Mindelheimer Zeitung

Wie es zu Mosters Heimreise kam

Radsport Es bedurfte offenbar eines großen Drucks von außen, um den Radfunktio­när nach Hause zu schicken. Die beleidigte­n Fahrer warten noch auf eine Entschuldi­gung

- VON ANDREAS KORNES

Tokio Während Patrick Moster die Heimreise angetreten hat, wird in Tokio darüber diskutiert, wie damit umgegangen wurde, was er losgetrete­n hatte. Im Einzelzeit­fahren der Männer bezeichnet­e der Sportdirek­tor des Bunds Deutscher Radfahrer zwei Fahrer aus Algerien und Eritrea als „Kameltreib­er“. Zunächst hatte der DOSB aber zum allgemeine­n Unverständ­nis an Moster festgehalt­en.

Der Funktionär entschuldi­gte sich zwar in einem Fernsehint­erview, wollte aber keine persönlich­en Konsequenz­en ziehen. Ganz im Gegenteil. „Ich denke, dass ich an den Bahnradwet­tbewerben teilnehmen werde“, sagte er dem ZDF. Er habe sich auch bei den Sportlern selbst entschuldi­gt.

DOSB-Präsident Alfons Hörmann sah zunächst keine Notwendigk­eit, tätig zu werden. Erst tags darauf dann das Umschwenke­n. Moster wurde nun doch von der deutschen Mannschaft­sleitung nach Hause geschickt. In diesem Gremium sitzt neben Chef de Mission Dirk Schimmelpf­ennig und der DOSBVorsta­ndsvorsitz­enden Veronika Rücker auch Hörmann. In einer Nachricht des DOSB hieß es dazu, dass man zwar weiterhin davon überzeugt sei, „dass seine öffentlich­e Entschuldi­gung für die gestern von ihm getätigte rassistisc­he Äußerung aufrichtig ist“. Mit dieser „Entgleisun­g“, habe Moster jedoch gegen die olympische­n Werte verstoßen. „Fair Play, Respekt und Toleranz sind für das Team D nicht verhandelb­ar.“

Offenbar kam diese Kehrtwende aber erst auf massiven Druck zustande. Zum einen aus der deutschen Öffentlich­keit. Das Video mit der Szene, in der Moster den deutschen Radrennfah­rer Nikias Arndt mit rassistisc­hen Anfeuerung­srufen vom Straßenran­d anfeuerte, ging viral. „Hol die Kameltreib­er! Hol die Kameltreib­er! Komm!“, brüllte Moster dem Radprofi Arndt hinterher. Live zu sehen und zu hören im Fernsehen. Gemeint waren der Eritreer Amanuel Ghebreigza­bhier und der Algerier Azzedine Lagab, die direkt vor Arndt auf der Strecke fuhren.

Druck machten angesichts dieser Szene aber auch einige Verbände. Der Spiegel nennt unter anderem den Deutschen Tischtenni­s-Bund (DTTB), der intervenie­rt habe und in einem Brief an Rücker die sofortige Abreise von Moster forderte. Der Präsident des Deutschen KanuVerban­des (DKV) äußerte sich ebenfalls deutlich: „Ich hätte ihn sofort nach Hause geschickt.“

Und schließlic­h hängte sich auch noch das Internatio­nale Olympische Komitee (IOC) in die Empörungsw­elle. Man habe sich beim DOSB nach Moster erkundigt, heißt es in einer Mitteilung, aus der der Spiegel zitiert. Man begrüße die schnelle Reaktion.

Bleibt die Frage, ob Hörmann und die deutsche Mannschaft­sleitung

nicht schneller hätte reagieren müssen. Der Versuch des DOSBPräsid­enten, die Angelegenh­eit mit der Entschuldi­gung Mosters von der Tagesordnu­ng zu nehmen, scheiterte. Zumal die Sportler selbst sofort ganz anders reagiert hatten. Arndt beispielsw­eise ließ schnell wissen, er sei entsetzt über die Vorfälle und distanzier­e sich von den „nicht akzeptable­n Aussagen“.

Auf eine persönlich­e Entschuldi­gung Mosters, die es angeblich schon gegeben haben soll, wartet zumindest Lagab noch, der ebenfalls schon auf dem Heimweg ist. Gegenüber Bild sagte er, dass sich bei ihm noch niemand aus dem deutschen Lager gemeldet habe. Von der Entschuldi­gung habe er auch nur in den Medien gelesen. Richtig geschockt sei er ohnehin nicht gewesen, „denn ich bekam schon viel aggressive­re rassistisc­he Beleidigun­gen zu hören und auch viel direkter. Diese habe ich ja persönlich gar nicht mitbekomme­n. Geschockt war ich nur, dass das auf einem so hohen profession­ellen Niveau wie Olympia passieren kann.“Ob es richtig sei, Moster nun doch nach Hause zu schicken? Lagab: „Hätten sie ihn auch nach Hause geschickt, wenn es nicht im Fernsehen zu sehen gewesen wäre und nur Nikias das gehört hätte?“

Eine Antwort auf diese Frage wird es nicht geben. Wer aber erst das Lavieren und dann die späte Kehrtwende beobachtet hat, könnte Zweifel daran bekommen.

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Foto: Sebastian Gollnow, dpa Die Szene, in der Sportdirek­tor Patrick Moster den deutschen Fahrer Nikias Arndt mit rassistisc­hen Rufen anfeuert.

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