Der spröde Charme
Altstadt Warum die Gerberstraße in Mindelheim so besonders ist
Mindelheim Es gibt Prachtstraßen, die immer auf der Sonnenseite stehen, auch wenn die Sonne gar nicht scheint. In Mindelheim ist das die Maximilianstraße, die gute Stube der Altstadt. Aber es gibt auch weniger herausgeputzte Straßen, die ihren Charme eher verbergen als mit ihm protzen. Die Gerberstraße in der Innenstadt zählt zu ihnen, auch wenn sich ihre Schönheit erst auf den zweiten Blick erschließt.
„Ohne Walken, ohne Gerben wird das Leder nit recht gar. Der muss ohne Zucht verderben, der sonst noch zu ziehen war.“So steht es auf einer Tafel an einer Fassade in der Gerberstraße. Während zu Zeiten von Georg von Frundsberg vor gut 500 Jahren das Handwerk der Gerber und Lederer noch weit verbreitet war, ist es längst durch die Industrie verdrängt worden.
Beinahe ebenso vergessen scheint die Gerberstraße, deren Namen auf die altehrwürdige Tradition der Gerber zurückgeht. Während sich inzwischen fast die gesamte Innenstadt frisch saniert präsentiert, dominiert in der Gerberstraße das Grau des mittlerweile an vielen Stellen brüchig gewordenen Asphalts. Stadtplaner sprechen gerne von einer B-Lage oder einfach von einem Sanierungsfall.
Wer aber mit offenen Sinnen durch diese Straße geht, wird rasch feststellen, dass auch sie ihren ganz eigenen Charme besitzt. Dies liegt zum einen am Kappelturm, der mit seinen 48 Metern Höhe das Erscheinungsbild der Straße entscheidend prägt. Vor allem aber sind es die Menschen, die hier wohnen, die ihrer Straße durch liebevoll gestaltete Details wie Blumen einen ganz besonderen Charakter verleihen.
Es sind die Kontraste, die diese Straße so besonders machen. Typisch Bayerisches mischt sich mit Elementen einer Multikulti-Gesellschaft: Marienstatue neben Sushi und Tattoo-Studio. Eine Hängematte auf der Dachterrasse und eine Ruhebank zeigen aber, dass es hier nicht gar so hektisch zugeht. Es ist eben eine Straße zum Leben.