Mindelheimer Zeitung

Der spröde Charme

Altstadt Warum die Gerberstra­ße in Mindelheim so besonders ist

- VON FRANK STOCKER

Mindelheim Es gibt Prachtstra­ßen, die immer auf der Sonnenseit­e stehen, auch wenn die Sonne gar nicht scheint. In Mindelheim ist das die Maximilian­straße, die gute Stube der Altstadt. Aber es gibt auch weniger herausgepu­tzte Straßen, die ihren Charme eher verbergen als mit ihm protzen. Die Gerberstra­ße in der Innenstadt zählt zu ihnen, auch wenn sich ihre Schönheit erst auf den zweiten Blick erschließt.

„Ohne Walken, ohne Gerben wird das Leder nit recht gar. Der muss ohne Zucht verderben, der sonst noch zu ziehen war.“So steht es auf einer Tafel an einer Fassade in der Gerberstra­ße. Während zu Zeiten von Georg von Frundsberg vor gut 500 Jahren das Handwerk der Gerber und Lederer noch weit verbreitet war, ist es längst durch die Industrie verdrängt worden.

Beinahe ebenso vergessen scheint die Gerberstra­ße, deren Namen auf die altehrwürd­ige Tradition der Gerber zurückgeht. Während sich inzwischen fast die gesamte Innenstadt frisch saniert präsentier­t, dominiert in der Gerberstra­ße das Grau des mittlerwei­le an vielen Stellen brüchig gewordenen Asphalts. Stadtplane­r sprechen gerne von einer B-Lage oder einfach von einem Sanierungs­fall.

Wer aber mit offenen Sinnen durch diese Straße geht, wird rasch feststelle­n, dass auch sie ihren ganz eigenen Charme besitzt. Dies liegt zum einen am Kappelturm, der mit seinen 48 Metern Höhe das Erscheinun­gsbild der Straße entscheide­nd prägt. Vor allem aber sind es die Menschen, die hier wohnen, die ihrer Straße durch liebevoll gestaltete Details wie Blumen einen ganz besonderen Charakter verleihen.

Es sind die Kontraste, die diese Straße so besonders machen. Typisch Bayerische­s mischt sich mit Elementen einer Multikulti-Gesellscha­ft: Marienstat­ue neben Sushi und Tattoo-Studio. Eine Hängematte auf der Dachterras­se und eine Ruhebank zeigen aber, dass es hier nicht gar so hektisch zugeht. Es ist eben eine Straße zum Leben.

 ?? ?? Der Blumenschm­uck verrät mehr über die Menschen, die hier wohnen, als der raue Charme der Straße. Wer in der Gerberstra­ße lebt, lebt gerne hier.
Der Blumenschm­uck verrät mehr über die Menschen, die hier wohnen, als der raue Charme der Straße. Wer in der Gerberstra­ße lebt, lebt gerne hier.
 ?? ?? Die Hängematte auf der Dachterras­se lädt zur Siesta ein und versprüht einen Hauch von südländisc­hem Flair. In dem seltsamen Flachbau hat sich ein Schreibbür­o niederge‰ lassen, das Migranten mit wenig Deutschken­ntnissen weiterhilf­t.
Die Hängematte auf der Dachterras­se lädt zur Siesta ein und versprüht einen Hauch von südländisc­hem Flair. In dem seltsamen Flachbau hat sich ein Schreibbür­o niederge‰ lassen, das Migranten mit wenig Deutschken­ntnissen weiterhilf­t.
 ?? ?? Ein eher nüchterner Hauseingan­g eines schlichten Zweckbaus, der wenig zum Verweilen einlädt. Die Ruhebank unter dem Balkon verrät aber, dass der erste Eindruck täuscht.
Ein eher nüchterner Hauseingan­g eines schlichten Zweckbaus, der wenig zum Verweilen einlädt. Die Ruhebank unter dem Balkon verrät aber, dass der erste Eindruck täuscht.
 ?? ?? Ein interessan­ter Stilmix aus alpenländi­schem Hirsch und asiatische­m Vordach ziert den Eingangsbe­reich dieses Restaurant­s,
Ein interessan­ter Stilmix aus alpenländi­schem Hirsch und asiatische­m Vordach ziert den Eingangsbe­reich dieses Restaurant­s,
 ?? ?? Das Gesperrt‰Schild und das in die Jahre gekommene Tor bilden einen deutlichen Farbkontra­st.
Das Gesperrt‰Schild und das in die Jahre gekommene Tor bilden einen deutlichen Farbkontra­st.
 ?? Fotos: Frank Stocker ?? Liebevoll gestaltete Hauseingän­ge kontrastie­ren mit Bereichen, die ihre besten Tage lange hinter sich haben.
Fotos: Frank Stocker Liebevoll gestaltete Hauseingän­ge kontrastie­ren mit Bereichen, die ihre besten Tage lange hinter sich haben.
 ?? ?? Eine etwas verloren wirkende Madonna in einer viel zu großen Nische.
Eine etwas verloren wirkende Madonna in einer viel zu großen Nische.
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Selbst die Werbetafel­n sind in der Ger‰ berstraße aus der Zeit gefallen.

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