Bedingunge­n. 30 Grad im Schatten und hohe Luftfeucht­igkeit hatten ihm kurz vor dem Finale im Einer-Kajak massive Muskelkräm­pfe beschert. „Teilweise haben meine Arme sich selbststän­dig gemacht“, beschrieb er später seinen körperlich­en Zustand. „Kurz vor dem Start ging das los und da hatte ich dann schon große Sorgen, ob ich es überhaupt bis ins Ziel schaffe.“

Er schaffte es. Und fuhr auf Platz drei. Bronze. Das zu realisiere­n habe aber etwas gedauert. Denn erstens saßen noch sechs Fahrer oben am Start und zweitens sei ihm durch die Muskelzuck­ungen im oberen Streckenab­schnitt ein großer Fahrfehler passiert. „Im Ziel war ich erst ziemlich enttäuscht, dass mir so was in die Quere gekommen ist. Zum Glück hat es trotzdem für eine Medaille gereicht. Da hat sich das Kämpfen bis zum Schluss gelohnt.“Olympiasie­ger wurde Jiri Prskavec aus Tschechien, Silber ging an den Slowaken Jakub Grigar.

Die Bronzemeda­ille für den Augsburger vervollstä­ndigte die beeindruck­ende Bilanz des Deutschen Kanuverban­des (DKV). In jedem der vier olympische­n Rennen hatte ein DKV-Kanute auf dem Treppchen gestanden. Vor fünf Jahren in Rio waren die Deutschen leer ausgegange­n, in Tokio sammelten sie einmal Gold und dreimal Bronze. Dementspre­chend zufrieden saß DKV-Präsident Thomas Konietzko auf der Tribüne. „Wir haben an vieles geglaubt, auf manches gehofft, aber keiner von uns hatte auch nur annähernd im Kopf, dass wir hier mit vier Medaillen nach Hause fahren“, sagte er. „Bei Olympia ist das unser bestes Ergebnis seit 1992 in Barcelona.“Das Erfolgsrez­ept sei, „dass wir ein gutes Team sind. Vom Trainer über den Physio bis zum Fahrer haben alle an dem einen Ziel gearbeitet. Und natürlich hatten wir auch ein bisschen Glück. Aber das, was wir in Rio Pech hatten, hat sich jetzt ausgeglich­en.“

Angesproch­en war damit auch Aigner, der in Rio knapp auf dem vierten Platz gelandet war. Als er im Ziel nur noch abwarten konnte, was die Konkurrent­en machen, habe er daran zurückdenk­en müssen. „Da bin ich ein bisschen traumatisi­ert. Das war schon bitter.“

Diesmal wurde Aigner nicht mehr aus den Medaillenr­ängen gespült. Nur kurz dachte er daran, was wohl passiert wäre, hätte er nicht diesen kapitalen Fahrfehler eingebaut. „Ich bin einfach nur glücklich, dass es für eine Medaille gereicht hat. Silber wäre vielleicht möglich gewesen. Letztendli­ch war es aber ein gutes Ende.“Das gilt auch für den gesamten Tokio-Auftritt der deutschen Slalom-Kanuten. Dreieinmal einhalb Wochen seien sie jeden Tag stundenlan­g bei großer Hitze an der Strecke gewesen. „Das war für alle Beteiligte­n eine sehr anstrengen­de Zeit. Aber wir haben ein super Team, das uns Sportler super unterstütz­t hat, und zusammen haben wir das ganz gut hinbekomme­n“, sagte Aigner. Erst einmal standen aber noch ein paar stressige Stunden auf dem Programm. Dopingkont­rolle, zurück ins olympische Dorf, Besuch im ZDF-Studio. Dann noch Koffer packen, denn bereits am Samstag stand der Rückflug nach Deutschlan­d an. Und irgendwo dazwischen solle auch noch eine kleine Abschiedsf­eier stattfinde­n. Aigner: „Das haben wir uns alle verdient.“

Der Blick des Sportlers richtet sich ohnehin schon wieder nach vorne. „Wir haben im September noch eine WM und dann vor allem im nächsten Jahr die WM auf dem Augsburger Eiskanal. „Als gebürtiger Augsburger ist es für mich ein großes Ziel, dass ich mich dafür qualifizie­re.“Dann werden auch die äußeren Bedingunge­n andere sein, nicht nur optisch. „Das Wasser hier in Tokio ist wahrschein­lich 20 Grad wärmer als im Eiskanal. Das ist wie ein Whirlpool, in dem man schwitzt, wann man zu lange drinsitzt – auch mit einem kalten Bier.“

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Foto: Jan Woitas, dpa Volle Kraft voraus: Hannes Aigner bei der Zieleinfah­rt auf seinem Weg zur Bronzemeda­ille.
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Foto: imago Strahlende­r Bronzemann: der Augsbur‰ ger Hannes Aigner.

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