„Basst scho!“
Finanzen Der Gemeinderat Türkheim freut sich, dass trotz der Millioneninvestitionen in diesem Jahr erneut keine Schulden gemacht werden müssen. Auch Steuern und Gebühren bleiben stabil. Zumindest vorerst ...
Türkheim Waaghaus, Kindergärten, Grundschule, Sozialwohnungen, Neubaugebiete, Kläranlagensanierung – die Liste der Investitionen der Gemeinde Türkheim ist lang – und teuer. Gut zehn Millionen Euro muss Türkheim dafür unterm Strich in die Hand nehmen. Dennoch haben es Kämmerer Claus-Dieter Hiemer und Christian Schöffel geschafft, einen Haushalt zu zimmern, der ohne Kreditaufnahme auskommt. Und auch an der Steuerschraube muss nicht gedreht werden. Kann Hiemer zaubern?
Nein, Hiemer musste weder in eine „Trickkiste“greifen noch einen finanziellen „Zaubertrank“brauen, um dem Gemeinderat in der Donnerstagssitzung einen ausgeglichenen und soliden Finanzrahmen für das laufende Haushaltsjahr vorlegen zu können. Wie er schon bei den regelmäßigen Zwischenberichten im Gemeinderat immer wieder betont hatte, ist die stabile Finanzlage der Marktgemeinde vor allem auf die anhaltend gute Einkommenslage zurückzuführen: Im Klartext: Die Einnahmen aus der Gewerbesteuer sind nach wie vor überraschend hoch und auch der Anteil der Einkommenssteuer blieb solide.
In nüchternen Zahlen liest sich das dann so: Der Verwaltungshaushalt – also die laufenden Einnahmen der Gemeinde – liegen bei 17,2 Millionen Euro. Dem steht der Vermögenshaushalt – also das Geld für Investitionen und laufende Kosten für Pflichtausgaben – mit 9,98 Millionen Euro entgegen. Insgesamt also ein Haushaltsvolumen von gut 27 Millionen Euro und damit der zweitgrößte Etat, den die Marktgemeinde je zu stemmen hatte.
Die dicksten Brocken auf der Habenseite sind die Gewerbesteuer mit rund 4,6 Millionen Euro und die Einkommenssteuer mit 4,1 Millionen Euro. Dass diese Einnahmen trotz der Corona-Krise nach wie vor stabil geblieben sind, teilweise sogar stärker sprudeln als erwartet – das bezeichnete Hiemer immer wieder als „positive Überraschung“.
Und dann nutzte er diese Momente auch gleich wieder, um vorvor durchaus denkbaren „negativen Überraschungen“zu warnen: Derzeit könne niemand seriös vorhersagen, welche (finanziellen) Auswirkungen die Corona-Krise bei den Kommunen noch haben werde.
Trotz der Mammut-Projekte muss Türkheim aber auch in diesem Jahr keine Schulden aufnehmen, die Pro-Kopf-Verschuldung bleibt weit unter 40 Euro und damit auch deutlich unter dem Landesdurchschnitt. „Basst scho!“, lautete der Kommentar des Kämmerers dazu, der dafür auch von allen Fraktionen einhelliges Lob gespendet bekam.
Ob es auch in den kommenden Jahren dabei bleiben werde, dass sich die Marktgemeinde Türkheim de facto als „schuldenfrei“bezeichnen kann? Aktuell hat Türkheim zwar etwa 270.000 Euro abzuzahlen, dem stehen jedoch Rücklagen von 1,8 Millionen Euro entgegen.
Hiemer wollte dennoch nicht zu viel versprechen und verwies erneut auf die zahlreichen Unwägbarkeiten angesichts der Folgen der Pandemie. Geholfen habe der Gemeinde bisher auch der Verkauf der Grundstücke in den neuen Baugebieten: das spült gut 5,5 Millionen Euro in die Gemeindekasse. Sorgen machen Hiemer und auch den Gemeinderäten aber vor allem die steigenden Personalkosten, die in diesem Jahr erstmals die Fünf-Millionen-Euro-Schallmauer durchbrechen werden.
So sei es zwar keine Überraschung, dass der Neubau der beiden Kindergärten St. Elisabeth und St. Josef auch die Personalausgaben für Erzieherinnen und Erzieherinnen in den Kitas in die Höhe schnellen lassen werden. Immerhin rund 60 Prozent der Gesamtausgaben für Personal, also rund drei Millionen Euro, fließen jetzt in die Betreuung der Mädchen und Buben in den gemeindeeigenen Kitas.
Darauf müsse weiterhin ein kritisches und wachsames Auge geworfen werden, ebenso wie auf alle anderen Projekte und Ausgaben, die in den kommenden Jahren anstehen.
Hiemer riet davon ab, angesichts der sprudelnden Einnahmen aktuell eine Diskussion über eine mögliche Erhöhung der Gewerbesteuer anzuzetteln. Und auch die Gebühren für die Türkheimer Verbraucher bei Wasser und Abwasser sollen zuminsichtshalber dest bis ins kommende Jahr stabil bleiben. Unterm Strich fiel Hiemers Fazit zum vorliegenden Haushalt am Ende positiv aus: „Damit können wir gut leben! Basst scho ...!“
Das sahen auch die Gemeinderatsfraktionen so und bedankten sich bei Kämmerei und Verwaltung für die gute Arbeit. Walter Fritsch von der SPD fand es geradezu „historisch“, dass trotz der Investitionen keine Neuverschuldung in diesem Jahr nötig sei: „Das kann sich sehen lassen.“
Jens Gaiser von der CSU hatte als Finanzreferent des Gemeinderates angesichts dieser Zahlen sogar Spaß und sieht seine Gemeinde auf einem „guten Weg“. Dennoch sei es wichtig und richtig, den Weg „mit Maß und Ziel“wie bislang weiter zu verfolgen. Ein „zufriedenstellender Haushalt“, kommentierte Michaela Vaitl-Scherer von der Wählervereinigung Türkheim auf Anfrage der Mindelheimer Zeitung
Dritte Bürgermeisterin Gudrun Kissinger-Schneider nutzte dann doch noch die Gelegenheit, einige Forderungen der Grünen zu formulieren und den Gemeinderäten bei aller Haushalts-Euphorie ins finanAlleine zielle Stammbuch zu schreiben. So sei es nicht erst durch die jüngsten Hochwasser-Katastrohen längst an der Zeit, dass sich auch eine Kommune wie Türkheim stärker engagiert und entschlossen für den Klimawandel einsetzt. KissingerSchneider erneuerte daher die Forderung der Grünen nach einem „Klima-Manager“, den sich Türkheim angesichts der soliden Finanzlage ja wohl auch leisten könne.
Kissinger-Schneider wagte noch einen Ausblick in die finanzielle Zukunft und regte an, künftig auch eine „moderate“Anhebung der Gewerbesteuer nicht mehr kategorisch auszuschließen. Damit erntete sie jedoch – wenig überraschend – engagierte Gegenrede von Christian Schreiber (CSU), der vor einem Dreh an der Steuerschraube warnte. „So melken wir doch genau diejenigen, die uns gerade jetzt so gut durch die Krise gebracht haben“, riet Schreiber davon ab, die Unternehmen stärker zur Kasse zu bitten.
Mehr Grund zur Diskussion gab es dann aber auch nicht mehr und so verabschiedete der Türkheimer Marktrat den Haushalt für das Jahr 2021 einstimmig.