Ex-Vizekanzler wirft Grünen „Volksverdummung“vor
Mit ihrem Vorstoß für ein Klimaministerium mit Vetorecht stößt Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock nicht nur bei Sigmar Gabriel auf scharfe Kritik. Warum das Vorhaben nicht mehr als heiße Luft ist
Im Wahlampf sind Superlative und Übertreibungen an der Tagesordnung. Die Grünen machen da keine Ausnahme, sie versprachen gerade ein Klimaministerium mit Vetorecht, sollten sie am 26. September die Bundestagswahl gewinnen. Der ehemalige Umweltminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel nannte das in der Rheinischen Post „Volksverdummung“– ein sicherlich grober, aber nicht ganz falscher Begriff.
In der Geschäftsordnung der Bundesregierung (sowie in der gemeinsamen Geschäftsordnung der Ministerien) kommt der Begriff „Veto“nicht vor. Was nicht bedeutet, dass einzelne Ministerien die Entscheidungen anderer Häuser einfach so hinnehmen müssen. „Beschließt die Bundesregierung in einer Frage von finanzieller Bedeutung gegen oder ohne die Stimme
des Bundesministers der Finanzen, so kann dieser gegen den Beschluss ausdrücklich Widerspruch erheben“, heißt es beispielsweise. Ein Widerspruchsrecht, man könnte es auch Vetorecht nennen, wird zudem ausdrücklich dem Justiz- sowie dem Innenministerium zugebilligt.
Das Widerspruchsrecht dieser drei Ministerien bezieht sich aber auf konkrete Verstöße etwa gegen Haushaltsregeln oder geltendes Recht. Die Grünen jedoch – das legen zumindest die vagen Äußerungen ihrer Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck nahe – wollen einem Klimaministerium erlauben, gegen alles ein Veto einzulegen, was dem Klimaschutz schaden könnte. Der jedoch ist kein Gesetz, keine Richtlinie. Klimaschutz, selbst wenn von ZweiGrad-Zielen und anderen Zahlen geredet wird, ist ein politisches Ziel, dessen Umsetzung je nach Couleur stark variiert.
gibt für die Ministerinnen und Minister ohnehin andere Möglichkeiten, indirekt ihr Veto einzulegen. Sie können, Gabriel wies darauf hin, ihre Zustimmung zu den Gesetzen und Vorhaben anderer Häuser einfach verweigern. Darüber hinaus werden Gesetze nicht von der Regierung, sondern vom Parlament beschlossen, auch der Bundesrat ist beteiligt.
Und hier gibt es dann für die Parteien zahlreiche Möglichkeiten, Gesetzentwürfe noch zu verändern. Es gilt das nach dem SPD-Abgeordneten Peter Struck benannte
Struck’sche Gesetz, wonach kein Gesetz so aus dem Parlament herauskommt, wie es eingebracht wurde. Gesetzesinitiativen können zudem über die Fraktionen im Zusammenspiel mit den Ministerien auch komplett gestoppt werden, wie das Beispiel der Kinderrechte zeigt: Union und SPD konnten sich in dieser Legislaturperiode nicht darauf verständigen, die Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern. Mit der Folge, dass das Vorhaben platzte.
Vielleicht wären die Grünen auch gar nicht auf die Idee mit dem VeEs torecht gekommen, wenn sie sich mehr zutrauen würden. Schließlich gilt, dass die Bundeskanzlerin „die Richtlinien der inneren und äußeren Politik“bestimmt.
In Zweifelsfällen, heißt es in der Geschäftsordnung weiter, sei die Entscheidung der Bundeskanzlerin einzuholen. Das setzt demokratische Abläufe natürlich nicht außer Kraft. Aber sollte Baerbock Kanzlerin werden, hätte sie deutlich mehr Möglichkeiten, den Klimaschutz nach ihrer Fasson zu gestalten, als ein Vetorecht es ihr jemals ermöglichen würde.
In der Geschäftsordnung kommt „Veto“nicht vor