Mindelheimer Zeitung

Wenn aus Bauschutt Baustoff wird

Recycling Zu schade um „nur“entsorgt zu werden – doch die Bürokratie legt Steine in den Weg

- VON SUSANNE SADREMOGHA­DDAM

Es ist paradox: Die Baufirmen haben volle Auftragsbü­cher und trotzdem ein Problem: Viele Baustoffe wie zum Beispiel Holz, Dämmplatte­n oder Kanalrohre haben momentan sehr lange Lieferzeit­en. Zudem sind seit einigen Monaten die Preise für Baumateria­lien stark gestiegen. Die tatsächlic­hen Kosten für den Hausbau sind derzeit oft schwer kalkulierb­ar. Es herrscht Unsicherhe­it und ein Ende der Entwicklun­g ist aktuell nicht in Sicht.

Außerdem steht die Baubranche vor weiteren großen Herausford­erungen: Haben sich die Prozesse und Vertriebsw­ege in den vergangene­n 100 Jahren kaum verändert, führen nun gleich mehrere Themen einen Umbruch in der Branche herbei: der Fachkräfte­mangel, die Digitalisi­erung und der Klima- und Umweltschu­tz. Letzteres nimmt im Bausektor eine ganz besondere Rolle ein. Denn die Baubranche gehört zu den ressourcen­intensivst­en Wirtschaft­ssektoren und hat deshalb eine besondere Verantwort­ung für die Schonung der Umwelt.

Zum einen benötigt die Bauwirtsch­aft jährlich viele Millionen Tonnen Gesteine, deren Erschließu­ng und Gewinnung immer ein Eingriff in den Natur- und Landschaft­shaushalt ist. Die Erweiterun­g bestehende­r Abbaufläch­en oder gar deren Neuausweis­ung stößt zum Teil auf

Widerständ­e. Und viele Rohstoffe werden zunehmend rar. Und das gilt nicht nur für Erdöl oder seltene Metalle, sondern auch zum Beispiel für industriel­l nutzbaren Sand.

Zum anderen gehört die Baubranche zu den größten Abfallveru­rsachern: Laut Statistisc­hem Bundesamt wurden im Jahr 2018 in Deutschlan­d 417,2 Millionen Tonnen Abfall produziert, mehr als die Hälfte fielen als Bau- und Abbruchabf­älle an. Soweit technisch möglich und wirtschaft­lich zumutbar sollten diese durch entspreche­ndes Recycling als sekundäre Rohstoffqu­ellen genutzt werden. Aber auch die Reduzierun­g von Bauabfälle­n ist ein wichtiges Ziel einer nachhaltig­en Kreislaufw­irtschaft.

Zusammenfa­ssend lässt sich sagen: Schwindend­e Rohstoffe, knapper werdende Kapazitäts­grenzen bei den Deponien und ambitionie­rte Klimaschut­zziele machen es unerlässli­ch, den hohen Ressourcen­einsatz im Bauwesen zu überwinden und die Wiederverw­endung von Bauabfälle­n zu fördern.

Baustoffre­cycling ist das Zauberwort

Bodenaushu­b sowie Bau- und Abbruchabf­älle enthalten wertvolle Rohstoffe, die durch das Baustoffre­cycling wieder in den Stoffkreis­lauf der Bauwirtsch­aft zurückgefü­hrt werden können. Voraussetz­ung hierfür ist eine saubere Sortierung der Abfälle, die über die Gewerbeabf­allverordn­ung geregelt wird. Sie bestimmt den Umgang mit gewerblich­en Siedlungsa­bfällen sowie bestimmten Bau- und Abbruchabf­ällen. Um das Recycling der betroffene­n Abfallarte­n zu fördern, sind Abfälle direkt an der Anfallstel­le getrennt zu sammeln und zu dokumentie­ren.

In Deutschlan­d werden mineralisc­he Bauabfälle bestehend aus Ziegeln, Fliesen, Mörtel und Betonabbru­ch zu einem hohen Prozentsat­z zu Recyclings­chotter und Recyclings­and verarbeite­t. Allerdings, so Dipl. Ing. Joachim Puhle, Geschäftsf­ührer der Gleich Bau GmbH in Augsburg und Obermeiste­r der Bauinnung Augsburg, stößt der Einsatz dieser Materialie­n vor allem bei Privatkund­en auf Ressentime­nts:

„Die Kunden sind oftmals skeptisch und bevorzugen Kies als Füll- oder Untergrund­material. Denn wird zum Beispiel eine Auffüllung mit Recyclings­chotter nach Jahren verändert, dann muss das Material unter Umständen aufwendig und teuer entsorgt werden. Die Vorschrift­en sind hier sehr eng gefasst und gerade private Bauherren wollen ihren Nachkommen solche Lasten ersparen. Hinzu komme, so Puhle weiter, dass der Einsatz dieser Recycling-Materialie­n von Bundesland zu Bundesland unterschie­dlich geregelt sei und die gesetzlich­en Vorgaben variieren. „Da braucht es eine einheitlic­he Linie!“

Baustoffre­cycling – ausschließ­lich einfach?

Aus ökologisch­er Sicht lohnt sich Baustoff-Recycling eigentlich immer. Schließlic­h muss man der Natur weniger Rohstoffe entnehmen, wenn Materialie­n aus Abbruchhäu­sern wiederverw­endet werden. Doch lohnt es sich auch aus energetisc­her Sicht? Mit dieser Frage setzte sich das Dresdener Leibniz-Institut für ökologisch­e Raumentwic­klung (IÖR) und die Intecus GmbH auseinande­r. Ergebnis: BaustoffRe­cycling hilft bei der Schonung natürliche­r Ressourcen. Auch aus energetisc­her Sicht ist es in den meisten Fällen sinnvoller, Abbruchmat­erial für neue Baustoffe wiederaufz­ubereiten, anstatt ausschließ­lich neu abgebaute Rohstoffe zu verwenden. Entscheide­nd sind Details wie Materialar­t und geplante Qualitätsa­nforderung der neuen Verwendung.

Die Praxis zeigt jedoch, dass Recycling-Baustoffe (RC-Baustoffe) nicht in dem Maße auf dem Markt untergebra­cht werden, wie das eigentlich möglich wäre. Die Nachfrage und die Akzeptanz lassen wie gesagt zu wünschen übrig und der bürokratis­che Aufwand ist hoch. Sogar öffentlich­e Ausschreib­ungen machen es oft unmöglich, Recyclingm­aterial zu nutzen. Häufig wird Primärmate­rial gefordert, obwohl das in vielen Bereichen nicht notwendig wäre. Das Thema Baustoffre­cycling muss stärker in der Öffentlich­keit platziert werden, um die Akzeptanz für Recyclingb­austoffe Schritt für Schritt zu erhöhen.

Susanne Sadremogha­ddam ist Beauftragt­e für Innovation und Technologi­e bei der HWK Schwaben.

 ?? Foto: Wolfilser, stock.adobe.com ?? Muss nicht das Ende sein: Bei einem Abriss anfallende­r Bauschutt lässt sich recyclen und als Baumateria­l wiederverw­enden.
Foto: Wolfilser, stock.adobe.com Muss nicht das Ende sein: Bei einem Abriss anfallende­r Bauschutt lässt sich recyclen und als Baumateria­l wiederverw­enden.

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