Mindelheimer Zeitung

In der Unterallgä­uer Drogenküch­e klappte nicht alles

Justiz Ein Paar steht vor Gericht, weil es Ecstasy hergestell­t haben soll – allerdings offenbar nicht wirklich erfolgreic­h. Am Ende kommt heraus, warum in dem Haus haufenweis­e Haare des Angeklagte­n waren

- VON WILHELM UNFRIED

Unterallgä­u Eigentlich wollte Richter Christian Liebhart am zweiten Prozesstag am Memminger Landgerich­t ein Urteil über das Paar fällen, das in einem Ort im nördlichen Unterallgä­u Drogen hergestell­t und verkauft haben soll. Doch die Aufarbeitu­ng der Beweise vor der ersten Strafkamme­r zog sich in die Länge. Dabei wurden auch neue Details bekannt: In dem als „Drogenhaus“bekannten Anwesen florierte anscheinen­d schon 2018, also vor dem Pärchen, der Drogenhand­el. Der 47-jährige Angeklagte setzte dann mit den Anbau von Cannabis-Pflanzen im Wald rund um den Wohnort noch einen drauf.

Die ermittelnd­e Beamtin bei der Kripo Memmingen gab bei ihrer Aussage noch einige Details bekannt. Wind von dem umfangreic­hen Drogenhand­el im Unterallgä­u hatten die hiesige Polizei von Beamten aus Mittelfran­ken erhalten. Dort war anscheinen­d ein Dealer verhaftet worden. Es dürfte sich um den Mann gehandelt haben, der im nördlichen Landkreis Unterallgä­u 2018 ein Haus angemietet hatte. Wie sich herausstel­lte, wurde dieses Haus als Drehpunkt für diverse Rauschgift­geschäfte benutzt.

Jedenfalls gab die 43-jährige Partnerin des Angeklagte­n, die ebenfalls auf der Anklageban­k sitzt, zu, ab diesem Zeitraum immer wieder bei Online-Apotheken Schmerz- und Erkältungs­mittel bestellt zu haben. Diese Tabletten wurden pulverisie­rt, aus den Extrakten wurden Ecstasy-Tabletten hergestell­t. Auf Nachfrage sagte die Angeklagte aus, jährlich rund 15 Bestellung­en pro Jahr vorgenomme­n zu haben. Sie habe die Tabletten für den Eigenbedar­f erhalten.

Als der Mieter des Hauses im vergangene­n Jahr festgenomm­en wurde, witterte der nun Angeklagte offensicht­lich die Chance, nun groß ins Geschäft einzusteig­en. Er übernahm Haus und probierte selbst die Produktion der Ecstasy-Tabletten. Allerdings mit mäßigem Erfolg: Einmal sei nur eine braune und dann eine rote Brühe herausgeko­mmen, so die Aussage des Angeklagte­n. Auch er behauptete, die Drogen nur für den Eigenbedar­f produziert zu haben. Dies nahm ihm der Richter aber nicht ab. Er erinnerte ihn daran, dass der Deal zwischen Gericht, Staatsanwa­lt und Verteidigu­ng nur zum Tragen komme, wenn er sich an die Wahrheit halte und zur Aufklärung des Sachverhal­ts beitrage. In dem Rechtsgesp­räch hatte Liebhart wie berichtet dem Angeklagte­n eine Höchststra­fe von fünf Jahren und zehn Monaten in Aussicht gestellt. Nach einer Rücksprach­e mit seinen Anwälten gab der Angeklagte zu, dass er vorgehabt habe, die Hälfte der Produktion zu verkaufen.

Die Aussagen über die Eigenprodu­ktion waren schon vorher ins

Wanken gekommen, als Sachverstä­ndige des Landeskrim­inalamtes aussagten. Beamten des LKA waren auch beim Zugriff auf die Wohnung des Angeklagte­n und dem vorher genannten angemietet­en Hauses zugegen. Jedenfalls berichtete der Sachverstä­ndige von einer Unzahl von konfiszier­ten Geräten und Chemikalie­n zur Herstellun­g von Drogen. Weiter wurden Drogen wie Marihuana in den verschiede­nsten abgepackte­n Mengen, von einem bis zu 700 Gramm gefunden und mitgenomme­n. Ob überhaupt brauchbare Drogen in der Drogenküch­e hergestell­t wurden, konnte der Sachverstä­ndige an Hand der Fundmateri­als nicht sagen. Die Cannabis-Plantagen entdeckte die Polizei übrigens schon vorher, als sie den Angeklagte­n observiert­e und ihn quasi in den Wald begleitete.

Ein weiterer Sachverstä­ndiger hatte die Haarproben der beiden Angeklagte­n untersucht und langjährig­en Rauschgift­konsum nachweisen können. Dies war aber auch schon an Hand der Vorstrafen klar zu erkennen: Immer wieder waren beide deswegen mit dem Gesetz in Konflikt gekommen.

Und am Ende lüftete Richter Liebhart noch ein Geheimnis. Im Haus des Angeklagte­n waren beim Zugriff große Mengen der Haarpracht des 47-jährigen gefunden worden. Richter und Polizei vermuteten, dass er vielleicht den Zugriff geahnt habe, und sich die Haare geschnitte­n habe, damit man ihm keinen Rauschgift­konsum nachweisen könne. Die Erklärung, die auch seine Partnerin bestätigte, war dann deutlich banaler: In der Beziehung hatte es in der jüngeren Vergangenh­eit geknirscht und sie hatte sich mit einem anderen Mann getroffen. Wohl aus Eifersucht habe sich der Angeklagte die Haare selbst abgeschnit­ten.

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Foto: dpa Die künstliche Droge Ecstasy wird oft in Form von Tabletten angeboten.

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