„Durch das Muttersein habe ich weichere Seiten an mir entdeckt“
WAS BEDEUTET FAMILIE HEUTE? WAS MACHT SIE AUS? UND WAS HÄLT SIE ZUSAMMEN? WIR STELLEN DIESE FRAGEN DENEN, DIE SIE AM BESTEN BEANTWORTEN KÖNNEN
In der Serie „Familienalbum“erzählen wir die Geschichten von großen und kleinen Familien, von Regenbogenfamilien, Patchworkfamilien oder Mehr-Generationen-Familien, kurz: von jedem, der sich als Familie fühlt. Dieses Mal mit Lili, 34, aus München.
Familie Ich lebe mit meiner Familie in München. Mein Mann und ich haben zwei Kinder: einen Sohn, der fünf ist, und eine zweijährige Tochter. Die drei sind für mich meine Kernfamilie. Dazu kommen noch meine Eltern und meine Schwester und die Eltern meines Mannes. Meine Eltern sind sehr eingebunden bei uns, vor allem meine Mutter. Unsere Tochter habe ich zu Hause betreut, bis sie zwei geworden ist. Gleichzeitig habe ich gearbeitet, also hat meine Mutter mich immer zwei Wochen im Monat bei der Betreuung unterstützt.
Anfänge Mein Mann und ich sind schon lange zusammen: Er war 18, ich war 17, kennengelernt haben wir uns auf einem Festival. Damals dachte ich, er wäre eher jemand, mit dem man einen Abend Spaß hat und danach meldet er sich nicht mehr. Das kam dann anders. Seit 2018 sind wir verheiratet. Vor der Geburt unseres Sohnes haben wir viel Musik gemacht und in Clubs aufgelegt. Ich war damals in München eine der ganz wenigen Frauen in der DJ-Szene. Wir haben zu der Zeit studiert, ich habe Radio gemacht, wir waren viel tanzen. Mein Leben war vor allem durch Arbeit, Kultur und Feiern geprägt. Kinder fordern einen dann noch mal auf einer ganz anderen Ebene. Durch die Schwangerschaft und das Muttersein habe ich die eher weicheren Seiten an mir entdeckt, sie zugelassen, respektiert und ihnen Raum gegeben. Das war eine riesige Umstellung. Ich habe mich auf eine gewisse Weise neu kennengelernt und gemerkt, was für eine Stärke eigentlich in jenen Seiten steckt, die ich früher immer für zu weiblich, zu weich, zu schwach gehalten habe.
Jetzt fühle ich mich ganzer, weil ich diese Seiten an mir nicht mehr verstecken muss. Alltag Die Kinder gehen beide in den Kindergarten beziehungsweise in die Krippe. Mein Mann und ich sind mal im Homeoffice, mal im Büro. Wir haben beide relativ flexible Arbeitsmodelle. Ich arbeite als Journalistin in verschiedenen Schichten und die Kinderbetreuung nachmittags teilen wir uns fast fiftyfifty auf. Da helfen dann auch die Omas mit. Am Abend kommen wir dann alle zum Essen zusammen. Da wird es laut, es wird gemanscht und irgendwo dazwischen unterhalten wir uns über den Tag. Danach spielen wir meist noch ein wenig miteinander und bringen anschließend die Kinder ins Bett. Und wenn wir Glück haben, dann treffen sich die Eltern noch auf eine Runde Netflix oder ARD-Mediathek. Ich fühle mich von meinem Arbeitgeber gut unterstützt. Trotzdem habe ich den Wiedereinstieg nach den Schwangerschaften unterschätzt. Ich mache meinen Job wahnsinnig gern und doch spüre ich einen Interessenskonflikt zwischen den Kindern und der Arbeit. Es tut Kindern gut, wenn man viel Zeit mit ihnen verbringt. Und je weniger Zeit man für sie hat, desto mehr macht sich das bemerkbar. In meiner Brust schlagen zwei Herzen: Ich bin einerseits ein Arbeitstier, andererseits hatte ich auch schon Momente, in denen ich mir gewünscht habe, als Mutter zu Hause zu bleiben. Streitpunkte Man neigt als frisches Elternteil dazu, vor allem auf die Bedürfnisse des Kindes zu achten und seine eigenen Bedürfnisse zu vergessen. Das ist mir auch passiert. Ich habe mein Wohl stark von dem meines Kindes abhängig gemacht. Da wieder rauszukommen kann konfliktbehaftet sein. Ich musste lernen, mich von meinem Kind wieder unabhängiger zu machen. Also auch mal „Nein“zu sagen, wenn mein Sohn fragt, ob wir spielen. Da bekommt man natürlich keinen Applaus von einem Fünfjährigen. Ansonsten sind es die Klassiker: morgens losgehen, abends Zähneputzen. Da kracht es leider noch regelmäßig. Glücksmomente Uns als Familie macht es absolut glücklich, zusammen Musik zu hören und zu tanzen. Wir drehen die Musik dann laut und machen Kinderdisco. Mittlerweile haben wir eine Lichtmaschine, mein Mann oder ich stehen an den Turntables. Lustigerweise schließt sich da der Kreis, denn Musik ist das, was uns glücklich macht, und jetzt teilen wir es mit den Kindern. Alle bekommen dabei einen anderen Blick auf die anderen: Wir als Eltern sind in unserem Element und auch die Kinder haben einfach Spaß. Protokoll: Sarah Schierack
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