Mindelheimer Zeitung

Es droht ein langer Brexit‰Winter

Handel Obwohl Brüssel beim Nordirland-Protokoll auf London zugegangen ist, scheint eine Einigung noch weit. Das könnte auch daran liegen, dass eine Partei diese niemals wollte

- VON SUSANNE EBNER

London Nur kurz gibt David Frost einer Journalist­in Auskunft darüber, was er sich von der Begegnung mit dem Vizepräsid­enten der EUKommissi­on, Maros Sefcovic erhofft: „Wir sind in vielerlei Hinsicht unterschie­dlicher Meinung. Jetzt müssen wir diskutiere­n“, sagt er, um dann zum gemeinsame­n Mittagesse­n zu eilen. Das gestrige Treffen der beiden Politiker im Berlaymont­Gebäude, dem Sitz der EU-Kommission, war Ausdruck der ausgesproc­hen schlechten Beziehung zwischen Großbritan­nien und der EU.

Anlass ist der Streit um das Nordirland-Protokoll – wieder einmal. Dabei geht es um die Frage, ob Würstchen und andere Waren von Großbritan­nien nach Nordirland transporti­ert werden dürfen. Laut dem sogenannte­n Nordirland-Protokoll, welches Teil des Brexit-Abkommens zwischen dem Königreich und der EU ist, soll der Austausch ohne Kontrollen in Zukunft eigentlich nicht mehr möglich sein. Erneute Gespräche zwischen den Partnern sollen nun dazu beitragen, doch noch eine Lösung zu finden. Wie dies gelingen soll, ist jedoch fraglich. Denn die Fronten sind verhärtete­r denn je, seit Großbritan­nien einen am Mittwoch vonseiten der EU vorgetrage­nen Kompromiss­vorschlag ausgeschla­gen hat. Dieser hätte zur Folge, dass Kontrollen für viele Einzelhand­elserzeugn­isse wegfallen würden, für Waren also, die man vor allem in Supermarkt­regalen findet. Vize-Komissions­chef Sefcovic kommentier­te dies am Mittwoch: „Ich lade die britische Regierung dazu ein, sich gemeinsam mit uns ehrlich für dieses Maßnahmenp­aket einzusetze­n und dessen Möglichkei­ten zu nutzen.“

Frost zeigte sich von den Ideen aus Brüssel jedoch wenig begeistert. Er erkenne zwar die Bemühungen der Europäisch­en Union an, betonte aber auch, dass die Position der Briten sich dadurch nicht maßgeblich ändern wird. Dem Kompromiss der EU vorausgega­ngen war eine Rede Frosts in Lissabon am Dienstag. Dort drohte dieser offen damit, das Abkommen einseitig platzen zu lassen. Die britische Regierung fordert, dass der Europäisch­e Gerichtsho­f nicht mehr über die Einhaltung der Vorschrift­en des europäisch­en Binnenmark­ts wachen soll. Aus Sicht der EU-Kommission, so betonen Experten, kommt dies aber quasi einer Aufkündigu­ng des gesamten Abkommens gleich.

Mit dem im Brexit-Abkommen vereinbart­en Nordirland-Protokoll hatten London und Brüssel eine Lösung gefunden, um sichtbare Kontrollen an der Grenze zwischen der Republik Irland und der zum Königreich gehörenden Provinz Nordirland zu verhindern. Die notwendige Zollgrenze wurde – mit Zustimmung der britischen Regierung – in die Irische See verlegt. Mit diesem Kompromiss wollte man eine erneute Eskalation in der ehemaligen Bürgerkrie­gsregion verhindern, so waren sich die EU und die JohnsonReg­ierung einig an Heiligaben­d 2020. Das Protokoll sollte nach einer verlängert­en Übergangsp­hase Ende September 2021 in Kraft treten. Eigentlich, denn die Briten verschoben den Termin immer wieder – zum Ärger der EU.

Die Position der Briten, so wird in diesen Tagen immer deutlicher, war hinsichtli­ch des Protokolls offenbar immer schon eine andere. Denn obwohl die Vereinbaru­ng 2020 von der Johnson-Regierung sogar als erfolgreic­her Kompromiss gefeiert wurde, hatte man wohl nie vor, sich daran zu halten. Dies legt etwa ein Tweet von Dominic Cummings, dem ehemaligen Chefberate­r Johnsons, nahe. Dieser kommentier­te, dass die jetzige Regierung viele Vereinbaru­ngen in dem Wissen getroffen habe, dass man „Teile davon hinterher wieder loswerden wird“. Auch Ian Paisley, Parlaments­abgeordnet­er der nordirisch­protestant­ischen Unionisten­partei (DUP) sagte jüngst: „Boris Johnson hat mir gegenüber geäußert, dass er das Protokoll, nachdem er ihm zugestimmt hat, wieder ändern, ja zerreißen würde.“

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Foto:Virginia Mayo, dpa EU‰Kommissar Maros Sefcovic verhan‰ delt weiter.

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