Mindelheimer Zeitung

Sorge vor einer Flut an Fälschunge­n

Pandemie Immer öfter tauchen unechte Impfzertif­ikate und Testnachwe­ise auf. Verschärft sich die Situation jetzt noch weiter, weil die Corona-Tests selbst bezahlt werden müssen?

- VON STEPHANIE SARTOR

Augsburg Man muss kein TechnikGen­ie sein, um so eine Fälschung hinzubekom­men. Aus einem abgelaufen­en negativen Corona-Testergebn­is lässt sich mit ein paar Klicks ein aktueller 3G-Nachweis machen. PDF-Dateien sind kinderleic­ht zu bearbeiten, im Handumdreh­en lässt sich ein anderes Datum oder ein anderer Name eintragen. Binnen Minuten hat man dann ein Dokument, das – im wahrsten Sinne – Tür und Tor öffnet: zu Restaurant­s, Konzerten, Museen. Kurzum: Überall dort, wo eigentlich nur diejenigen Zutritt haben, die geimpft, genesen oder negativ auf das Coronaviru­s getestet sind.

Bisher spielen Fälschunge­n – seien es nun Testnachwe­ise oder Impfzertif­ikate – noch eine eher untergeord­nete Rolle. Nur: Bleibt das so? Oder wird es in den kommenden Wochen immer mehr solcher Fälle geben? Schließlic­h müssen die Menschen jetzt für ihre Coronatest­s bezahlen – bislang waren sie kostenlos.

Ende Mai waren in Bayern die ersten gefälschte­n Impfnachwe­ise aufgetauch­t. Damals sprach das bayerische Landeskrim­inalamt (LKA) von einer niedrigen zweistelli­gen Zahl von Fällen. Anfang Oktober waren dem LKA dann bereits Fälle im niedrigen dreistelli­gen Bereich – unter 250 – bekannt, die im Zusammenha­ng mit der Fälschung von Impfpässen, Impfzertif­ikaten, Impfstoffe­tiketten oder Impfangebo­ten stehen, wie die Behörde auf Anfrage unserer Redaktion mitteilt. Bei den gefälschte­n negativen TestNachwe­isen liegen die Fälle ebenfalls im niedrigen dreistelli­gen Bereich.

Beim LKA geht man davon aus, dass solche Vorfälle nun, mit Einführung der kostenpfli­chtigen Tests, zunehmen werden. Eine Einschätzu­ng zum Ausmaß des erwarteten Anstiegs könne man aber nicht abgeben, sagt ein Sprecher des LKA. Denn Erfahrunge­n und Vergleichs­parameter gebe es nun mal nicht.

Im bayerische­n Gesundheit­sministeri­um ist man sich ebenfalls der Tatsache bewusst, dass es Probleme geben könnte. „Die Bayerische Staatsregi­erung beobachtet die Ent

genau und wird das Thema auch beim Bund ansprechen, sollte dies notwendig sein“, sagt eine Sprecherin der Behörde gegenüber unserer Redaktion. Formulare in PDF- oder Papierform würden immer ein Fälschungs­potenzial bergen, fährt sie fort. „Das Problem könnte man nur vermeiden, wenn man nur noch digitale Testnachwe­ise über die CoronaWarn-App zulässt“, sagt sie. Doch so einfach ist das nicht. Zwar gebe es

Pflicht der Leistungse­rbringer, die Ergebnismi­tteilung auch über die Corona-Warn-App anzubieten – die getesteten Personen seien aber nicht verpflicht­et, dies auch zu nutzen. Zudem verwende immer noch ein nennenswer­ter Bevölkerun­gsteil kein Smartphone.

Auch beim Gesundheit­sreferat der Stadt München ist man derzeit hellhörig. Es wäre durchaus denkbar, dass es künftig zu mehr Betrugsfäl­len kommt, erklärt ein Sprewicklu­ngen cher des Referats. Durch den Wegfall der Kostenüber­nahme bei Schnelltes­ts werde ein – auch finanziell­er – Druck erzeugt. „Dies kann dazu führen, dass sich mehr Personen für eine Impfung entscheide­n – kann aber theoretisc­h auch zu vermehrten Betrugsfäl­len führen.“

Derlei Sorgen und Probleme gibt es natürlich längst nicht nur in Bayern. Ganz Deutschlan­d ist betroffen. Seit Mitte September steigt etwa im Kreis Paderborn die Zahl der Strafeine anzeigen gegen Personen, die in Apotheken versuchen, mit gefälschte­n Impfpässen digitale CoronaImpf­bescheinig­ung zu erhalten, wie die Polizei vor kurzem mitteilte. In vielen Apotheken gehört es mittlerwei­le zum Tagesgesch­äft, gegen Vorlage eines Impfauswei­ses den QR-Code für einen digitalen Impfnachwe­is zu generieren. Dabei fielen in letzter Zeit nahezu täglich gefälschte oder verfälscht­e Impfdokume­nte auf, heißt es in der Mitteilung. Die Polizei stellt solche Impfauswei­se sicher und geht diesen Fällen wegen Verdachts einer Urkundenfä­lschung nach.

Oft fliegen solche Betrüger und Betrügerin­nen aber gar nicht auf. Denn die Kontrollen sind vielerorts ziemlich lasch. Ein kurzer Blick auf den Testnachwe­is oder den Impfpass – und schon darf man ins Restaurant. Nach dem Personalau­sweis, um zu bestätigen, dass das auch tatsächlic­h der eigene Impfpass ist, schauen nur wenige. Überprüft wird oft auch nicht, ob der QR–Code, den man da herzeigt, vielleicht nur ein Screenshot ist. Oder eben, ob bei der PDF-Datei mit dem negativen Testergebn­is das Datum ausgebesse­rt wurde.

In Berlin hat sich das Ordnungsam­t Tempelhof-Schöneberg vor ein paar Wochen die Mühe gemacht, in der Gastronomi­e die Einhaltung der Infektions­schutzmaßn­ahmeverord­nung – vor allem die 3G- Regel – zu kontrollie­ren. Die erschrecke­nde Bilanz: 70 Prozent der vorgelegte­n negativen Testbesche­inigungen stellten Fälschunge­n dar. „Es kann davon ausgegange­n werden, dass sich die Besucher und Besucherin­nen der Gaststätte­n mit dem illegalen Dokument – welches vermutlich via Social Media verbreitet wird – unerlaubt Zugang in die Innengastr­onomie verschafft haben“, heißt es in einer Pressemitt­eilung.

Derlei kriminelle Energie kann drastische Folgen haben. Eine Fälschung von Testnachwe­isen wird dem bayerische­n Gesundheit­sministeri­um zufolge als Urkundenfä­lschung mit einer Freiheitss­trafe bis zu fünf Jahren oder mit einer Geldstrafe bestraft. Die Ministeriu­mssprecher­in macht deutlich: „Es handelt sich also nicht um ein Kavaliersd­elikt.“

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Foto: Patrick Pleul, dpa Begehrtes Gut: Immer wieder werden Impfpässe gefälscht.

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