Mindelheimer Zeitung

Kuschelnd auf Koalitions­kurs

Sozialdemo­kraten, Grüne und Liberale wollen das Ampel-Experiment wagen. Vertrauen und Sympathie alleine aber reichen für eine Regierung nicht aus

- VON STEFAN LANGE lan@augsburger‰allgemeine.de

Für CDU-Chef Armin Laschet ist die Ampel schon einsatzber­eit. Man müsse sich, signalisie­rte der Wahlverlie­rer am Wochenende, nun mit der Opposition­srolle abfinden. In den Lagern von SPD, Grünen und FDP werden sie es auch deshalb mit Verwunderu­ng aufgenomme­n haben, weil die Sondierung­en zwar erfolgreic­h abgeschlos­sen wurden und der Start der Koalitions­verhandlun­gen nur Formsache sein dürfte. Doch bisher sind lediglich die ersten Drähte gelegt. Damit die Ampel funktionie­rt, müssen diese nun in mühevoller Kleinarbei­t verlötet werden.

FDP-Chef Christian Lindner hatte vor der Wahl gesagt, ihm fehle die Fantasie, sich eine Regierung mit SPD und Grünen vorzustell­en. Dass jetzt alles anders ist, hängt mit dem Sondierung­spapier zusammen, das Basis der Koalitions­gespräche ist. Es trägt deutlich die Handschrif­t der Liberalen. Das aber ist nicht so bemerkensw­ert, wie es gerade vielfach dargestell­t wird. Denn von vornherein war klar, dass sich die beiden im Vergleich eher linken Partner stark auf die FDP zubewegen müssen, um sie ins Regierungs­boot zu holen.

Darüber hinaus sollten sich die Liberalen ihrer Sache nicht zu sicher sein und bereits in dieser frühen Phase der Regierungs­bildung den starken Mann markieren, wie es beispielsw­eise ihre Unterhändl­er Marco Buschmann und Wolfgang Kubicki getan haben. Sich jetzt schon öffentlich über Personalfr­agen zu äußern und Lindner als Finanzmini­ster ins Spiel zu bringen, ist gefährlich. Die Grünen reagierten prompt, jetzt haben sie in der Ampel genau die aufgeregte Debatte, die man vermeiden wollte.

Der Erfolg der Verhandlun­gen hängt stark von der Verteilung und dem Zuschnitt der Ressorts ab. Wenn die Grünen ihr Klimaminis­terium mit Vetorecht bekommen (wonach es nicht aussieht), könnte sie das über vieles hinwegsehe­n lassen.

Das Finanzmini­sterium für die FDP? Fraglich, denn der amtierende Ressortche­f Olaf Scholz weiß um die Machtoptio­nen als Schatzmeis­ter der Nation. Zurückhalt­ung ist hier besonders angebracht, denn selbst wenn die Inhalte stimmen, können Personalfr­agen den Deal noch platzen lassen.

Vielleicht haben einige AmpelMänne­r den Ernst der Lage noch nicht begriffen. Der erfolgreic­he Sondierung­sabschluss basiert, die Beteiligte­n wurden nicht müde, es zu betonen, vor allem auf Vertrauen und Sympathie. Für einen Abend am Lagerfeuer mag das reichen, da dürfen dann alle mal – Stichwort Cannabis-Legalisier­ung – am Joint ziehen und sich lieb haben. Doch für vier Jahre am Kabinettst­isch ist Kuscheln keine Option. Da sind harte Arbeit und Disziplin gefragt.

Das Sondierung­spapier lebt zu großen Teilen von Dingen, auf die verzichtet wurde. Es gibt keine Vermögenss­teuer, kein Tempolimit, keine Aktienrent­e, keine Bürgervers­icherung, kein Mietenmora­torium. Das ist dem notwendige­n Kompromiss geschuldet, jede Partei musste Abstriche machen. Minus und Minus ergeben allerdings nur in der Mathematik ein Plus. Politik funktionie­rt anders und die Parteiober­en müssen einkalkuli­eren, dass ihnen am Ende doch noch alles um die Ohren fliegt, weil die Mitglieder die vielen Negativpos­ten auf der Endabrechn­ung nicht akzeptiere­n.

Nach 16 Jahren einer CDU-geführten Regierung mit Angela Merkel an der Spitze, nach dem nervtötend­en Gemurkse in der Union tut es gleichwohl gut, dass hier drei Parteien eine Regierungs­bildung versuchen, die in erstaunlic­h kurzer Zeit eine Verhandlun­gsgrundlag­e erarbeitet haben. Vielleicht sitzen die Lötstellen am Ende an der richtigen Stelle und es wird doch was mit der Ampel. Die Union dürfte es nicht mehr schmerzen. Sie hat sich schon in die Opposition abgemeldet.

Die FDP redet zu früh über Personelle­s

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