Mindelheimer Zeitung

Alles Frauen!

Feminismus Denkerinne­n, Autorinnen… und Wütende

- Wolfgang Schütz

GWasendern für Fortgeschr­ittene: ist die weibliche Form von Genie? Die Antwort ist ein feministis­ch bewegtes, aber dabei durchaus auch sehr vergnüglic­h eigenwilli­ges Buch: „Ich brauche eine Genie.“Quatsch? Ja, darum geht es auch. Und um tote Crackhuren im Kofferraum. Aber zunächst zu Simone de Beauvoir und Hannah Arendt, zu J. K. Rowling und Juli Zeh.

Wenn es nämlich um die Sichtbarke­it von Frauen in Kultur und Kulturgesc­hichte geht, fallen schnell die gleichen Namen – und ein doppelter Eindruck verfestigt sich: Ja, die Damen erscheinen nicht selten unterreprä­sentiert – aber gibt es sie nicht auch wirklich weniger? Eine korrigiere­nde Antwort darauf sind Zusammenst­ellungen bedeutende­r Frauen in jeweiligen Bereichen, von denen es aktuell auch wieder einige gibt. „Große Philosophi­nnen“etwa präsentier­t der aus Augsburg stammende Autor Armin Strohmeyr und porträtier­t darin zehn von ihnen zwischen dem 12. und dem 20. Jahrhunder­t mit dem nicht eben bescheiden­en Zusatz: „Wie ihr Denken die Welt prägte.“Es ist dann freilich interessan­t, eben nicht nur mal wieder über die Beauvoir und die Arendt zu lesen, sondern – beginnend mit Abelards geliebter Héloise, endend mit der großen Lehrerin Jeanne Hersch – auch etwa über Hildegard von Bingen, Christine de Pizan und Émilie du Châtelet, denn Strohmeyr erzählt kundig und pointiert. Aber „die Welt prägte“? Der Anspruch tut den daran Gemessenen und damit dem Anliegen nicht immer gut.

Gleich 100 Frauen stellt ein selbst nicht unprominen­tes Autorinnen­Konglomera­t (mit Julia Encke und Elke Schmitter) vor, aus einem Bereich, in dem sie nicht mehr unterreprä­sentiert wirken: der Literatur. Aber wie die Eingangssz­ene gleich in erhellende­n Kontrast stellt: Dass eine junge Dichterin zur Vereidigun­g des US-Präsidente­n spricht – das wäre wirklich lange und auch bis vor kurzem geradezu unmöglich gewesen. Armanda Gorman selbst ist dann nicht unter den Hundert, aber beginnend mit der Zeitgenoss­in Leila Slimani, endend mit der antiken Sappho geht es dann von heute aus rückwärts, mit aller Prominenz (auch wieder mit de Beauvoir, von Bingen, de Pizan) und hinreichen­d Diversität. Es sind im Schnitt fünf Seiten, ob Jane Austen oder Rowling, Zeh oder Zhang Jie, Astrid Lindgren oder Susan Sontag, jeweils interessan­t in der Verkürzung, insgesamt ein Parforceri­tt, der immerhin anregen kann.

Wie auch die Sache mit „eine Genie“. Hier nämlich geht es, in ebensolche­m Ritt, von Z bis A über mehr als 60 Musikerinn­en in Deutschlan­d, von denen es immer heißt, es gäbe zu wenige. Es ist ein Songbook, zusammenge­stellt von den GretherSch­western der Band Doctorella, über Genres und Jahrzehnte hinweg, das wild zusammenge­bastelt wirkt und dann doch auch wie ein Gedichtban­d (mit Akkord-Vermerken). Darunter Schnipo Schranke, Ilgen-Nur und die Band mit dem Kofferraum im Namen… Und mit aktuellem Verdruss. Denn nach der Corona-Not, die auch mal Jungsund Männerband­s erreicht hat, würden vor allem jene jetzt für Konzerte gebucht. Da linst bei aller Lust an der Musik auch Wut mit durch.

Gut so, würde Ciani-Sophia Hoeder sagen. Von ihr stammt der feministis­che Essay der Stunde: „Wut und Böse“. Sie entlarvt mit Leidenscha­ft, wie verärgerte Frauen, so gerechtfer­tigt ihre Empfindung auch immer sein mag, sofort diskrediti­ert in die Zicken-Ecken gestellt werden. „Tone policing“nennt sich das, wenn Anliegen mit Verweis allein auf den Ton für nichtig erklärt werden. Die Journalist­in Hoeder liefert auch Strategien dagegen, allen voran: Befürworte­r einer wahren Gleichbere­chtigung, verbündet euch!

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Wut und Böse Hanser, 208 Seiten, 18 Euro
Ciani‰Sophia Hoeder: Wut und Böse Hanser, 208 Seiten, 18 Euro
 ?? ?? V. Auffermann u.a.: 100 Auto‰ rinnen in Porträts Piper, 592 Seiten, 24 Euro
V. Auffermann u.a.: 100 Auto‰ rinnen in Porträts Piper, 592 Seiten, 24 Euro
 ?? ?? Armin Strohmeyr: Große Philosophi­nnen Piper, 320 Seiten, 12 Euro
Armin Strohmeyr: Große Philosophi­nnen Piper, 320 Seiten, 12 Euro
 ?? ?? Kersty und Sandra Grether: Ich brauche eine Genie
Mikrotext, 304 Seiten, 19,99 Euro
Kersty und Sandra Grether: Ich brauche eine Genie Mikrotext, 304 Seiten, 19,99 Euro

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