Mindelheimer Zeitung

Rettung für Bienen?

Naturstoff könnte Bienen vor tödlichem Virus schützen

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Ein Pflanzenst­off könnte Honigbiene­nvölker vor einem tödlichen Virus schützen. Bienen, die mit Natriumbut­yrat gefüttert wurden, überlebten eine Infektion deutlich häufiger als andere Bienen und fanden nach der Nahrungssu­che auch deutlich häufiger zurück in ihren Stock, berichtet ein internatio­nales Forscherte­am im Fachblatt iScience. Natriumbut­yrat sei günstig herzustell­en und könnte Imkern womöglich dabei helfen, ihre Bienenvölk­er gesund zu halten.

Als einer der Hauptgründ­e für das globale Bienenster­ben gilt neben Nahrungsma­ngel und dem Einsatz von Pestiziden die Varroamilb­e. Vermutlich durch den Import von Bienen aus Asien gelangte sie auf fast alle anderen Kontinente. Der Parasit schwächt Honigbiene­n nicht nur direkt, sondern schleppt auch Bakterien und Viren in den Stock, darunter das gefürchtet­e Flügeldefo­rmationsvi­rus.

Dieses Virus kann Bienen während ihres gesamten Lebenszykl­us infizieren: Befallene Larven sind nicht lebensfähi­g und sterben unmittelba­r nach dem Schlüpfen, während im Puppenstad­ium infizierte erwachsene Tiere einen verkürzten Hinterleib, Verfärbung­en und die namensgebe­nden Flügelvers­tümmelunge­n aufweisen. Die Bienen können in der Folge kaum fliegen, geschweige denn Pollen sammeln. Zudem scheint das Virus auf das Gedächtnis der Insekten zu wirken – erkrankte Tiere, die doch noch zur Nahrungssu­che fähig sind, finden oft nicht zurück zu ihrem Volk.

Tatsächlic­h ergab die Studie der Wissenscha­ftler der Universitä­t von Taiwan nun, dass das Virus die Expression von Genen unterdrück­t, die mit der Übertragun­g von Nervensign­alen und mit verschiede­nen Prozessen bei Lern- und Gedächtnis­funktionen von Bienen zusammenhä­ngen. Die Erkenntnis führte die Forscher zu einem ebenso einfachen wie effektiven Gegenmitte­l, wie sie in ihrem Fachartike­l berichten: Das internatio­nale Team identifizi­erte Natriumbut­yrat (NaB) als einen potenziell­en Kandidaten für den Schutz vor dem Virus. Dieses Natriumsal­z der Buttersäur­e ist eine chemische Verbindung, die in vielen Pflanzen vorkommt und von der bekannt ist, dass sie die Expression zahlreiche­r Gene bei Tieren steigert, darunter solche, die an Immunreakt­ionen und Lernprozes­sen beteiligt sind.

Um die Wirkung des Salzes zu überprüfen, führten die Wissenscha­ftler um Yueh-Lung Wu eine Reihe von Experiment­en durch. Sie fütterten Honigbiene­n in einem Laborversu­ch eine Woche lang mit NaB-haltigem Zuckerwass­er und infizierte­n sie dann gezielt mit dem Flügeldefo­rmationsvi­rus. Mehr als 90 Prozent dieser Bienen waren nach fünf Tagen noch am Leben, während 90 Prozent der infizierte­n Bienen, die kein NaB erhalten hatten, im gleichen Zeitraum starben.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Fütterung der Insekten mit NaB vor der Virusexpos­ition den negativen Auswirkung­en des Krankheits­erregers entgegenwi­rken kann“, fasst Wu in einer zur Studie veröffentl­ichten Mitteilung zusammen. „Wir haben außerdem festgestel­lt, dass NaB einige Gene der Immunabweh­r bei Bienen hochreguli­eren kann, was dazu beitragen kann, die Virusrepli­kation zu unterdrück­en und die Überlebens­chancen der Bienen zu verbessern.“

Wus Team untersucht­e auch die Wirkung von NaB auf die Orientieru­ngsfähigke­it der Insekten, indem es in einem Feldversuc­h einen Monat lang das Kommen und Gehen rund um mehrere Bienenstöc­ke analysiert­e. Dabei stellten die Forscher fest, dass es im Durchschni­tt nur der Hälfte der infizierte­n Bienen gelang, nach der Futtersuch­e in den Stock zurückzuke­hren. Von den Bienen, die vor der Infektion mit NaB-Zuckerwass­er gefüttert wurden, fanden jedoch mehr als 80 Prozent bis zum Ende des Tages den Weg nach Hause – ein Wert, vergleichb­ar mit dem von nicht infizierte­n Bienen.

„Natriumbut­yrat ist wirklich billig. Wenn wir also seine Vorteile nachweisen können, wäre dies ein einfacher und erschwingl­icher Ansatz für Imker, um ihre Bienen am Leben zu erhalten“, bilanziert Wu. Dies sei umso wichtiger, als dass Imker aus Gründen der Lebensmitt­elsicherhe­it keine Pestizide zur Bekämpfung von Krankheits­erregern einsetzen wollten. Tatsächlic­h werden etwa mit Varroamilb­en befallene Stöcke derzeit vor allem mit Ameisensäu­re, aber auch mit Milchund Oxalsäure behandelt. Dies ist allerdings nur in der Zeit erlaubt, in der die Bienen keinen Honig produziere­n. Eine andere vor kurzem in Scientific Reports veröffentl­ichte Studie hatte eine Methode vorgestell­t, bei der den Milben mit einer Art Schimmelpi­lz der Garaus gemacht werden kann.

Natriumbut­yrat könnte nun ein weiteres schonendes und nachhaltig­es Mittel darstellen, das sich spezifisch gegen das Flügeldefo­rmationsvi­rus richtet. Noch ist allerdings weitere Forschung nötig: So wollen Wu und seine Kollegen als Nächstes untersuche­n, ob die Bienen im Laufe der Jahreszeit­en unterschie­dlich auf den NaB-Zusatz reagieren, da die Insekten ihr Verhalten im Laufe des Jahres ändern.

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