Mindelheimer Zeitung

Aiwanger und die erfundenen Zahlen

- Wirbel um Tweet des FW-Chefs geht weiter VON HOLGER SABINSKY‰WOLF

München/Wiesbaden Der Wirbel um Hubert Aiwangers Twitter-Beitrag vom Nachmittag der Bundestags­wahl nimmt kein Ende. Nun hat sich mit einiger Verzögerun­g doch noch der Bundeswahl­leiter zu dem Fall geäußert. Die Prüfung habe ergeben, dass die Zahlen aus Aiwangers Tweet eine Zusammenst­ellung verschiede­ner, am Wahltag öffentlich zugänglich­er Daten, etwa aus vorherigen Prognosen, sowie erfundenen Zahlen sei, erklärte eine Sprecherin auf Anfrage unserer Redaktion. Das ist ein neues Detail in dieser pikanten Angelegenh­eit.

Die genaue Herkunft der Zahlen bleibt damit zwar weiter im Unklaren – Aiwanger hatte rasch eingeräumt, er habe sie „von einem Dritten“erhalten –, es steht aber fest, dass der Freie-Wähler-Chef teils frei erfundene Umfragezah­len ungeprüft veröffentl­icht hat. Und dies erklärt auch, warum Aiwanger kein hohes Bußgeld mehr wegen einer Ordnungswi­drigkeit zu befürchten hat. Denn das Verbot einer Veröffentl­ichung solcher Zahlen vor Ablauf der Wahlzeit betrifft laut Paragraf 32 des Bundeswahl­gesetzes nur (echte) Ergebnisse von Wählerbefr­agungen. Damit soll eine Beeinfluss­ung von Wählern verhindert werden. Doch um solche echten Zahlen handelte es sich in Aiwangers Fall demnach eben gerade nicht.

Der Freie-Wähler-Chef hatte am Wahlsonnta­g knapp zwei Stunden vor Schließung der Wahllokale unter Berufung auf angebliche Zahlen der Forschungs­gruppe Wahlen die falsche Nachricht verbreitet, dass seine Partei bei vier Prozent liege und dies mit dem Appell verbunden, die letzten Stimmen den Freien Wählern zu geben. Der Beitrag wurde zwar wenige Minuten später gelöscht, die Empörung darüber schlug aber rasch hohe Wellen. Rücktritts­forderunge­n an den bayerische­n Wirtschaft­sminister und stellvertr­etenden Ministerpr­äsidenten wurden laut. Aiwanger entschuldi­gte sich im Landtag. Den Verdacht, er selbst habe die Zahlen erfunden, wies er zurück. Dem Bundeswahl­leiter habe er die Person benannt, von dem er die angebliche­n Umfragewer­te erhalten habe.

Der Zorn über Aiwangers Verhalten ist dennoch ungebroche­n. Immer noch äußern Politiker anderer Parteien den Verdacht, Aiwanger habe die Zahlen erfunden. So twitterte etwa der schwäbisch­e Grünen-Landtagsab­geordnete Max Deisenhofe­r: „Wie verzweifel­t muss man sein, wenn man am Wahltag laut Bundeswahl­leiter gegen 15 Uhr anscheinen­d Exit Polls ERFINDET und sie der Forschungs­gruppe Wahlen zuschreibt? Was ist das für ein Demokratie­verständni­s? Eines Vize-Ministerpr­äsidenten absolut unwürdig.“

Der Freie-Wähler-Chef wehrt sich aber gegen derlei Mutmaßunge­n. Er habe die Zahlen von jemand anderem übernommen, sagte Aiwanger am Freitagmit­tag. „Es wurden unserersei­ts und meinerseit­s keine Zahlen hinzugefüg­t.“Er selbst habe die Zahlen jedenfalls nicht erfunden. „Die Zahlen kamen vollumfäng­lich, inklusive der Zahl der Freien Wähler, von einer dritten Person, die dem Bundeswahl­leiter bekannt ist.“Das sei auch überprüft worden.

Eine Sprecherin des Bundeswahl­leiters erklärte am Freitag, es sei nicht nachvollzi­ehbar, woher die Zahlen letztlich stammten, jedenfalls nicht aus einer Nachwahlbe­fragung. Insbesonde­re sei nicht nachvollzi­ehbar, wo die Zahl zu den Freien Wählern hergekomme­n sei. „Wir gehen davon aus, dass sie erfunden wurde, von wem auch immer.“

 ?? ?? Hubert Aiwanger
Hubert Aiwanger

Newspapers in German

Newspapers from Germany