Der August ist der neue Oktober
Gerade für Städter sind Balkone eine feine Sache. Die zwei, drei Quadratmeter sind im Sommer das meistgenutzte Zimmer. Sozusagen. Weshalb es lohnen kann, sich damit Mühe zu machen. Schöner Cafétisch, bequeme Stühle, Sitzkissen, elegantes Sonnensegel, wetterfester Weinflaschenkühler. Solche Sachen. Und: viele Blumen. Eher Klotzen mit dem Grünzeug, keinesfalls kleckern. Das hatte man sich vor ein paar Monaten alles überlegt. Viel Sonne war der Plan, dazu bretonische Winde und ab und zu ein Glas Weißwein. Dann kam der Sommer und er wurde, was er ist.
Das strahlend-weiße Sonnensegel wäre, hätte man es denn überhaupt aufgehängt, inzwischen grau in grau. Der Cafétisch steht zwar, wurde auch mal hergerichtet, allerdings quillt dann bald das Holz. Eine ganze Woche Trockenheit war ihm bisher nicht vergönnt. Die dazugehörenden Stühle wurden erst in einer enorm wuchtigen Barhockervariante geliefert (der Sitz so hoch wie das Balkongeländer), die Nachfolger lassen auf sich warten, werden allerdings eh nicht mehr gebraucht. Der August ist der neue Oktober. Gefühlt ist es um 19 Uhr schon duster (tiefschwarze Wolkenungetüme helfen nicht), und der Biorhythmus passt sich – quasi in vorauseilendem Gehorsam – der finster drohenden Zeitumstellung an. Wenn man nächste Woche Appetit auf Linseneintopf oder Pizzaleberkäs-Semmeln bekommt, weiß man endgültig: Der Sommer war zwar nie da, jetzt aber ist er sicher vorbei.
Für die Blumen, die schönen, hat er nie angefangen. Vier Mal schon hat das, was als blühende Pracht aus dem Baumarkt importiert wurde, den Weg alles Zeitlichen in die Biotonne beschritten. An vier trügerisch schönen Abenden hatte man gedacht, es würde noch etwas werden und Neupflanzungen erwirkt. Vier Mal sah es für ein paar Stunden so aus, als könnte es eine Zukunft geben. Dann kamen die ersten Tropfen, aus denen zuverlässig die mittlere Sintflut wurde. An diesem Samstag – zum ganz sicher letzten Mal – wurde die Blumenerde vom Balkon gekratzt und die Sumpflandschaft in den Töpfen trockengelegt. Nur der Weinkühler findet das alles prima.