Quo vadis, SportDeutschland?
Hintergrund Die magere Medaillenausbeute in Tokio hat eine Grundsatzdebatte darüber entfacht, wie der Leistungssport strukturiert werden soll. Denn die Aussichten sind nicht rosig
Berlin Für Deutschlands oberste Sportfürsten kommt es knüppeldick. In die Bewältigung der Corona-Krise und den heiklen Umbruch an der Spitze des Dachverbands DOSB drängt mit zunehmender Wucht noch eine Grundsatzdebatte über Ausrichtung und Strukturen des deutschen Leistungssports. Ausgelöst vom mageren MedaillenErtrag bei den Sommerspielen in Tokio werden die Rufe nach einer Radikalkur lauter, die den deutschen Spitzensport fit für die olympische Zukunft machen soll.
So mancher Kritiker will den Deutschen Olympischen Sportbund am besten entmachten. „Der Tanker DOSB ist viel zu träge, um schnell und gezielt auf die Bedürfnisse der einzelnen Sportarten einzugehen“, sagte Schwimm-Ikone Michael Groß jüngst dem Portal t-online.de und forderte die Einrichtung einer nur für den Hochleistungssport zuständigen Organisation, wie es das 2006 im DOSB aufgegangene Nationale Olympische Komitee (NOK) war. Auch die Vorsitzende des Bundestagssportausschusses, Dagmar Freitag, hält das Aus für das NOK mehr denn je für einen Fehler: „Persönlich sehe ich mich mittlerweile in meinen früheren Zweifeln hierzu bestärkt.“
Mit 37 Medaillen, davon zehn goldenen, hatte das deutsche Team in Tokio das schwächste Resultat seit der Wiedervereinigung erreicht. Auch wenn ein Sprecher des Bundesinnenministeriums, das für den Sport und Millionen an Fördergeldern zuständig ist, dies nüchtern als „recht ordentliches Ergebnis“bezeichnete, gibt der Trend Anlass zur Sorge. „Wir liegen im Vergleich zu den Spielen der letzten Jahre deutlich zurück. Gegenüber Rio sind es 20 Prozent, gegenüber London sogar 25 Prozent“, sagte Ulf Tippelt, Leiter des Instituts für Angewandte Trainingswissenschaft in Leipzig, dem MDR.
Für die Sommerspiele 2024 erwartet Tippelt keinen Aufschwung. „Wir werden keine größere Breite an neuen Talenten oder Sportlern haben, die in Paris an den Start gehen. Wir werden im Wesentlichen wohl auf demselben Niveau aufsetzen“, sagte der IAT-Chef. Dabei soll doch spätestens ab Anfang nächsten Jahres die mühsam ausgehandelte Spitzensportreform und das für die Mittelvergabe entwickelte System der Potenzialanalyse Wirkung zeigen.
„Wir haben in den letzten 15 Jahren genügend Beispiele erlebt, wie durch das politische System DOSB jegliche Reform weich gekocht wird, ein ständiger Ausgleich aller Interessen“, sagte Olympiasieger Groß der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Wenn Deutschland bei Olympia wieder zurück in die Top Fünf des Medaillenspiegels vorstoßen wolle, bedürfe es im Spitzensport einer Entbürokratisierung, meint der 57Jährige. Der Fokus müsse sich stärker auf Disziplinen wie Schwimmen, Leichtathletik und Bahnrad richten, in denen bei Sommerspielen viele Medaillen vergeben werden und die Deutschen in Tokio nur wenig Edelmetall holten. Als mögliche Vorbilder gelten Australier und Briten, die mit der stärkeren Konzentration auf medaillenträchtige Disziplinen in Japan erneut deutlich erfolgreicher abschnitten.
„Um Erfolg im Leistungssport zu haben, braucht man sicherlich kein absolutes überbürokratisiertes System“, sagte Triathlon-Präsident Martin Engelhardt. Neben den Briten hätten auch die Norweger zuletzt gezeigt, wie man mit schlanken Strukturen Erfolge fördern könne.
Das könne aber auch innerhalb des DOSB geschehen. „Wichtig ist, dass die Leute, die Ahnung und Kompetenz haben, letztlich eigenständig arbeiten können, ohne dass ihnen Besserwisser ständig hereinreden.“
Doch wie reformwillig ist der DOSB überhaupt? Verbandschef Alfons Hörmann hat nach Tokio zwar eine „saubere und lückenlose Analyse“angekündigt, wird seinen Posten aber im Dezember räumen. Wer seine Nachfolge antritt und wie umfassend der personelle und inhaltliche Wechsel an der DOSBSpitze ausfallen wird, ist offen.
Es brauche „einen kompletten Neuanfang“, sagte Engelhardt. „Die Bedeutung des Leistungssports in unserer Gesellschaft hat dramatisch abgenommen. Der Leistungsgedanke ist (...) in Deutschland im Keller“, erklärte der 61-Jährige. Deshalb hält Engelhardt „ein umfassendes Sportprogramm für alle, um in der Bevölkerung überhaupt wieder Sportbegeisterung herbeizuführen“, für notwendig. In Corona-Zeiten sind die Aussichten dafür jedoch trübe. Die vielerorts gestörte Vereinsarbeit, der massive Schwund an Mitgliedern und das teils erlahmte Engagement im Ehrenamt lässt kaum auf eine wachsende Zahl olympischer Talente hoffen.
angereist wären, könne man Schulklassen kontrollieren und für ihre Sicherheit sorgen, sagte Takaya. So würden die Kinder in geordneten Gruppen zu den Arenen gebracht, unter Wahrung der Sicherheitsabstände platziert, müssten ihre Hände desinfizieren, Masken tragen und dürften die Athleten nur durch Händeklatschen anfeuern, sagte Takaya.
Gegen das Vorhaben, Schulkinder bei den Paralympics zuzulassen, hatte es im Vorfeld Unmut gegeben. Kritiker warnten, die Kinder könnten sich anstecken und das Virus in ihre Familien tragen.
Die am Dienstag beginnenden Paralympics finden zu einem Zeitpunkt statt, da die Infektionszahlen in Tokio und anderen Regionen auf Höchststände gestiegen sind. Die Lage hat sich im Vergleich zur Zeit der Olympischen Spiele drastisch verschlechtert. Rufe nach Ausgangssperren werden laut. Die Impfkampagne kommt zwar voran, bisher sind aber erst rund 40 Prozent der Bevölkerung Japans vollständig geimpft.